Nicht nur attraktiv, sondern auch effektiv: Faktoren für wirksame Lernvideos

Ein Beitrag von Luka Peters

Lernvideos haben in den letzten 24 Monaten einen neuen Beliebtheits-Peak erreicht. Ob Screencast einer Präsentation, Bild-in-Bild-Aufnahmen, Tutorials, Handlungsanleitungen als szenisches Video oder im Studio aufgenommene Begrüssungs- und Vortragsvideos: das Medium „Video“ wird vielfältig eingesetzt.

Doch was macht ein Lernvideo lernwirksam? Welche Faktoren führen zu einem Lernvideo, dass nicht nur attraktiv und unterhaltsam ist, sondern auch die Lernzielerreichung effektiv unterstützt? Einige Studien geben nun Aufschluss darüber und leiten Tipps für die Erstellung guter Lernvideos ab.

Lernen mit Videos in der tertiären Bildung

Viele Videos in der tertiären Bildung sind Abbilder des klassischen Frontalunterrichts. Gegen diesen ist, wie der Mediendidaktiker und -psychologe Michael Kerres anmerkt, nicht grundsätzlich etwas zu sagen, er hat als didaktisches Konzept seine Daseinsberechtigung (Kerres 2021). Und seine Grenzen, die im Kontext des Inhalts und des Lernziels zu finden sind. Während aber der Vortrag im Klassenraum oder Hörsaal dank Aktivitäten, wie beispielsweise Fragen, Notizen oder Classroom-Response-Systemen, noch eine gewisse Aufmerksamkeitsspannung erhalten kann, ist das mit einer Vortragsaufzeichnung schwieriger, da sie meist asynchron und allein vor dem Bildschirm betrachtet und die Inhalte reflektiert werden.

Findeisen, Horn und Seifried stellen in ihrer Meta-Studie „Lernen durch Videos – Empirische Befunde zur Gestaltung von Erklärvideos“ fest: „Videoerklärungen weisen einige Unterschiede zu herkömmlichen Instruktionsformen auf. In erster Linie ist hier die fehlende Möglichkeit, direkt (Rück) Fragen zu stellen, zu nennen. Daher ist es von Bedeutung, Erklärvideos möglichst durch interaktive Elemente zu ergänzen, um den Lernenden die Möglichkeit zur aktiven Verarbeitung der im Video präsentierten Informationen zu eröffnen” (Findeisen et al, 2019, S. 20). Die in dieser Meta-Analyse ausgewerteten Studien zeigen einheitlich, dass Lernvideos nur mit interaktiven Elementen zu signifikanten Lerneffekten beitragen.

Merkt und Schwan heben in ihrer Studie „Lernen mit digitalen Videos: Der Einfluss einfacher interaktiver Kontrollmöglichkeiten” (2016) ebenfalls die Bedeutung interaktiver Elemente in Lernvideos hervor, insbesondere Sequenzierung, Geschwindigkeitssteuerung, Pausensteuerung (individuell oder vorgegeben) sowie die selbstbestimmte Inhaltsreihenfolge durch Inhaltsverzeichnisse bzw. Kapitel.

Lernvideos klug strukturieren

Findeisen et al nennen folgende interaktive Elemente zur Strukturierung des Videos, also auch des Lerninhalts, mit denen zudem eine individuelle Steuerung der Wiedergabe möglich ist:

Tabelle: Luka Peters

Mit interaktiven Elemente die Lernenden motivieren

Andere interaktive Elemente rufen gezielt Lernaktivitäten der Lernenden auf. Sie können in ein Video integriert sein, z.B. ein Quiz, oder eine Aktion ausserhalb des Videos verlangen:

Tabelle: Luka Peters

Hyperlinks führen laut einer Studie von Zahn, Barquero und Schwan (2004, zitiert in Findeisen et al 2019) zwar nicht zu signifikanten Unterschieden zwischen Vergleichsgruppen (Lernvideo mit und ohne Hyperlinks) hinsichtlich des Lerneffekts. Dennoch wurde eine positive Auswirkung auf die Lernleistung festgestellt.

Die Zauberformel: Schneller, aber kürzer 

Auch auf der Metaebene wirken verschiedene Eigenschaften eines Videos auf die Lerneffektivität ein. Die Sprechgeschwindigkeit und ein enthusiastischer Vortragsstil haben sich als engagierende und motivierende Aspekte von Vortragsvideos erwiesen (Findeisen et al 2019, S. 29).

Sehr oft ist auch zu lesen, dass Lernvideos nicht zu lang sein dürfen. Aber was ist die richtige Länge? Auch dazu gibt es empirisch erhobene Daten. Videos, die länger als sechs Minuten sind, werden signifikant häufiger abgebrochen (ebd.). Daher sollten längere Lerninhalte auf entsprechend kurze Videosequenzen aufgeteilt werden.

Mit Mythen “guter Videos” aufräumen

Es gibt drei Mythen, denen zufolge Lernvideos bestimmte Merkmale haben müssen, um effektiv genutzt zu werden. Mit diesen räumen die empirischen Befunde auf:

Mythos 1: Die Lehrperson zu sehen ist relevant für das Verständnis und die Motivation
Recht überraschend ist, dass die Sichtbarkeit der Lehrperson in Videos keinen signifikanten Einfluss auf den Lerneffekt zeigt. Im Gegenteil liess sich nachweisen, dass bei Videos mit Handlungsanleitungen die Kameraperspektive aus Sicht der demonstrierenden (Lehr-)Person (POV, Point of View) besser für das Verständnis ist als die Perspektive einer zuschauenden Person, und zudem die kognitive Belastung geringer ist.
Bei Vortragsvideos mit Bild-in-Bild-Einblendung der sprechenden Person zeigen Eye-Tracking-Studien zwar, dass die Lernenden immer wieder zum Gesicht der/des Sprechenden schauen. Ein effektiver positiver Einfluss auf Lernleistung oder Lernerfolg konnte im Vergleich zu Vorlesungsvideos ohne Bild-in-Bild-Einblendung nicht nachgewiesen werden (Findeisen et al 2019, S. 26f).

Mythos 2: Professionelle Studioaufnahmen bewirken mehr als informelle, einfache Aufnahmen
Tatsächlich sind professionelle Studioaufnahmen von Lernvideos einfachen Handyaufnahmen nicht überlegen hinsichtlich ihrer lernförderlichen Wirkung. Informelle Settings in Videos wirken sich im Gegenteil sogar positiv auf die Wahrnehmung aus (ebd., S. 29).

Mythos 3: Die visuelle Ästhetik beeinflusst positiv die Lernmotivation
Zwar hat die subjektiv wahrgenommene Ästhetik Einfluss auf das emotionale Empfinden und damit die intrinsische Motivation, und man kann davon ausgehen, dass das sowohl in positive wie auch negative Richtung wirken kann. Objektive Aspekte des visuellen Designs, also solche, die entsprechend Designlehren eingesetzt werden, beeinflussen jedoch weder Motivation, noch kognitive Belastung und auch nicht Zufriedenheit und Lernerfolg (ebd., S. 29).

Foto: Karolina Grabowska/Pexels

Wenn Lernende Videos produzieren…

Jenseits der Rezeption von „Erklärvideos” hat auch die (gemeinschaftliche) Produktion von Videos durch die Lernenden selbst einen positiven Einfluss auf den Wissenserwerb. „Werden Videos schliesslich gemeinsam in einer Gruppe erstellt, fördert dies zudem beispielsweise die Lernmotivation oder das Autonomieerleben der Lernenden”, zitieren Findeisen et al eine Studie von Slopinski (Findeisen et al 2019, S. 31). Hier verbirgt sich also ein noch kaum genutztes Potential des Mediums „Video“.

Die Produktion von Lernvideos durch Lernende kann viele Formen haben, von einfachen Legetechnik-Erklärvideos über Screencasts mit Problemlösungen bis zu animierten und mit Ton ergänzten Zeichnungen. Von Lernenden produzierte Videos eignen sich für die vertiefte Reflektion, als Transferaufgabe, als Modell „Lernen durch Lehren“ oder als abzugebende Aufgabe im Sinne eines Leistungsnachweises.

Selbst Lernvideos an der ZHAW produzieren?

Wer nun Lust bekommen hat, tiefer in die Materie einzusteigen und vielleicht auch selbst einmal ein Lernvideo zu produzieren, findet an der ZHAW in ganz unterschiedlicher Form vielfältige Unterstützung:

Zur Produktion von Videos gibt es verschiedene Ansätze an der ZHAW, von sehr niederschwelligen Smartphone- bis zu aufwändigen Studioaufnahmen. Detaillierte Erklärungen und Anleitungen findet ihr im Moodle-Kurs “Videos für Lehre und Weiterbildung”.

Interaktive Elemente können mit H5P in bestehende Videos integriert werden. Das Moodle der ZHAW unterstützt H5P und diese Videofunktionen. Von Departement N gibt es dazu eine Meeting-Aufzeichnung sowie von Departement S einen Moodle-Kurs.


Literatur

Findeisen, S., Horn, S., & Seifried, J. (2019). Lernen durch Videos – Empirische Befunde zur Gestaltung von Erklärvideos. MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, 16–36. https://doi.org/10.21240/mpaed/00/2019.10.01.X

Kerres, M. (2021). Didaktik: Lernangebote gestalten. Waxmann.

Kissmann, U. (2009). Video interaction analysis: Methods and methodology. Peter Lang.

Krüger, M., Steffen, R., & Vohle, F. (2012). Videos in der Lehre durch Annotationen reflektieren und aktiv diskutieren. In Gottfried Csanyi, Franz Reichl, Andreas Steiner (Hrsg.), Digitale Medien Werkzeuge für exzellente Forschung und Lehre (S. 198–210). Waxmann. https://www.pedocs.de/frontdoor.php?source_opus=8320

Merkt, M., & Schwan, S. (2016). Lernen mit digitalen Videos: Der Einfluss einfacher interaktiver Kontrollmöglichkeiten. Psychologische Rundschau, 67(2), 94–101. https://doi.org/10.1026/0033-3042/a000301

Titelbild: Ekaterina Bolovtsova / Pexels


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