Altersmonitor

Monitoring für ein besseres Alter

Eine repräsentative nationale Befragung bildet die Grundlage des Altersmonitors von Pro Senectute Schweiz. Die Erhebung der Daten wurde durch die ZHAW und die Uni Genf durchgeführt. Im dritten und vierten Teilbericht liegt der Fokus auf dem Bezug von Betreuungs- und Pflegeleistungen sowie der Korrelation zwischen Freizeitaktivitäten und kognitiver Gesundheit. Alexander Widmer von Pro Senectute Schweiz teilt im Interview die neusten Erkenntnisse.

Beim Altersmonitor wurde nach den Datenauswertungen zu den Themen Altersarmut und dem (Nicht-)Bezug von Ergänzungsleistungen zur AHV in einem weiteren Schritt der Bezug von Betreuungs- und Pflegedienstleistungen untersucht. Welche Haupterkenntnisse können daraus gezogen werden?

Bislang war es eher anekdotische Evidenz, dass ärmere Personen weniger Betreuung beziehen, weil sie sich diese nicht leisten können. Denn: Im Gegensatz zur Pflege müssen sie diese aus der eigenen Tasche bezahlen. Die Studie konnte nun aufzeigen: Leute mit tiefem Einkommen beziehen weniger Betreuungsdienstleistungen als Pflegeleistungen. Bei Personen ab einem Einkommen von CHF 3000 ist es, wie eigentlich zu erwarten, genau umgekehrt.

Der Bedarf scheint also grösser zu sein als der Bezug. Wie genau konnte dies nachgewiesen werden?

In einer von uns durchgeführten Studie konnte bereits 2020 aufgezeigt werden, dass über 40 Prozent der Personen eigentlich Bedarf nach mindestens einer Betreuungsleistung haben. Wenn man dann den Bezug anschaut, kommt man im dritten Teilbericht auf etwas mehr als 8 Prozent. Es ist klar, dass beispielsweise Paare sich gegenseitig unterstützen und auch die Familie nach wie vor eine Rolle spielt. Nichtsdestotrotz gibt es hier eine Lücke.

Welche grundsätzliche Bedeutung hat die Betreuung als Ergänzung zur Pflege?

Betreuung unterstützt auf individueller Ebene, dass ältere Menschen länger in den eigenen vier Wänden verbleiben können. Betreuung bezieht die Person auch ein und hat somit auch eine präventive Funktion. Auf gesellschaftlicher Ebene tragen sie dazu bei, hohe Heim- und Pflegekosten einzudämmen. Sie kommen zum Zuge, wenn aufgrund von Einschränkungen nicht mehr alle Alltagsarbeiten selbstständig ausgeführt werden können. Insbesondere Alleinlebende sind auf Unterstützung angewiesen, wodurch auch psychosoziale Faktoren wichtig werden. Bei der Betreuung spielt deshalb neben der praktischen Unterstützungsleistung immer auch der soziale Aspekt eine zentrale Rolle. Er trägt zur Verminderung von sozialer Isolation bei.

Pro Senectute bietet unter dem Leistungsbereich «Hilfen zuhause» eine breite Palette an Betreuungsdienstleistungen an. Was wären Beispiele dafür?

Zu den Klassikern gehören Mahlzeitendienst, Begleit- und Besuchsdienst sowie Fahrdienst. Unterstützung bieten wir auch mit Hauswirtschaftsleistungen. Auch administrative Hilfe bieten wir an, sei es bei der Steuererklärung oder bei alltäglichen Zahlungen.

Portraitfoto des INterviewpartners Alexander Widmer, Mitglied der Geschäftsleitung von Pro Senectute Schweiz
Alexander Widmer, Mitglied der Geschäftsleitung von Pro Senectute Schweiz

Was sind nun die Gründe für die finanziellen Herausforderungen bei der Betreuung und welche Lösungsmöglichkeiten gibt es?

Bei der Pflege besteht ein flächendeckendes Grundangebot und die Finanzierung ist über das Krankenversicherungsgesetz (KVG) sichergestellt. Bei der Betreuung ist das anders: Sie muss grundsätzlich aus dem eigenen Portemonnaie bezahlt werden. Eine allfällige finanzielle Unterstützung und auch das Angebot ist je nach Kanton und Gemeinde sehr unterschiedlich. Manchenorts gibt es Betreuungsgutschriften, -geld oder -gutscheine.

Mit welchen Kosten muss für eine Betreuungsdienstleistung gerechnet werden, wenn sie vollständig aus der eigenen Tasche bezahlt werden muss?

Schaut man die verschiedenen Anbieter an, so beträgt der Stundenansatz meist etwas zwischen 40 bis 55 Schweizer Franken. Auch bei Pro Senectute bewegen wir uns in diesem Rahmen, können je nach Region und auch mit der Unterstützung von Freiwilligen diese günstiger erbringen. In finanziellen Härtefällen klären wir die Möglichkeit für konkrete finanzielle Unterstützung ab. Nichtsdestotrotz: Für viele ältere Menschen ist das nur schwer oder gar nicht zu bezahlen. Dadurch steigt der Anreiz, ins Altersheim zu ziehen.

Genau dieser Fehlanreiz hat nun einen politischen Prozess in Gang gesetzt: Der Bundesrat schlägt für Bezügerinnen und Bezüger von Ergänzungsleistungen zur Altersrente Betreuungsleistungen vor, die im Rahmen der Krankheits- und Behinderungskosten vergütet werden sollen. Wie kann Pro Senectute hier Einfluss nehmen?

Wir setzten uns dafür ein, dass Menschen mit engem finanziellen Spielraum auch Betreuungsleistungen zuhause erhalten. Wie argumentieren hier aus fachlicher Perspektive, zeigen also auf, wie die Situation dieser Menschen ist und welche Betreuungsleistungen hier besonders benötigt werden und wirkungsvoll sind.

Coverbilder der bisher erschienenen Teilberichte des Altersmonitors von Pro Senectute.
Die bisher erschienenen Teilberichte des Altersmonitors von Pro Senectute.

Auch der nun schon vierte Teilbericht des Altersmonitors nimmt Bezug zu einem Bereich, in dem Pro Senectute aktiv ist: der Gestaltung von Freizeitaktivitäten.

Richtig, obwohl es dabei nicht um unsere Angebote ging. Die Studie zeigt, dass intellektuelle und soziale Aktivitäten sowie Sport und Bewegung mit einer guten kognitiven Gesundheit im Alter einhergehen. Hinweise, dass körperliche, soziale und intellektuelle Aktivitäten mit besserer kognitiver Gesundheit wie z.B. besserem Erinnerungsvermögen korrelieren, liefern unterdessen auch weitere Studien. Den Nachweis dafür zu erbringen, ist allerdings nicht einfach. Hierfür müssten Personen über einen längeren Zeitraum hinweg beobachtet werden. Mit unserer Studie haben wir immerhin einen Querschnitt.

Was kann Pro Senectute in diesem Bereich anbieten?

Wir haben ein sehr breites Angebot im Bereich Bewegung und Sport – auch fürs kleine Portemonnaie und für verschiedene Intensitätsniveaus. Unter «Angebote in ihrer Nähe» auf unserer Webseite finden sich Kurse im Bereich von Aquafit über Stand-up Paddling bis zu Schneeschuhwandern und vieles mehr. Auch intellektuelle Aktivitäten werden gefördert, z.B. in Kursen zum Erlernen einer neuen Sprache oder zum Vertiefen von Sprachkenntnissen. Auch organisieren die Pro Senectute-Organisationen Treffen, an denen z.B. einfach Kaffee getrunken oder gejasst wird.

Nun arbeitet Pro Senectute beim Altersmonitor eng mit der ZHAW zusammen. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit und welche Vorteile zieht Pro Senectute daraus?

Grundsätzlich arbeiten wir mit allen Hochschulen gerne zusammen. Dabei möchten wir als national tätige Organisation auch immer alle Sprachregionen abbilden. Mit der ZHAW konnte sich die Zusammenarbeit etablieren. Am Anfang stand die Übergabe der damaligen «Pro Senectute Bibliothek» im Jahr 2021, welche die ZHAW mitunter dazu veranlasste, einen gerontologischen Schwerpunkt aufzubauen. Fachhochschulen sind nicht nur in der Forschung relevant, sondern auch bei er Ausbildung, z.B. von Sozialarbeitenden. Fachhochschulen liefern wertvolle Inputs für die Arbeit von Pro Senectute. Wichtig ist für uns, dass Projektideen frühzeitig an uns herangetragen werden. Ein Wunsch wäre vielleicht, dass Hochschulen sich untereinander stärker vernetzen und zusammenarbeiten.


Altersmonitor Pro Senectute

Der Altersmonitor von Pro Senectute Schweiz ist eine repräsentative Befragung der Bevölkerung über 55 Jahren zu verschiedenen altersrelevanten Themen. Die Umfrage erfolgte 2022 in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und der Universität Genf. 

Alle Berichte des Altersmonitors finden Sie auf prosenectute.ch.

Dr. Alexander Widmer ist Mitglied der Geschäftsleitung von Pro Senectute Schweiz, wo er den Bereich Innovation & Politik verantwortet.

Interview: Dieter Sulzer


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