Lachszucht in Norwegen – Schutz für den Wildfisch?

Ein Beitrag von Marc Werder

Abbildung 1: Typische Lachszucht in Norwegen (Quelle: Bild von Andrey Armyagov , Colourbox, Lizenz

Mehr als 1.3 Mio. Tonnen Atlantischen Lachs (Salmo salar) produziert Norwegen jährlich in seinen Lachszuchten entlang der gesamten Küste. Damit sind sie mit Abstand der grösste Lachproduzent der Welt (FAO, 2019). Durch die Zucht wird sichergestellt, dass der Lachs, der rund um die Zuchtanlagen frei in den norwegischen Gewässern lebt, nicht überfischt wird. Dennoch bergen genau diese Lachszuchten auch eine Gefahr für den Bestand und die Lebensweise der Wildlachse. 

Aus Zucht ausgebrochene Exemplare 

Jährlich entfliehen etwa 30’000 bis 60’000 Exemplare aus Lachsfarmen in den norwegischen Fjords (Fiske et al., 2006). Da diese Zuchtlachse seit Jahrzehnten auf starkes Wachstum gezüchtet werden, unterscheiden sie sich auf genetischer Ebene gravierend von den Wildlachsen. Dies hat zur Folge, dass Nachkommen von Zuchtlachsen in der Wildnis zwar grösser werden als die der Wildlachse, allerdings eine viel höherer Sterblichkeitsrate haben. Dies wirkt sich negativ auf deren Laicherfolg und bei einer hohen Invasion von Zuchtlachsen in Wildlachspopulationen auch auf die Überlebenschance der gesamten Population aus. Denn eine Studie von Hindar et al. (2006) hat aufgezeigt, dass nach zehn Laichgenerationen (40 Jahre) die meisten Lachse in der besiedelten Population entweder Zucht- oder Hybridlachse sind und somit die Populationsgrösse von Wildlachsen stetig abnimmt. 

Weiter sind seit 1964 immer wieder neue Parasiten wie die Plattwurmart Gyrodactylus salaris oder Läuse in Lachszuchten aufgetreten. Diese führen ohne Behandlung häufig bei allen Infizierten zum Tod. Durch entkommene Exemplare werden diese Krankheiten in die offenen Gewässer getragen und führen durch die Übertragung auf Wildlachs ebenfalls zu einer starken Dezimierung dieser Populationen. Solche Krankheiten sind in Teilen des norwegischen Fjordes bereits für einer Reduktion von 50-100% der natürlichen Wildlachspopulation verantwortlich (Taranger et al., 2015). 

Findet ein Umdenken statt? 

Noch bis 1990 wurde zudem für die Fütterung der Zuchtlachse buchstäblich die Nahrung der Wildlachse aus dem Meer gefischt. Denn 90% der Inhaltstoffe für das Fischfutter bestanden aus Fischmehl und -öl. Seither fand ein Umdenken in diesem Gebiet statt. Heute macht der Nahrungsanteil aus tierischem Ursprung lediglich 30% der Nahrung für Zuchtfische aus (Ytrestøyl et al., 2015). Ob dies rein auf ökologischen Gründen basiert und man eingesehen hat, dass Fischzuchten durch den hohen Fischverbrauch ebenfalls zur Überfischung der Gewässer beitragen, ist fraglich. Vielmehr ist diese Entscheidung, einem Raubfisch pflanzliche Nahrung zu füttern, wahrscheinlich ökonomisch begründet. 

Abbildung 2: Atlantischer Lachs – Als Zucht- oder Wildlachs ein sehr begehrter Speisefisch (Quelle: Colourbox, Lizenz

Nichtsdestotrotz werden durch den Wechsel in der Fütterung von Zuchtfischen unzählige Fische vor ihrem Tod bewahrt. Und bei einem jährlichen Verbrauch von 1.63 Mio. Tonnen Nahrung pro Jahr ist dies eine Menge nichtverfütterte Fische (Ytrestøyl et al., 2015). Die Frage bleibt dennoch, ob Raubfische vermehrt mit Soja, Weizengluten sowie Pflanzenölen gefüttert werden sollen oder ob sich dies negativ auf den Fett- sowie Omega-3-Fettsäurengehalt im Fleisch auswirkt. 

Fest steht, dass Lachszuchten nicht abgekoppelt vom Wildlachs angeschaut werden dürfen. Man muss realisieren, dass durch den Konsum von Zuchtlachs automatisch auch der Bestand an Wildlachsen betroffen ist. Die Zukunft wird zeigen, ob ein Umdenken in der Branche stattfindet und die Wildlachse besser geschützt werden. Falls nicht, wäre bereits heute eine allgemeine Reduktion des Fischkonsums für den Zucht- sowie Wildlachs sicherlich die beste Option. Denn Quellen für die essenziellen Omega-3-Fettsäuren im Fischfleisch existieren auch in verschiedenen pflanzlichen Nahrungsmitteln, wie Walnüssen oder Leinöl (Crawford et al., 2000; Simopoulos, 2002). 

Dieser Blog-Beitrag entstand im Rahmen des Bachelormoduls Welternährungssysteme des Studiengangs Umweltingenieurwesen am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen der ZHAW im Frühjahrssemester 2020.

Quellen

Crawford, M., Galli, C., Visioli, F., Renaud, S., Simopoulos, A. P., & Spector, A. A. (2000). Role of plant-derived omega–3 fatty acids in human nutrition. Annals of Nutrition and Metabolism, 44(5–6), 263–265. 

FAO. (2019). Globefish Highlights a quarterly update on world seafood marekts (Globefish Highlights no. 4–2019). 

Fiske, P., Lund, R. A., & Hansen, L. P. (2006). Relationships between the frequency of farmed Atlantic salmon, Salmo salar L., in wild salmon populations and fish farming activity in Norway, 1989–2004. ICES Journal of Marine Science, 63(7), 1182–1189. https://doi.org/10.1016/j.icesjms.2006.04.006

Hindar, K., Fleming, I. A., McGinnity, P., & Diserud, O. (2006). Genetic and ecological effects of salmon farming on wild salmon: Modelling from experimental results. ICES Journal of Marine Science, 63(7), 1234–1247. https://doi.org/10.1016/j.icesjms.2006.04.025  

Simopoulos, A. P. (2002). Omega-3 fatty acids in wild plants, nuts and seeds. Asia Pacific Journal of Clinical Nutrition, 11(s6), S163–S173. https://doi.org/10.1046/j.1440-6047.11.s.6.5.x  

Taranger, G. L., Karlsen, Ø., Bannister, R. J., Glover, K. A., Husa, V., Karlsbakk, E., Kvamme, B. O., Box-aspen, K. K., Bjørn, P. A., Finstad, B., Madhun, A. S., Morton, H. C., & Svåsand, T. (2015). Risk assessment of the environmental impact of Norwegian Atlantic salmon farming. ICES Journal of Marine Science, 72(3), 997–1021. https://doi.org/10.1093/icesjms/fsu132  

Ytrestøyl, T., Aas, T. S., & Åsgård, T. (2015). Utilisation of feed resources in production of Atlantic salmon (Salmo salar) in Norway. Aquaculture, 448, 365–374. https://doi.org/10.1016/j.aqua-culture.2015.06.023  


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