Lassen wir unsere Kinder ackern!

Ein Beitrag von Sina Breitenmoser

Abbildung 1: Ein Mädchen im Garten beim Ernten von Kartoffeln (colourbox.com, CC0 1.0)

Food Waste reduzieren, indem man Kinder und Jugendliche ackern lässt? Das Prinzip des Schulgartens und auch andere Initiativen zielen auf eine solche Verhaltensveränderung ab. Wie Bildung für Nachhaltige Entwicklung im Lehrplan 21 umgesetzt werden kann, zeigt das schöne Beispiel des Schulgartens.

Frisch auf den Müll

Entlang der gesamten Nahrungsmittelkette – vom Acker bis zum Teller – fallen in der Schweiz rund 2.8 Mio. t Lebensmittelabfälle an. In der Schweiz verursachen diese Lebensmittelabfälle rund 25 Prozent der Umweltbelastung der gesamten Ernährung. Davon fällt mehr als die Hälfte der Abfälle, nämlich 52%, in den Haushalten und in der Gastronomie an. Zusätzlich stammen weitere 27% der Lebensmittelabfälle aus der Verarbeitungsindustrie, 8% aus dem Handel und weitere 13% aus der landwirtschaftlichen Produktion von Nahrungsmitteln. Hierbei  in der verarbeitenden Industrie weitere 27% der Lebensmittelabfälle beim Aussortieren minderer, aber meistens trotzdem noch genusstauglicher Ware an (Beretta & Hellweg, 2019). Massnahmen, die sich leicht in den Alltag einbauen liessen, wie gezielte Einkaufslisten oder clevere Resteverwertung, würden diese enormen Abfallmengen reduzieren. Um Lebensmittelabfälle und CO2-Emissionen zu vermeiden, bedarf es einer Änderung der Ernährungsroutinen. 

Die Lösungen sind vielfältig

Verschiedene Initiativen zielen darauf ab, die Verhaltensweise zu verändern und für das Thema «Food Waste» zu sensibilisieren. Beispiele dafür sind Essensschränke, die unverkäufliche Lebensmittel von Geschäften und aus Haushalten der Öffentlichkeit gratis zugänglich machen. Andere Ansätze versuchen in der Wertschöpfungskette anzusetzen, beim Transport oder der Verpackung beispielsweise. So entstehen verpackungsfreie Läden und Gemüse- oder Fleischabonnements von lokalen Bauernhöfen. Initiativen wie der Ansatz der Solidarischen Landwirtschaft versucht Konsumentinnen und Konsumenten in der Produktion der Lebensmittel miteinzubeziehen, indem sie diese an der Produktion mit ihrem Arbeitskapital beteiligen lassen und das Risiko von Ernteausfälle mit ihnen teilen (Burger et al., 2019) . Bildungsangebote wie Gemeinschafts- und Schulgärten zielen auf die Vermittlung von Wissen und Können und damit auf eine Sensibilisierung für Umweltfragen ab (Fischer et al., 2019).

Der Schulgarten als Lernort 

Die Schule spielt eine entscheidende Rolle in der Umwelterziehung von Kindern. Das Konzept des Schulgartens hilft den Kindern, die Natur besser zu verstehen und sie lernen auch, was eine gesunde Ernährung bedeutet und wie die Nahrungsmittelproduktion funktioniert und dass diese Themen auch stetig aufeinander einwirken (Benkowitz et al., 2019; Fischer et al., 2019). Auch für die geistige, motorische und die emotionale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ist der Naturkontakt von zentraler Bedeutung. Für die Umsetzung einer Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE), wie sie im Lehrplan 21 vorgesehen ist, bietet der Schulgarten das ideale Lernobjekt (Benkowitz & Köhler, 2019; Pädagogische Hochschule FHNW & Coop Schweiz, 2019).

Mit den Profis in den Garten

Der gemeinnützige Verein «GemüseAckerdemie Schweiz» hat zum Ziel, Kinder und Jugendliche (KuJ) mit dem Anbau von eigenem Gemüse für Nachhaltigkeit und Gesundheit zu begeistern. Dazu hat der Verein verschiedene Programme für den Schulunterricht entwickelt. Beim Gemüseanbau und bei der Verwertung der Ernte (Abbildung 1.2) lernen die KuJ die gesamte Produktionskette näher kennen und entwickeln Wertschätzung für Lebensmittel. Über das Bewirtschaften des eigenen Ackers hinaus erfahren die KuJ mehr über Gemüseanbau oder die biologische Vielfalt (GemüseAckerdemie Schweiz, 2019).

Tipps für deinen Schulgarten

Was beim Bewirtschaften eines Schulgartens beachtet werden soll, damit das Projekt für alle Beteiligten zum Erfolg wird: 

> Betreuung des Schulgartens während den Schulferien früh regeln

> Einbezug von Anspruchsgruppen wie Schulleitung und Eltern, um Betroffene zu Beteiligten zu machen 

> Aneignung von Fachkenntnissen

> Thema Schulgarten breit und konsequent in den Unterricht einbinden und Erfahrungen laufend einfliessen lassen 

(Benkowitz & Köhler, 2019; Pädagogische Hochschule FHNW & Coop Schweiz, 2019)

Ackern, aber mit allem was dazu gehört

Meine Erinnerungen an unseren Schulgarten in der Primarschule sind sehr gemischt. Einerseits habe ich gerne Zeit dort verbracht, denn die Stunden draussen waren eine willkommene Abwechslung zum normalen Schulalltag. Es beschleicht mich jedoch gleichzeitig ein etwas ungutes Gefühl, wenn ich daran zurückdenke, denn irgendwie waren wir hauptsächlich am Jäten, was den fahlen Beigeschmack von Strafarbeit hatte. Deshalb ist es wichtig, ein Schulgartenprojekt zu realisieren mit allem, was dazu gehört – vom Jäten bis hin zu vielen schönen Erlebnissen bei der Ernte. Das wird die Kinder auf eine gute Art sensibilisieren und das Ackern wird sich später garantiert auszahlen. 

Dieser Blog-Beitrag entstand im Rahmen des Bachelormoduls Welternährungssysteme des Studiengangs Umweltingenieurwesen am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen der ZHAW im Frühjahrssemester 2020.

Quellen

Benkowitz, D., & Köhler, K. (2019). Lernen im Schulgarten – Werden vorhandene Potentiale genutzt? (Karlsruhe University of Education, Institute of Biology an Schoolgarden, Hrsg.). https://www.researchgate.net/profile/Dorothee_Benkowitz/publication/337622043_Lernen_im_Schulgarten_-Werden_vorhandene_Potentiale_genutzt/links/5de0c42d4585159aa451a0e3/Lernen-im-Schulgarten-Werden-vorhandene-Potentiale-genutzt.pdf

Benkowitz, D., Schulz, S., & Lindemann-Matthies, P. (2019). The Impact of Gardening Experiences on Children’s Intake of Vegetables. 5. https://doi.org/10.18455/19001

Beretta, C., & Hellweg, S. (2019). Lebensmittelverluste in der Schweiz: Mengen und Umweltbelastungen. Wissenschaftlicher Schlussbericht (ETH Zürich, Hrsg.). www.bafu.admin.ch/lebensmittelabfaelle

Burger, P., Hess, A.-K., Parlow, S., Schubert, I., & Sohre, A. (2019). Suffizienz im Alltag. Vielversprechende Schritte auf dem Weg zur ERreichung einer CO2-armen Gesellschaft. https://energieimalltag.philhist.unibas.ch/fileadmin/user_upload/energieimalltag/Suffizienz_im_Alltag_PDF.pdf

Fischer, L. K., Brinkmeyer, D., Karle, S. J., Cremer, K., Huttner, E., Seebauer, M., Nowikow, U., Schütze, B., Voigt, P., Völker, S., & Kowarik, I. (2019). Biodiverse edible schools: Linking healthy food, school gardens and local urban biodiversity. Urban Forestry & Urban Greening40, 35–43. https://doi.org/10.1016/j.ufug.2018.02.015

GemüseAckerdemie Schweiz. (2019). Medieninformation GemüseAckerdemie August 2019. https://www.gemueseackerdemie.ch/fileadmin/Redaktion/_CH-Domain/Medien/Medieninformation_2019.pdf

Pädagogische Hochschule FHNW, & Coop Schweiz (Hrsg.). (2019). Schulgarten—Wegweiser mit Tipps und Ideen. https://www.google.ch/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&cad=rja&uact=8&ved=2ahUKEwjm–jwzrPpAhUzpHEKHYF1BbkQFjAAegQIAxAB&url=https%3A%2F%2Fwww.fhnw.ch%2Fde%2Fforschung-und-dienstleistungen%2Fpaedagogik%2Finstitut-kindergarten-unterstufe%2Fbildungssortensgarten%2Fmedia%2Fwegweiser-schulgarten.pdf&usg=AOvVaw0Jet67ijTJkO79VNtJdfs4


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