Für die Entwicklung von Bildungsangeboten sind zwei grundsätzlich unterschiedliche Perspektiven leitend: Fachpersonen orientieren sich an ihrer Wissenschafts-, Forschungs- und Praxisgemeinschaft, während Mitarbeitende im Bildungsmanagement und im Third Space sich ihrerseits an ihrer Organisation orientieren: Fach- und Praxisbereiche kooperieren transorganisational, das Bildungsmanagement ist organisational ausgerichtet. Diese beiden Perspektiven der Communities dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die Hochschule als Expertenorganisation ist ein Geflecht aus den Netzwerken dieser Communities, und die geeigneten Anreizsysteme der Hochschule für Veränderungen und Innovationen in der Forschung und in der Bildung sind verschieden: Forschungsleistungen des Forschungspersonals sind wesentlich direkter an deren wissenschaftliche Karriere und die Reputation sowie Finanzierung der Hochschule gekoppelt. Lehrleistungen des Lehrpersonals werden mittels Pauschalen oder Lehrdeputaten vergütet, und die Hochschule profitiert indirekt, wenn die Qualität der Lehre die Attraktivität des Studiengangs fördert und daher die Studierendenzahlen sowie die Finanzierung stimmen. Bei Entwicklungen von Bildungsangeboten sollte der Ruf nach Kooperationen und Innovationen entlang der unterschiedlichen Aufgaben und Anreizsysteme differenziert werden.
Ein Beitrag von Dr. Alessandro Maranta, Leiter Fachgruppe Bildungsangebote im Ressort Bildung, Rektorat ZHAW
Vielfältige Kooperationen in der Bildung Dieser Blog ist Teil einer sechsteiligen Blogreihe zu vielfältigen Formen von Kooperationen in der Bildung. Ziel der Blogreihe ist es mit dieser Auslegeordnung ein differenziertes Bild zu den Erwartungen an Kooperationen und den erwartbaren Vorteilen zu gewinnen. Diese Grundlage soll die Spielräume für Kooperationen für Studierende, Dozierende und das Bildungsmanagement für innovative Hochschulbildung aufzeigen. – Erster Blog: Interdisziplinäre Kooperation und Innovation in der Hochschulbildung – Zweiter Blog: Allianzen im Bildungsraum – Dritter Blog: Organisationale Entwicklung und Alleinstellung in der Hochschulbildung – Vierter Blog: Communities verändern die Hochschulbildung – Fünfter Blog: Future Skills – Sechster Blog: Student experience: Verantwortung für die Zukunft wahrnehmen |
Organisationale Perspektiven in Forschung und Praxis sowie Bildungsmanagement
Von den Hochschulen wird Transformation erwartet: Die Organisationentwicklung soll beschleunigt werden und bei Bedarf auch alte Strukturen «disruptiv» völlig neu organisieren. Limitierend wahrgenommen werden Standards und Vorgaben, sei es der Software, der Aufbau- und Ablauforganisation oder in Reglementen etc. Allerdings dienen solche Vorgaben dazu, dass eine Hochschule als Organisation überhaupt funktionieren kann. Vorgaben und Rahmenbedingungen sind eine Voraussetzung dafür, dass Forschungs- und Lehrfreiheit wahrgenommen werden können. Gleichzeitig sind diese Rahmenbedingungen mit der Organisation entstanden und gewachsen: Interne Prozesse sind für die eine Organisation gültig, nicht aber für die andere. Dies widerspricht fundamental der Grundhaltung in der Wissenschaft: Das Ergebnis aus dem einen Labor sollte in jedem anderen gleich sein. Vereinfacht gesagt: Fachpersonen orientieren sich an ihrer Wissenschafts-, Forschungs- und Praxisgemeinschaft. Sie erwarten, dass die Hochschule solche Kooperationen unterstützt und erleichtert. «Das geht bei uns so nicht» ist aus der Perspektive der Fachpersonen ein schlechtes Argument. Das bedeutet, dass die Hochschule als Organisation aus dieser Perspektive selbst möglichst keine Vorgaben machen sollte, wer mit wem wie etc. kooperieren darf. Mitarbeitende im Bildungsmanagement und im Third Space orientieren sich ihrerseits an ihrer Organisation: Ihre Sorge gilt dem Funktionieren und Erhalt der Hochschule als Organisation. Sie erwarten, eine klare Aufbau- und Ablauforganisation ihrer Hochschule sowie geklärte Rollen und Funktionen in diesem Gefüge. Eine Hochschule als Expertenorganisation besteht somit aus einem Geflecht aus Kooperationen: In den communities wie auch innerhalb der Organisation wird kooperiert – nach unterschiedlichen Spielregeln.
Es ist verlockend, diese unterschiedlichen Formen der Organisation und Zusammenarbeit gegeneinander auszuspielen, um Dynamik und Transformation in die Organisation zu bringen. Es ist m. E. aber nur bedingt erfolgsversprechend: In einer Expertenorganisation ergänzen sich die Kooperationen der Fachpersonen nach aussen und die Zusammenarbeit der Mitarbeitenden innerhalb der Organisation – die unterschiedlichen Spielregeln können nicht wechselseitig ersetzt werden. Eine Hochschulorganisation nach den Spielregeln der Kooperation in den Fachgebieten zu gestalten, löst die Hochschule auf, während den Fachpersonen nicht alle Entwicklungsmöglichkeiten durch Vorgaben der Organisation verbaut werden dürfen. Mitarbeitende erleben dieses Spannungsverhältnis, wenn sie Aufgaben aus beiden Bereichen wahrnehmen: Sie können sich in ihren Rollen mit verschiedenen communities identifizieren und sich an unterschiedlichen Spielregeln orientieren. Je nach Funktion oder Rolle innerhalb der Hochschule gelten unterschiedliche Spielregeln, und die spezifischen Spielregeln aufzuheben, löst die Herausforderungen nicht. Denn die unterschiedlichen expliziten und impliziten Regeln sind Ausdruck der Hochschule als Netzwerk von Kooperationen und Organisationszusammenhängen. Vielmehr geht es darum, die Spielregeln gemeinsam neu zu justieren. Die internen Regeln der Organisation wurden meist in jahrelangen partizipativen Prozessen mit Mitarbeitenden und Beschlussinstanzen erarbeitet, gelten häufig als das Beste, was gemeinsam erreicht werden kann, und stellen die Organisation auf ein gemeinsam akzeptiertes Fundament. Kooperationen über Organisationsgrenzen führen zur Herausforderung, die Organisation und damit das mühsam ausgehandelte Optimum umzugestalten. Der State of the Art in einem Fachgebiet ist gleichermassen immer ein Zwischenergebnis – aber im Rahmen der relevanten communities.
Das Hochschulsystem ist in sich verschachtelt und so wird Kooperations- und Reorganisationsdruck regelmässig von einer Ebene auf die andere weitergegeben: Von oben nach unten z. B. mit den Empfehlungen und Trends, die die EU zu Recognition of Learning, Microcredentials oder dem Qualitätsmanagement in der Bildung setzt (siehe Micro-Credentials: Weiterbildung im Taschenformat). Von unten nach oben wird umgekehrt erwartet, dass neue Studiengänge von Hochschulleitungen oder Hochschulräten so rasch wie möglich bewilligt werden: Wer zuerst mit einem neuen Bildungsangebot in den Bildungsmarkt eintritt, hat einen anhaltenden Vorsprung gegenüber der Konkurrenz – so zumindest die Annahme. Im ersten Beispiel folgt die EU der Logik von Wettbewerb und Kooperation im Bildungsraum und adressiert das Bildungsmanagement. Im zweiten Beispiel sind Erwartungen aus dem Innovations- und Forschungswettbewerb leitend und die Governance in der Bildung soll sicherstellen, dass ein Vorsprung aus dem Forschungsraum nun auch im Bildungsraum zementiert wird.
Vergleich von Forschung und Entwicklung mit Bildung Mit der nachstehenden Tabelle vergleiche ich Grundzüge des Leistungsbereichs Forschung und Entwicklung mit der Bildung. Stark vereinfacht: Forschung zielt auf Neues, und Bildungsangebote geben etabliertes Wissen weiter. Die unterschiedlichen Grundorientierungen haben Folgen, wie Expertinnen und Experten sich in den Leistungsbereichen erfolgreich positionieren können, wie gute Leistungen sich für sie auszahlen und wie die Hochschule die Leistungsbereiche unterschiedlich organisieren. In der Forschung zahlen Leistungen auf die eigene Karrierechancen und auf die Reputation der Hochschule sowie deren Finanzierung ein. Die individuelle Selektion (z. B. über das Doktorat) und die Forschungsförderung mit Drittmitteln begünstigen organisationale Win-Win-Situationen. Das Anreizsystem ist dafür ausgelegt, dass Hochschule und Forschende gleichermassen profitieren: Neue Forschungsmöglichkeiten und neue Finanzierungsquellen werden erschlossen. Ein limitierender Faktor ist die notwendige Infrastruktur für die Forschung. Kooperationen erlauben, diese gemeinsam zu nutzen. Gerade grosse und kostspielige Forschungsprojekte werden erst dank Kooperationen und der gemeinsamen Nutzung von Infrastrukturen möglich. Kurz: Infrastrukturen und Kooperationen ermöglichen es, Neues zu erforschen. In der Bildung sieht es vereinfacht etwa so aus: Der Aufwand für die Lehre wird pauschal vergütet oder ist Bestandteil eines Lehrdeputats. Lehrerfahrung ist grundsätzlich eine Voraussetzung für eine Anstellung als Lehr- und Forschungspersonal. Mehr Aufwand und Leistung in der Lehre zahlen aber nicht annähernd ähnlich proportional in die Karrierechancen ein wie bei der Forschung. Die Qualität der Lehre wird allenfalls individuell mit einem Lehrpreis belohnt. Motivierend bleibt die Freude am Austausch mit den Studierenden. Die eigene Lehrtätigkeit findet im Rahmen eines Studiengangs der Hochschule statt. Für die Hochschule ist die Attraktivität des Studiengangs entscheidend: Der Studiengang muss genug Studierende anziehen, damit er sich rechnet. Die Hochschule organisiert Qualitätsmanagement und didaktischen Support der Dozierenden, um die Unterrichtsqualität sicherzustellen. In dieser Grundkonstellation können Dozierende, die als Forschende darauf aus sind Neues zu entwickeln, die Lehrtätigkeit als einengend erleben: Sie vermitteln relevante, aber gleichermassen auch etablierte Fachinhalte und Kompetenzen in vorgegebenen Modulen und Curricula. Eine Möglichkeit Neues einzubringen, besteht darin, innovative Anwendungen der Fachinhalte anhand von Innovationen zu zeigen, die meist aus interdisziplinärer und interprofessioneller Zusammenarbeit hervorgehen. Eine weitere Chance besteht darin, Innovationen in die didaktische Gestaltung der Bildung einzubringen, wofür an der ZHAW der Transformative Education Fund eingerichtet wurde (siehe Blog zur digitalen Transformation der Bildung an der ZHAW). |
Zwei Orientierungen: Fach und Hochschulorganisation
Die Kooperation und Zusammenarbeit in der Bildung richtet sich an zwei grundsätzlich unterschiedlichen Orientierungspunkten aus: Eigenheiten des Faches einerseits sowie didaktische Organisation und Bildungsmanagement andererseits. Die unterschiedlichen Orientierungspunkte sind keine Besonderheiten bei Kooperationen, sondern bestimmen die Weiterentwicklung von Bildungsangeboten ganz allgemein. Bei der Entwicklung und Optimierung von Studiengängen tauchen innerhalb des Faches wie auch hinsichtlich der Zuständigkeiten und Abläufe im Bildungsmanagement unterschiedliche Einschätzungen auf, die abgewogen und ausgehandelt werden.
Bei interdisziplinären, organisationsübergreifenden Kooperationen wird verstärkt akzentuiert, dass hier zwei Systemlogiken bestehen, wenn der fachliche interdisziplinäre Aushandlungsprozess zum Curriculum gleichzeitig gekoppelt wird an den organisationsübergreifenden Klärungsprozess, wie die neuen Angebote im Bildungsmanagement verwaltet und die Daten administriert werden. Aus Sicht der Fachpersonen geht es darum, Studierende in ihrem Fachgebiet optimal auszubilden. Sie orientieren sich daran, welche Grundlagen und Kompetenzen für das Fachgebiet und sich abzeichnende Trends erforderlich sind: Sie bewerten aus fachlicher Sicht, welches Wissen und welche Kompetenzen für die Ausbildung relevant sind, und Curricula limitieren den möglichen Lehrstoff wegen der verfügbaren Ausbildungszeit. Es muss priorisiert werden, und Curriculumsentwicklung ist daher immer auch ein Ringen um Lehrdeputate, Module und Sichtbarkeit des Faches. Die Kritik an interdisziplinären Bildungsangeboten, es fehle der fachliche Tiefgang, kann daher auch ein Abwehrreflex dagegen sein, Ausbildungszeit abzutreten. Unabhängig von einer solchen alltagspsychologischen Diagnose bleibt: Wie tief und mit welchem Detaillierungsgrad ein Fachbereich in einem Curriculum aufgenommen wird, kann nicht daran gemessen werden, ob die Absolventinnen und Absolventen das Fachgebiet fehlerfrei beherrschen. Dies aus drei Gründen: Erstens kooperieren, ergänzen und korrigieren sich Fachpersonen in der Praxis gegenseitig. Für die relevanten Aufgaben bringen Fachpersonen zweitens Blickwinkel aus unterschiedlichen Fachbereichen ein. Und drittens gilt in jedem Fachbereich: Wie genau ist genau genug? Am Ende geht es nicht darum, ob die Inhalte des Fachgebiets vollständig und korrekt vermittelt werden, sondern inwieweit diese Inhalte für die Ausbildung relevant sind. In solchen Aushandlungsprozessen werden Dozierende aus unterschiedlichen Fachbereichen zu gleichwertigen Mitarbeitenden einer Hochschule. Aus dieser Mitarbeitendensicht bringen Dozierende, Studiengangleitungen, Bildungsmanagement, Support und Administration ihre berechtigten Anliegen innerhalb der Hochschule ein, wenn es darum geht, Studiengänge oder Module inhaltlich, didaktisch oder organisational weiterzuentwickeln. Es geht aber nicht um das eigene Fach, sondern um die optimale Organisation der Ausbildung, und die Dozierenden und Fachpersonen bewegen sich im gleichen Argumentationsrahmen wie die Hochschulverwaltung und die Mitarbeitenden, die für das Bildungsmanagement und die Administration zuständig sind.
Curriculum-Werkstatt Die Curriculum-Werkstatt ist eine Methode für die Entwicklung von Studiengängen, bei der fünf Phasen unterschieden werden: In der ersten Phase, Verstehen, wird der Bedarf der anzupassenden Kompetenzen mit Blick auf Anforderungen und Erwartungen der Absolventinnen und Absolventen sowie der zukünftigen Tätigkeiten gesichtet. In der zweiten Phase werden die Kompetenzbereiche präzisiert. In der dritten Phase werden die identifizierten Kompetenzbereiche in Module überführt. In diesen ersten drei Phasen werden die inhaltlichen Grundzüge des Curriculums festgelegt. Dann folgt in einer vierten Phase die Abstimmung der Module über die Semester zusammen mit den Dozierenden. Die fünfte Phase beinhaltet die Umsetzung und Evaluation des neuen Curriculums. Dieses Vorgehen wird im Handbuch Qualität in Studium, Lehre und Forschung im Beitrag von Philipp Pohlenz (2023) «Die Nutzung der Curriculumwerkstatt im Rahmen der Curriculumentwicklung: Leitfaden und Fallbeispiel» erläutert. Es zeigt sich, dass bei dieser Methode vor allem Studiengangverantwortliche (in den ersten drei Phasen) und Dozierende (in den weiteren zwei Phasen) beteiligt werden. Im Beitrag «Entwicklung eines KI Studienganges» von Johannes Schleiss in «strategie digital» zum Themenschwerpunkt «Kooperative Curriculumentwicklung» folgt die Entwicklung dieses Studiengangs ebenfalls den Schritten der Curriculum-Werkstatt und wird mit der organisatorischen Ebene ergänzt, da es sich bei diesem Studiengang um eine hochschulübergreifende Kooperation handelte (siehe Schleiss, 2024, S. 37-39). |
Entwicklung von Bildungsangeboten: Systemlogiken und Konfliktvermeidungsstrategien
Der Ruf nach Kooperationen verändert den Kreis derer, die mitarbeiten und berücksichtigt werden sollen. Kooperation schafft nicht nur Synergien und optimiert Aufwände, sondern verändert die Perspektiven. Das bedeutet z. B. für die Fachpersonen: Wird der Kreis mit der Logik der Administration erweitert, verlieren ihre fachlichen Bewertungen und Einschätzungen der relevanten Inhalte in der Gesamtbetrachtung an Gewicht. Umgekehrt gilt für das Bildungsmanagement: Sollen alle eingebrachten Eigenheiten berücksichtigt werden, können Studiengänge mit all den Personen, Daten und Infrastrukturen sowie Finanzflüssen etc. nicht mehr effizient organisiert werden. Wenig überraschend löst ein undifferenzierter Ruf nach Kooperationen Abwehrreaktionen aus. Kooperationen können dazu missbraucht werden, Allianzen zu bilden, um die eigene Position zu stärken. Denn zunächst stellen Kooperationen bestehende Organisationen der Zusammenarbeit in Frage, wenn neue Perspektiven eingebracht werden.
Ein wiederkehrender Lösungsansatz, um Konflikte zu vermeiden, besteht deshalb darin, befürchtete Konflikte aus der Organisation auszulagern: Massnahmen werden freiwillig und ausserhalb der Kernorganisation umgesetzt. Die Art und Weise, wie Open Educational Resources (OER) organisational verankert werden, sind ein Beispiel für die Unterstützung von Kooperationen über Plattformen und die gleichzeitige Auslagerung an Dritte. Mit OER wird das Gemeingut der Lehr- und Lerninhalte aus Wissenschaft und Forschung auch im Bildungsraum kooperativ und neu auch didaktisch bewirtschaftet. Die Nutzung ist in der Regel freiwillig – die Kooperation wird ausgelagert, ist nicht verpflichtend, nimmt Druck weg und reduziert das Konfliktpotential. Die Hochschulbibliotheken nehmen die Aufgabe wahr, Wissen bereitzustellen und Kooperationen zu unterstützen (z. B. OER an der ZHAW). Dieser Lösungsansatz ist zielführend, wenn es ausreicht, freiwillige Kooperation durch den Ausbau von Dienstleistungen Dritter zu ermöglichen – und wenn die entstehenden Zusatzaufwände finanzierbar sind. Dann müssen sich Bildungsmanagement und Dozierende nicht auf verbindliche Regeln einigen, wie Lehr- und Lernmedien erarbeitet und publiziert sowie finanziert werden. Die Hoffnung ist, dass sich dank der Motivation zunächst Einzelner mit der Zeit eine neue und breit etablierte Praxis einstellen wird.
Ein anderer Lösungsansatz für die Optimierung von Kooperationen nutzt die bereits bestehende Aufgabenteilung unter den verschiedenen Kooperationsformen. Das Fundament von Hochschulbildung sind vielfältigste Kooperationen: Fachliche, organisatorische, wirtschaftliche oder politische. Diese unterschiedlichen Kooperationsgeflechte können ihre Zusammenarbeit je für sich optimieren: Forschungsverbünde oder Berufsverbände, Hochschulen und ihre Organisationen, Wirtschaftsverbände sowie Hochschulpolitik und Behörden bilden eigene Zusammenschlüsse und kooperierende Organisationen (z. B. Forschungsprojekte in Horizon, educa, swissuniversities, Schweizerische Hochschulkonferenz). Organisatorische Massnahmen werden in diesen Netzwerken ausgehandelt: Priorisiert wird, was für alle dringend und wichtig sowie im angemessenen Zeitrahmen lösbar ist. Das geschieht nicht konfliktfrei, aber es bestehen implizite oder explizite Regeln, wie Aushandlungsprozesse ablaufen und Konflikte gelöst werden. Auf einer konkreten Ebene zeigt sich eine solche Kooperation bei Softwareapplikationen für die Administration von Studiengängen. Die Fachhochschulen der Schweiz nutzen grossmehrheitlich die gleiche Applikation (d. h. Evento) und kooperieren bei deren Weiterentwicklung mit weit vorausschauenden Planungshorizonten. Dringende und wichtige Entwicklungen werden langfristig beurteilt, was unmittelbaren Handlungsdruck wegnimmt. Was wiederum bedeutet, dass es gelingen muss, kurzfristige Trends zu integrieren, ohne die Grundarchitektur der Software umzustossen – beispielsweise, wenn neu Micro-Credentials administriert und ausgestellt werden sollen.
Beide Lösungsansätze zielen auf die interne Organisation der Hochschulbildung: Der erste Lösungsansatz ist dann angezeigt, wenn Kooperation möglich gemacht, aber nicht verpflichtend sein soll. Der zweite Lösungsansatz passt dort, wo die Aufgabenteilung aufrecht erhalten bleiben kann und die spezifische Aufgabe optimiert wird. In jedem Fall beruhen beide Lösungsansätze darauf, dass organisatorisch – nicht inhaltlich – geklärt wird, wie die Kooperation in der Hochschulbildung umgestaltet werden soll. Beide Lösungsansätze betreffen das Bildungsmanagement und positionieren sich gegenüber den Fachpersonen konfliktvermeidend entweder dadurch, dass ein freiwillig nutzbares Zusatzangebot geschaffen wird, oder indem der Planungshorizont so weit hinaus erweitert wird, dass sich Fachpersonen oder auch das Bildungsmanagement im Tagesgeschäft noch nicht betroffen fühlen.
Beide Lösungsansätze stossen an ihre Grenzen, wenn Kooperationen erwartet werden, damit die Inhalte der Bildungsangebote interdisziplinär gestaltet oder Curricula grundlegend reformiert werden. Dann sind auch Fachpersonen und deren Fachgebiete involviert, und es besteht Klärungsbedarf, inwieweit Inhalte und Strukturen ausreichend aufeinander abgestimmt sind. Sollen solche interdisziplinären Angebote breit verpflichtend eingeführt werden, dann lassen sich Konflikte nicht mehr vermeiden, indem auf Freiwilligkeit (erster Lösungsansatz) oder klar bestehende Aufgabenteilung und langfriste Planungshorizonte (zweiter Lösungsansatz) gesetzt wird. Immerhin zeigt sich, dass auch bei interdisziplinären Bildungsangeboten, bei denen Fachbereiche und Organisationseinheiten kooperieren sollen, die grundlegende Unterscheidung der Systemlogiken, Fachpersonen und Bildungsmanagement, die anstehenden Klärungen und Weiterentwicklungen leichter analysieren und erreichen lassen.
Idealtypische Zusammenarbeit von Fach-Communities und Bildungsmanagement Voraussetzungen für attraktive Ausbildungen sind eine klare Aufgabenteilung und eine funktionierende Zusammenarbeit von Fach-Communities und Bildungsmanagement. Idealtypisch verlangt eine klare Aufgabenteilung, dass jeder Studiengang (SG) Teil einer harmonisierten Hochschulorganisation ist. Die Hochschule ist in der nachstehenden Darstellung durchgängig transparent und gleichmässig blau eingefärbt. Die Fachbereiche sind ihrerseits mit unterschiedlichen Farben, grün, gelb und orange, eingefärbt und gehen über den Rahmen der Hochschule hinaus. Die gleichen Farben der Fachbereiche umranden die drei SG 1 bis 3. Entscheidend ist zum einen, dass die Fachbereiche der drei SG nicht ausschliesslich aus einem Fachbereich bestehen: Die Zusammensetzung der Curricula folgt nicht einer einzigen disziplinären Fachlogik. Zum anderen ist die Hochschulorganisation für die verschiedenen SG gleich: Sie bleibt gleichmässig transparent blau und wird im jeweiligen Kreis der SG mit den Fachfarben ergänzt. Das heisst: Die gleichen Möglichkeiten für Curriculums-Strukturen, Abläufe für Studienadministration oder Entscheidungsstrukturen im Bildungsmanagement werden für die verschiedenen Studiengänge verwendet. Im Falle von Hochschulkooperationen bilden die kooperierenden Hochschulen idealtypisch wieder einen organisierten Raum (blau), für den harmonisierte Rahmenbedingungen gelten. Es liegt in der Verantwortung und Kompetenz des Bildungsmanagements und der Organisationsverantwortlichen, die erforderlichen Harmonisierung vorzunehmen. Dies ist nicht Aufgabe der Fachpersonen und Dozierenden aus den Fachbereichen, selbst wenn Kooperationen der Hochschule bereits aus der Zusammenarbeit in der Forschung bestehen. |
Titelbild erstellt mit Copilot von Alessandro Maranta