Antibiotikaeinsatz in Aquakulturen – eine Gefahr für Mensch und Natur?

Ein Beitrag von Seraphin Müller

Abbildung 1: Fischzucht in Süd-Thailand (Quelle: Colourbox, Lizenz)

Der weltweite Konsum von Fisch steigt stetig an. Da die Fischgründe der Meere bereits erschöpft sind, schiessen Aquakulturen wie Pilze aus dem Boden. Um in den Zuchtbetrieben Krankheiten zu verhindern, werden grosse Mengen an Antibiotika eingesetzt. Für aquatische Ökosysteme und insbesondere die Gesundheit von Menschen kann das weitreichende Konsequenzen haben.

Eine tickende Zeitbombe

Der Antibiotikaeinsatz in Pangasius-Fischzuchten im Mekong-Delta Vietnams wirkt sich auf die aquatischen Ökosysteme aus. So konnte in einer Studie das Antibiotikum Enrofloxacin im Sediment von Gewässern nachgewiesen werden. Im Zusammenhang mit diesem Antibiotikum können zwar keine unmittelbar negativen Auswirkungen auf die aquatischen Ökosysteme bestätigt werden. Es wird jedoch darauf verwiesen, dass bezüglich der Wirkung anderer Antibiotika keine Aussage gemacht werden könne und weitere Studien notwendig seien (Andrieu et al., 2015). Auch Nguyen Dang Giang et al. (2015) stellen trotz übermässigem Antibiotikaeinsatz in Vietnam keine unmittelbare Bedrohung für die aquatischen Ökosysteme fest. Dennoch sollte der Einsatz von Antibiotika dringend reduziert werden. Sonst besteht die Gefahr, dass Bakterien Resistenzen entwickeln.

Bioakkumulation von Antibiotika

Antibiotikarückstände sind im Boden, in Tierexkrementen, Abwässern und im Klärschlamm nachweisbar. Die Antibiotika werden beispielsweise Futter-Pellets für Fischzuchten beigemischt. Daraus resultiert eine Anreicherung der eingesetzten Antibiotika im Gewebe der Zuchtfische. Dieser Vorgang wird Bioakkumulation genannt. In der Studie von Chen et al. (2015) konnte das Antibiotikum Erythromycin im Gewebe der Garnelenart Fenneropenaeus penicillatus in erhöhter Konzentration nachgewiesen werden. Für Personen, welche die Garnele täglich verzehren, entsteht so ein potenzielles Gesundheitsrisiko (Chen et al., 2015).

Aus Genveränderung erfolgt Resistenz

Bakterien können schwerwiegende Krankheiten verursachen. Um dem entgegenzuwirken, setzen Tierzuchten auf Antibiotika. Bei übermässigem Antibiotikaeinsatz besteht die Gefahr, dass Bakterien eine Resistenz entwickeln. Diese erfolgt durch die Veränderung des genetischen Aufbaus der bakteriellen DNA. Die toxische Wirkung antibakterieller Medikamente bleibt aus, das Bakterium überlebt. Eine Resistenz kann durch den Verzehr von Fleisch oder Fisch auf den Menschen übertragen werden. Ist dies der Fall, verringert sich die Bandbreite an medizinisch einsetzbaren Antibiotika. Die potenzielle Verbreitung von Resistenzgenen gegen Krankheitserreger stellt generell eine Bedrohung für die menschliche Gesundheit dar (Witte, 1998).

Gentransfer auf Menschen

Auch Heuer et al. (2009) warnen vor möglichen Übertragungswegen von Resistenzgenen. Durch die übermässige Verwendung von Antibiotika in der Aquakultur entstehen Reservoirs arzneimittelresistenter Bakterien. Übertragbare Resistenzgene in Fischpathogenen und anderen Bakterien können sich ungehindert vermehren. Von diesen Reservoirs an resistenten Bakterien können Gene auf menschliche Krankheitserreger übertragen werden. Ist dies der Fall, spricht man von einem indirekten Gentransfer. Eine direkte Ausbreitung antimikrobieller Resistenz liegt dann vor, wenn der Mensch nicht von einem Humanpathogen, sondern von einem opportunistischen Krankheitserreger befallen wird. Dieser Vorgang erfolgt direkt über das Trinken von Wasser beziehungsweise den Konsum von Aquakultur-Produkten.
Antibiotikaresistente Bakterien im menschlichen Organismus ziehen Konsequenzen nach sich. Die Infektionsrate steigt und Antibiotika werden zunehmend unwirksam.

Abwendung einer Katastrophe

Wird der Einsatz von Antibiotika in Aquakulturen nicht angepasst und stärker kontrolliert, droht die Entwicklung multiresistenter Bakterien. Die Gesundheit von Personen, welche Produkte der entsprechenden Aquakulturen konsumieren, ist gefährdet. Die Entwicklung antimikrobieller Resistenz kann am effektivsten durch einen reduzierten Antibiotikaeinsatz verhindert werden. Dafür braucht es griffige Gesetze, deren Durchsetzung kontrolliert wird. Zur Krankheitsprävention sollten potente Impfstoffe, welche den Bedarf an antimikrobiellen Mitteln zu senken vermögen, weiterentwickelt werden.

Dieser Blog-Beitrag entstand im Rahmen des Bachelormoduls Welternährungssysteme des Studiengangs Umweltingenieurwesen am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen der ZHAW im Frühjahrssemester 2020.

Quellen

Andrieu, M., Rico, A., Phu, T. M., Huong, D. T. T., Phuong, N. T., & Van den Brink, P. J. (2015). Ecological risk assessment of the antibiotic enrofloxacin applied to Pangasius catfish farms in the Mekong Delta, Vietnam. Chemosphere, 119, S. 407–414. https://doi.org/10.1016/j.chemosphere.2014.06.062

Chen, H., Liu, S., Xu, X.-R., Liu, S.-S., Zhou, G.-J., Sun, K.-F., Zhao, J.-L., & Ying, G.-G. (2015). Antibiotics in typical marine aquaculture farms surrounding Hailing Island, South China: Occurrence, bioaccumulation and human dietary exposure. Marine Pollution Bulletin, 90(1–2), S. 181–187. https://doi.org/10.1016/j.marpolbul.2014.10.053

Heuer, O. E., Kruse, H., Grave, K., Collignon, P., Karunasagar, I., & Angulo, F. J. (2009). Human Health Consequences of Use of Antimicrobial Agents in Aquaculture. Clinical Infectious Diseases, 49(8), 1248–1253. https://doi.org/10.1086/605667

Nguyen Dang Giang, C., Sebesvari, Z., Renaud, F., Rosendahl, I., Hoang Minh, Q., & Amelung, W. (2015). Occurrence and Dissipation of the Antibiotics Sulfamethoxazole, Sulfadiazine, Trimethoprim, and Enrofloxacin in the Mekong Delta, Vietnam. PLOS ONE, 10(7), e0131855. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0131855

Witte, W. (1998). Medical Consequences of Antibiotic Use in Agriculture. Science, 279(5353), 996–997. https://doi.org/10.1126/science.279.5353.996


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