Beitrag von Daniela Lozza
Quelle: Colourbox Education
Das Konzept des Flipped Classroom, bei dem Studierende sich ihr Fachwissen als Vorbereitung auf den Unterricht im Selbststudium erarbeiten und die Präsenzzeit für Problemlösungen nutzen, wird am Departement Life Sciences und Facility Management bereits in einigen Kursen angewendet.
Vorbereitung als Bedingung: ein Problem?
Einer der Hauptvorteile dieser Unterrichtsform liegt darin, dass die Präsenzzeit für aktives, problembasiertes Lernen statt für die Vermittlung von Grundlagen genutzt werden kann. Die Studierenden können vor Ort an realitätsnahen, komplexen Problemen arbeiten, Fragen stellen und Diskussionen führen, die zur Reflexion anregen und das kritische Denken fördern.
Wir hören allerdings immer wieder von Lehrpersonen, dass Studierende ebendiese Grundlagen im Selbststudium nicht erarbeiten und sie sich als Folge nicht aktiv am Präsenzunterricht beteiligen. Die Gründe sind meist so vielfältig wie die Studierenden selbst, nicht selten beruht das Problem jedoch auf Missverständnissen bei der Rollenverteilung und strukturellen Problemen, die wir hier etwas genauer anschauen möchten.
Wer hat die Verantwortung fürs Lernen?
Lernen ist ein anstrengender Prozess und die Lehrpersonen sind oft bemüht, diese Anstrengung klein zu halten, indem sie den Studierenden möglichst viele Hindernisse aus dem Weg räumen um ihnen eine steile Lernkurve zu ermöglichen. Dies endet nicht selten in einer ausgeprägten Erwartungshaltung seitens der Studierenden, so dass die Verantwortung für den Lernprozess zwischen der Lehrperson und den Studierenden hin- und hergeschoben wird. Dies kann in einem Flipped Classroom, bei dem das selbstgesteuerte Lernen im Zentrum steht, zu einem Hindernis werden.
Strukturelle Massnahmen für mehr Partizipation
Mit dem Flipped Classrom stellen Lehrpersonen ihren Unterricht auf ein konstruktivistisches Prinzip um, bei dem die Studierenden ihr Wissen selber aktiv konstruieren. Hierfür müssen einige wichtige Rahmenbedingungen erfüllt sein, wie etwa komplexe Fragestellungen, selbsterklärende Lernressourcen, der Verzicht auf direkte Instruktion und eine Orientierung am Prozess, nicht am Ergebnis.
Folgende Massnahmen können zusätzlich dazu beitragen, die Partizipation zu erhöhen:
- Prüfen Sie, ob für das Selbststudium im Rahmen ihres Kurses genügend Zeit zur Verfügung steht und passen sie das Verhältnis von Selbststudium und Präsenzzeit gegebenenfalls an.
- Erklären Sie zu Beginn, wie Ihr Unterricht aufgebaut ist und wie die Rollen verteilt sind. Was können die Studierenden von Ihnen erwarten, wo müssen sie selber aktiv werden und Verantwortung übernehmen?
- Definieren Sie, welche Aufgaben die Studierenden jeweils im nächsten Präsenzunterricht erwartet und wie sie sich, z. B. mit Literatur oder Videos, darauf vorbereiten können.
- Stimmen Sie die Lernaktivitäten im Präsenzunterricht gezielt auf die Inhalte des Selbststudiums und den Leistungsnachweis ab, so dass die Studierenden z. B. für Lernaktivitäten im Unterricht die Literatur aus dem Selbststudium benötigen und der Leistungsnachweis wiederum auf Erfahrungen aus den Lernaktivitäten aufbaut. Als Leistungsnachweis dient z. B. die Lösung eines ähnlichen Problems oder das Verfassen eines Essays, in dem Erfahrungen reflektiert werden.
- Bauen Sie nach Möglichkeit soziale Komponenten mit ein: Lassen Sie die Studierenden z. B. in Gruppen an einer Lösung arbeiten oder nutzen Sie Peer-Feedbacks als Lernaktivität.
- Achten Sie bei Gruppenarbeiten darauf, dass das individuelle Engagement im Lernprozess zählt, indem nicht das Endprodukt, sondern z. B. das individuelle reflektierende Essay oder ein Auszug aus dem Lerntagebuch bewertet wird.
- Prüfen Sie in der Modulbeschreibung, ob diese den zu erwerbenden Kompetenzen gerecht wird und die geplanten Leistungsnachweise einen aktiven Lernprozess abbilden; und formulieren Sie sie gegebenenfalls für die Zukunft um.
Technische Massnahmen für mehr Partizipation
Des Weiteren können Sie in Moodle Massnahmen treffen, um die Partizipation zu erhöhen:
- Erstellen Sie in Moodle für jede Vorbereitungsphase im Selbststudium einen Test, den Studierende z. B. zu mind. 80% korrekt gelöst haben müssen, bevor sie den Unterricht besuchen.
- Aktivieren Sie in Moodle die Abschlussverfolgung und vergeben Sie für erfolgreich absolvierte Lernaktivitäten wie Tests, Forumsbeiträge usw. eine Partizipationsnote, die Teil des Leistungsnachweises ist.
- Oder lassen Sie die Studierenden am Anfang jeder Lektion den Test nochmals durchführen und machen Sie aus diesem Test eine Teilnote des Leistungsnachweises. Üben im Selbststudium sollte dabei erlaubt sein.
Wenn Lernaktivitäten während des Semesters in den Leistungsnachweis mit einfliessen, muss dies in der Regel in der Modulbeschreibung erwähnt sein und entsprechend frühzeitig angepasst werden.
Technische Massnahmen bringen immer auch die Frage nach den Konsequenzen mit sich, wenn Studierende die definierten Anforderungen nicht erfüllen. Damit schliesst sich der Kreis der Frage nach der Verantwortung wieder: Lehrpersonen können das Selbststudium, die Lernaktivitäten und den Leistungsnachweis aufeinander abstimmen und mit Teilnoten zusätzliche Anreize schaffen; letztendlich aber liegt die Verantwortung für die Partizipation bei den Studierenden.
Beitrag von Daniela Lozza
Hier geht’s zu einem anschaulichen Artikel über den Flipped Classroom von Mark Cieliebak, Dozent an der School of Engineering
In der Kürze liegt die Würze – toller Beitrag mit sehr nützlichen und praxisorientierten Tipps.