Bachelorarbeit im Lockdown: Tagesstrukturen schaffen, um die neu gewonnene Zeit sinnvoll zu nutzen

Alyssa Riebli studiert im 6. Semester des Bachelorstudiengangs in Facility Management an der ZHAW Life Sciences und Facility Management. Sie wohnt in Zug und erzählt im Interview, wie sie das letzte Semester ihres Studiums erlebt hat. Dazu gehören unter anderem Herausforderungen wie der fehlende Kontakt zu Mitstudierenden, schlechte Internetverbindung an Online-Prüfungen und das Verfassen der Bachelorarbeit im Home-Office.

Salut Alyssa! Erzähl mal, wie es dir in diesen aussergewöhnlichen Zeiten so erging? Wie hast du das vergangene Semester um den Lockdown herum erlebt?

Im Grossen und Ganzen ging es mir ziemlich gut während dem Lockdown. Wir haben genug Platz zu Hause und zudem war ausser mir nur meine Mutter im Home-Office. Wir sind gut aneinander vorbeigekommen, weil wir uns jeweils entweder auf den Esstisch oder den Tisch im Büro aufgeteilt haben. Ab und zu haben wir auch mal getauscht. Das hat auch ganz gut funktioniert. Ich konnte mir auch meine Zeit ganz gut einplanen. Ich wohne in Zug und habe daher eineinhalb Stunden von Tür zu Tür, also drei Stunden tägliches pendeln, für die Schule. Als das Corona bedingt wegfiel, hatte ich plötzlich sehr viel mehr Zeit für mich, in der ich Sport machen oder mal etwas ausserhalb der Fachhochschulliteratur lesen konnte. Das war ziemlich angenehm. Allerdings muss ich wirklich sagen, ich habe meine Studienfreunde vermisst. Es hat mir schon sehr gefehlt, zum Beispiel, sich mit den Leuten über ein Fach auszutauschen oder gemeinsam in der Pause einen Kaffee zu trinken. Das kann man ganz einfach nicht kompensieren mit dem Telefon oder Video Calls.

Bist du und deine Mutter gut aneinander vorbeigekommen? Oder gab es auch mal etwas Knatsch?

Grundsätzlich ging es gut. Was hingegen das Zusammenleben und -arbeiten erheblich erschwert hat, war der Umstand, dass unser Internet ab und zu Aussetzer hatte. Im Büro war zudem die Internetverbindung auch noch schlechter als im Esszimmer. Somit hatten wir häufig das Gespräch, wer denn jetzt Anrecht auf gute Verbindung am Esstisch hat. Sonst hatten wir es sehr gut miteinander.

Je nach Internetverbindung sah der Arbeitsplatz bei Alyssa Riebli zu Hause immer etwas anders aus. Mal war es der Esstisch (links) im Wohnzimmer und mal im Büro (rechts), 6. Semester Facility Management an der ZHAW. (Riebli, 2020)

Je nach Internetverbindung sah der Arbeitsplatz bei Alyssa Riebli zu Hause immer etwas anders aus. Mal war es der Esstisch (links) im Wohnzimmer und mal im Büro (rechts), 6. Semester Facility Management an der ZHAW. (Riebli, 2020)

Inwiefern spürst du die Auswirkungen der Ausnahmezeit auf dein Studium?

Während dem Studium war ich insgesamt ein Jahr im Ausland: Im vierten Semester im Rahmen eines sechsmonatigen Praktikums in Paris und dann nochmal sechs Monate im 5. Semester in Groningen. Anschliessend an den Aufenthalt sind wir im Februar noch mit der Studienklasse nach Indien an die Hochzeit einer Kommilitonin.
Nach der Rückkehr hatten wir noch etwa drei Wochen Unterricht und dann hiess es definitiv, dass alle zu Hause bleiben müssen. Ich freute mich sehr auf das letzte halbe Jahr mit den Mitstudenten in der Schweiz. Das war wirklich etwas schade. Wir haben auch einen Tischfussballkasten an der ZHAW, den wir oft nutzten oder tranken auch mal ein Feierabendbier zusammen. Der Zusammenhalt meiner Klasse war wirklich gut. Deshalb war es schade zu wissen, dass wir bis zum Ende des Studiums weder zurück an die Fachhochschule gehen, noch zusammen sein oder gemeinsam das letzte Semester geniessen konnten. Klar, wir haben uns ab und zu online getroffen, aber das ist natürlich nicht das Gleiche.

Du hast also nach eurer Rückkehr aus Indien deine Bachelorarbeit im Home-Office während dem Lockdown geschrieben? Wie war denn das für dich? Hattest du spezielle Tagesstrukturen?

Ja, ich habe meine Bachelorarbeit von zu Hause geschrieben. Da ich eher ein technisches Thema hatte und ich die Interviews vor dem Lockdown bereits durchgeführt habe, hat mir das eigentlich ziemlich in die Karten gespielt. Meine Arbeit beschränkte sich hauptsächlich auf Texte, die online verfügbar waren oder Informationen aus Interviews extrahieren, die ich bereits durchgeführt habe. Wir mussten ja ohnehin alle zu Hause bleiben daher war es für mich alles in allem ziemlich vorteilhaft, da ich mich vollumfänglich auf das Thema konzentrieren konnte.

Dadurch, dass man nur am Computer sitzt, musste ich mir einen Tagesablauf kreieren, der für mich auf Dauer verkraftbar war. Am Morgen nach dem Aufstehen kann ich mich am besten konzentrieren und entsprechend am effizientesten arbeiten. Deshalb habe ich immer dann die Aufgaben erledigt, die von mir Höchstleistung und Konzentration abverlangt haben. Das waren beispielsweise Aufgaben wie Auswertungen, Daten abgleichen und Informationen verarbeiten. Ab ca. zehn Uhr kam dann meistens die erste kritische Phase, wo ich mir dann mal einen Kaffee holen ging und eher lockerere Arbeiten erledigte wie E-Mails beantworten oder Informationen in Texte verfassen. Dann habe ich mir auch oft etwas länger Mittag gegönnt. Dadurch, dass ich ja nicht mehr pendeln musste, fiel das nicht besonders ins Gewicht. Über den Mittag habe ich Zeit mit meiner Mutter verbracht, etwas Leckeres gekocht oder Sport gemacht. Ab drei Uhr bis mindestens sechs Uhr habe ich mich wieder darangesetzt. Dann konnte ich mich auch nochmal sehr gut konzentrieren, weil ich in der Mitte eine lange Pause gemacht habe. Teilweise habe ich auch noch abends ein oder zwei Stunden weitergearbeitet und andere Dinge, wie leichtere Literatur gelesen oder Layout Formatierungen für Bilder, Tabellen, Seitenzahlen, usw. erledigt. Man konnte ja sowieso keine Freunde treffen, daher ergab sich das ganz gut.

Ganz am Anfang habe ich ausschliesslich mit meinem kleinen Laptop gearbeitet. Irgendwann, so nach ca. eineinhalb Monaten, habe ich dann gemerkt, dass mir meine Ellenbogen schmerzen. Ich muss mich irgendwie immer an derselben Stelle abgestützt haben. Danach habe ich alles umgestellt und optimiert, habe meinen Laptop mit dem grossen Bildschirm verbunden, den Bürostuhl etwas umfunktioniert damit ich mich nicht mit meinen Ellenbogen zu fest abstützen muss und so weitergearbeitet. Von da an ging es bedeutend einfacher und meine Haltung hat sich auch drastisch verbessert. Ich hätte schon viel früher nach einer Alternative suchen und umstellen sollen.

Gab es für dich grössere Herausforderungen in dieser Ausnahmesituation? Hat dir, ausser den (grösseren) technischen Geräten, etwas gefehlt?

Der einzig wirklich grossen Herausforderung musste ich mich mitten in der Prüfungsphase stellen. Ich musste ja noch zur Bachelorarbeit zusätzlich vier Prüfungen ablegen. Ich glaube zu dieser Zeit hatte ich erst eine Prüfung hinter mir und plötzlich ist unser Internet voll zusammengebrochen. Die Prüfung konnte ich zum Glück noch so knapp schreiben, danach ging gar nichts mehr. Da ich am nächsten Tag wieder eine Prüfung hatte, musste das Internet so schnell wie möglich wieder laufen. Zum Glück ist der Freund meiner Schwester Elektriker und konnte mir somit helfen. Er hat uns innert kürzester Zeit durch das ganze Haus Kabel gezogen, einen Multiadapter besorgt und alles wieder zum Laufen gebracht.

Abgesehen der technischen Hürde, hatte ich keine wirklich grossen Herausforderungen in dem Sinne. Ausser vielleicht Lärmemissionen. Natürlich nimmt man Geräusche anders wahr, wenn man plötzlich zu Hause ist, aber daran habe ich mich schnell gewöhnt. Wir haben beispielsweise gemeinschaftliche Gärtner in der Nachbarschaft, die immer am Dienstag vorbeikommen und sich um unsere Grünflächen kümmern. Wenn sie dann mit ihren Laubbläsern anfangen, kann es schon mal ziemlich laut werden und bei konzentrierter Arbeit auch sehr stören. Oder auch vorbeifahrende Autos. Aber das waren jetzt nicht wirklich enorme Belastungen.

Hast du das Gefühl, an dieser ganzen Sache hat es auch etwas Positives?

Ich glaube schon, dass ich durch den Lockdown gezwungenermassen mehr Zeit in die Bachelorarbeit und das Lernen investierte, was schlussendlich auch zu einem sehr guten Resultat führte. Durch die Einschränkung des sozialen Netzwerkes waren keine weiteren grossen Ablenkungen da, was mir in die Karten spielte. Dadurch, dass ich jetzt mehr als genug Zeit hatte, habe ich auch Dinge machen können, für die ich mir im Normalfall wahrscheinlich keine Zeit genommen hätte.

Ansonsten ist die steile Lernkurve im technischen Bereich sicher etwas Positives. Ich komme jetzt sehr gut klar mit allen gängigen Programmen zur digitalen Kommunikation, habe neue Tastenkombinationen und Funktionen am Computer gelernt, neue Arbeitsstrukturen, und so weiter.

Gab es denn Vorteile, dass du generell im Home-Office warst?

Ich würde schon behaupten, dass sich meine Kochkünste dadurch verbessert haben! Da ich jeden Mittag und Abend kochte, habe ich mir neue Rezepte angeeignet und viel ausprobiert. Auch Backen machte mir sehr Spass. Manchmal war es ein frisches Brot oder dann auch mal ein Kuchen.

Bezogen auf das Studium kann ich definitiv sagen, dass es die gewonnene Zeit war, die sich sehr positiv auf die ganze Situation ausgewirkt hat. Nichtsdestotrotz konnte ich mich dank der digitalen Kommunikationsplattformen dennoch mit einigen Freunden online auf einen Kaffee treffen. Also kann man den technischen Fortschritt auch als positiv werten. Aber ersetzen tut es das Persönliche meiner Meinung nach doch nicht.

Was sind für dich persönlich die wichtigsten Erkenntnisse aus der Corona Zeit, hinsichtlich des Studiums?

Ich denke den eigenen Tag sinnvoll zu strukturieren ist eines dieser Learnings, die ich sicher mitnehmen werde. Für die Bachelorarbeit habe ich mir täglich eine To-Do Liste auf einem Notizblatt erstellt, das ich in verschiedene Kategorien unterteilt habe. Ich habe mir solche Einteilungen nach Konzentrationslevel zum Beispiel oder nach Einfachheitsgrad der Aufgabe erstellt. So konnte ich meine Tage einfach besser und effizienter strukturieren. Was am Ende des Tages auch schön war, ich konnte alles erledigte physisch abhaken und sah, an was ich den ganzen Tag gearbeitet habe.
Für die Prüfungsvorbereitung sah es etwas anders aus. Ich hatte immer dienstags und donnerstags Unterricht. Diese Tage habe ich mir auch nur dafür eingeplant und für nichts anderes. Dabei habe ich online immer aktiv im Unterricht mitgemacht und mir entsprechend Notizen erstellt. Aufgrund dessen, hatte ich eigentlich schon sehr gute Zusammenfassungen während dem Unterricht geschrieben. Die Prüfungen waren Corona bedingt online und wir konnten auch alle Notizen benutzen, was umso besser für mich war. Dank meinen Notizen in Kombination mit den Slides, musste ich eigentlich weder viel zusammenfassen noch allzu lange auf die vier Prüfungen lernen.

Gibt es etwas, das du andere Studierenden mit auf dem Weg geben würdest, dass du während dieser Zeit gelernt hast?

Wir haben jeweils kurz vor den Prüfungen einen Team Call gemacht. Dabei habe ich zusammen mit zwei bis drei Mitstudierenden das Thema repetiert. Wir haben einander nicht klassisch abgefragt, aber einander das Thema nochmal in eigenen Worten erklärt und versucht, die Dinge nochmal aus einem anderen Standpunkt aus zu sehen. Das hätten wir sowieso in der Schule persönlich gemacht und damit dieser Gedanken- und Informationsaustausch nicht einfach wegfiel, haben wir diese Treffen virtuell nachgestellt und so allfällige Lücken aufgefüllt. Das ging extrem gut und würde ich deshalb auch definitiv weiterempfehlen.

Was nimmst du mit aus der Lockdown Zeit?

Also rückblickend würde ich nicht zwingend sagen, dass es eine schlechte Zeit war. Es war bestimmt eine sehr intensive Phase auch aufgrund der Endphase des Studiums. Man hatte auch bedeutend viel mehr Zeit für sich. Was ich sicher auch aus dieser Zeit gelernt habe, ist der bessere Umgang mit der Kamera, wie ich mit anderen online interagieren muss. Ich habe sehr stark das Gefühl, dass das auch später im Arbeitsleben relevant sein wird und man immer öfters solche Calls haben wird. Grundsätzlich denke ich, dass die Lockdown Phase und der intensive Umgang mit digitalen Medien dazu geführt hat, dass ich viel offener bin in Sachen Computer, online Kommunikation und vor der Kamera zu sprechen. Ich denke, das wird sich auch stärker in der Gesellschaft integrieren.

Basierend auf deinen Erfahrungen im vergangenen Semester, was wünschst du dir für das «neue Normal»?

Klar wünsche ich mir, dass es wieder wie vorher wird und wir die sozialen Kontakte aufrecht halten können. Der persönliche Kontakt und die Nähe sind schon durch das Handy ein Stück weit verloren gegangen. Ich bin ja selbst viel am Handy und gehöre somit nicht zu den Hardlinern in diesem Thema. Trotzdem ist jetzt durch Corona der persönliche Kontakt noch weiter entfernt. Umso wichtiger finde ich es, dass man den Kontakt weiter aufrechterhaltet, nahe zu einer Person sein kann, weiss wie sich dieser Mensch gibt und so auch etwas besser kennt. Die Kamera macht das schon auch, aber es ist nicht dasselbe. Das wünsche ich mir schon auch wieder zurück.

Im Bezug zum neuen Normalzustand, dass man sich nicht mehr die Hand gibt, finde ich absolut fair. Aber dass man hier nur noch Maske trägt und man auf Dauer nicht mehr sieht, ob diese Person lacht oder nicht, fände ich sehr schade. Es ist ja eine gute Sache. Ich möchte auch nicht, dass sich die Leute anstecken. Aber wenn nach der Pandemie ein Mund- und Nasenschutz zum alltäglichen Begleiter der Menschen wird, fände ich das sehr schade.

Was wünschst du dir seitens der ZHAW für die Zukunft? Gibt es etwas, das besser gemacht werden kann?

Im Grossen und Ganzen hat die ZHAW den Lockdown gut gemeistert. Auch die Dozierenden haben sich mit Feedback zu Wort gemeldet sowie der Rektor, Blogposts wurden erstellt, usw. Ich fand es wirklich gut. Nichtsdestotrotz wurden wir beispielsweise in der Prüfungsphase ziemlich spät darüber informiert, wie diese aussehen und was das Vorgehen sein wird. Einen Abend zuvor haben wir dann mal eine E-Mail erhalten, in der dann zumindest mal Stand, wo man die Prüfung auf dem Intranet der ZHAW findet. Bei einer der Prüfungen wussten wir nicht einmal, ob es eine Online-Test oder eine auf Word basierte Prüfung zum Downloaden sein würde. Eigentlich spielt es keine grosse Rolle, da man sich genau gleich gut auf beides vorbereiten muss. Schlimm ist das ja nicht wirklich. Trotzdem hätte ich es noch angenehm empfunden, bereits vorher zu wissen, was ich erwarten kann.
Zudem haben nicht alle Studenten die gleiche technische Ausrüstung. Für mich war es beispielsweise nicht möglich, mit einem Stift etwas zu visualisieren. Es haben sich diesbezüglich auch einige Studenten gewehrt, dass sie nicht dieselben Voraussetzungen haben, wie andere Studierende. Die Dozierenden waren aber einsichtig und haben uns kurz vor der Prüfung informiert, dass sie solche Aufgaben aus der Prüfung gelöscht haben.

Was denkst du, könnte die ZHAW zu diesem Thema tun?

Entweder sie machen es genauso wie dieses Mal und entscheiden sich gegen Aufgaben, die ein «freies Zeichnen» voraussetzen, bzw. machen es optional, oder sie müssen das Material zur Verfügung stellen. Aber wie gesagt, generell hat die ZHAW, den Umständen entsprechend, gut gehandelt!


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