Future Skills: Zukunft in der gegenwärtigen Bildung

Studierende sollen Ausbildungen erhalten, die für ihre Zukunft relevant sind. Vier Modelle stehen typischerweise zur Auswahl, um Hochschulbildung zukunftsorientiert zu gestalten: Individualisierte Curricula und kooperierende Curricula verfolgen die Stossrichtung offener Curricula, bei denen den Studierenden überlassen bleibt, die für sie relevanten Skills zu wählen. Diese beiden Modelle werden durch ein Modell ergänzt, das Ausbildungen lebenslang begleitet und diese Wahlmöglichkeiten zeitlich staffelt. Ein viertes Modell ist darauf aus, in den Curricula nicht nur gegenwärtig relevante Fachkompetenzen zu vermitteln, sondern Kompetenzen auszubilden, von denen in Zukunft erwartet wird, dass sie relevant sein werden. Zu klären ist dann, welche Future Skills in das Curriculum gehören, wenn diese Relevanz zunächst in Forschung, Wirtschaft und Praxis oder Politik geklärt werden sollte und es noch gar keine wissenschaftlich ausreichend ausgereiften Inhalte gibt, die vermittelt werden könnten. Hier wird die Perspektive richtigerweise verschoben: Ein Hochschulstudium sollte nicht nur die konsolidierten Inhalte und Methoden sowie anstehenden Forschungsfragen zum Thema haben, sondern den Studierenden zeigen, dass Wissenschaft und Forschung zusammen mit Politik und Gesellschaft auch darum ringen, welche Herausforderungen relevant sind und gelöst werden sollen, wie diese Probleme angegangen werden sollen und wer über die richtigen Massnahmen und Lösungsangebote entscheiden soll.

Ein Beitrag von Dr. Alessandro Maranta, Leiter Fachgruppe Bildungsangebote im Ressort Bildung, Rektorat ZHAW

Vielfältige Kooperationen in der Bildung
Dieser Blog ist Teil einer sechsteiligen Blogreihe zu vielfältigen Formen von Kooperationen in der Bildung. Ziel der Blogreihe ist es mit dieser Auslegeordnung ein differenziertes Bild zu den Erwartungen an Kooperationen und den erwartbaren Vorteilen zu gewinnen. Diese Grundlage soll die Spielräume für Kooperationen für Studierende, Dozierende und das Bildungsmanagement für innovative Hochschulbildung aufzeigen.


Erster Blog: Interdisziplinäre Kooperation und Innovation in der Hochschulbildung
Zweiter Blog: Allianzen im Bildungsraum
Dritter Blog: Organisationale Entwicklung und Alleinstellung in der Hochschulbildung
Vierter Blog: Communities verändern die Hochschulbildung
Fünfter Blog: Future Skills
– Sechster Blog: Student experience: Verantwortung für die Zukunft wahrnehmen

Lernende Organisation und Verantwortung für eine offene Zukunft

Hochschulen sind nicht nur lehrende Organisationen, sondern bleiben als Expertenorganisationen immer auch lernende Organisationen. Fachpersonen partizipieren an Bildung, Wissenschaft und Forschung als einem Gemeingut. Die Fachpersonen und die Hochschulen konkurrenzieren dabei um Reputation und Forschungsgelder, aber auch um Studierende und die damit zusammenhängende Finanzierung. Dieser Wettbewerb befördert, das wechselseitig voneinander gelernt wird: Ideen zu Inhalten und Gestaltung von Bildungsangeboten werden übernommen und weiterentwickelt. Da Curriculum-Inhalte nicht geschützt werden können, wird Alleinstellung in der Art und Weise gesucht, wie die Bildungsangebote optimal gestaltet und vom Bildungsmanagement bereitgestellt werden. Dazu kommt als dritter Faktor, dass Hochschulbildung zukunftsorientiert sein soll, damit Studierende Ausbildungen erhalten, die für sie relevant sind. Diese banale Feststellung bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich: Wie wissen wir, was zukünftig wichtig sein wird? Wie schnell müssen wir auf Neues reagieren können? Wie erkennen mögliche Studierende, dass unsere Ausbildungen zukunftsweisend und attraktiv sind, und treffen die richtige Studienwahl?  Da es in dieser Blogreihe um Kooperation geht, möchte ich mich auf die Herausforderung konzentrieren, wenn für zukunftsorientierte Ausbildungen sowohl Curriculum als auch die Organisation von Bildungsangeboten weiterentwickelt werden sollen.

Vier Modelle zur Organisation von Studiengängen berücksichtigen Zukunftsorientierungen und individuelle Bildungsbiografien

Diese Herausforderungen nehmen unterschiedliche Formen an.  Vier Szenarien, die Ulf-Daniel Ehlers in «Future Skills: Lernen der Zukunft – Hochschule der Zukunft» ausgearbeitet hat (siehe Ehlers, 2020, S. 274ff.), fächern die Herausforderungen auf. Die vier Szenarien haben in unterschiedlicher Weise damit zu tun, wie Kooperationen mit und an Hochschulen gestaltet werden. Ehlers unterscheidet (siehe kompakte Übersicht in Ehlers, 2020, Abb. 55): 1. Hochschulen, die darauf abzielen, ihren Studierenden Problemlösungskompetenzen mitzugeben und sich daher von festen fachlich vorgegeben Curricula lösen («Future Skills Universität»), 2. Hochschulen, die ihr Bildungsangebot breiter aufstellen, indem sie sich mit anderen Hochschulen vernetzen («Multi-institutionelle Netzwerk Uni»), 3. Hochschulen, die Studierenden als autonome Akteure verstehen, mit ihnen kooperieren und Wahlmöglichkeiten offen lassen («Personalisierte My Curriculum Uni»), und 4. Hochschulen, die Bildungsangebote auf Hochschulniveau passend für lebenslanges Lernen in verschiedenen Berufs- und Lebensphasen anbieten («Lifelong Learning University»). Anhand des ersten Typs Hochschule und von Bildungsangeboten, die den Studierenden Future Skills mitgeben wollen, lassen sich die spezifischen Herausforderungen für die Kooperation exemplarisch aufzeigen, wenn sowohl das Curriculum als auch die Organisation von Bildungsangeboten verschränkt gestaltet werden sollen.

Vier Gestaltungstypen für zukunftsorientierte Ausbildungen – und ihre Grenzen

In Anlehnung an Ehlers, 2020 können vier Gestaltungstypen unterschieden werden, die regelmässig dafür verwendet werden, Bildungsangebote für die Zukunft fit zu machen. Diese lassen sich in einer Matrix einordnen, in der einerseits unterschieden wird, ob und wie die Zukunft in die Gestaltung des Bildungsangebots hineingeholt wird und wie andererseits das konkrete Curriculum inhaltlich gestaltet wird. Die Matrix unterscheidet vier Möglichkeiten, wie relevante Themen für die Ausbildung gewählt und bereitgestellt werden können.

Eine Ausbildung vermittelt einen Ausschnitt des State of the Art im Fachgebiet und den weiteren angrenzenden Bereichen. Sollen die Studierenden die für sie relevanten Bereiche im Studium selbst wählen, wird das Studium mehr oder weniger stark individualisiert (individualisiertes Curriculum). Damit ein breites Angebot bereitgestellt werden kann, kooperieren Studiengänge oder auch Hochschulen (kooperierendes Curriculum).

Individualisierte Curricula und mit Partnern kooperierend ausgebaute Curricula werden gerne im Sinne von Open Curricula miteinander verbunden. Diese Gestaltungstypen stossen an Grenzen, wenn keine Kernkompetenzen mehr erkennbar sind. Alternativ werden Ausbildungen im lebenslangen Lernen gestaffelt angeboten, und Bildungsangebote werden als Abfolge konzipiert. Dies entspricht einem dritten Typus: lebenslang begleitete Ausbildung (siehe auch den Blogbeitrag zu Lifelong-Learning).

Future Skills sowie vergleichbare transversale oder überfachliche Kompetenzen schliesslich, zielen darauf ab, Kompetenzen für zukünftige Themen bereits in den gegenwärtigen Ausbildungen zu vermitteln. Der Fokus wird auf grundlegende transversale sowie inter- und transdisziplinäre Kompetenzen in Kombination mit den fachlichen Grundlagen verlagert. Fachliches Spezialwissen soll in den Hintergrund rücken, da es wegen der hohen Halbwertszeit rascher veralte, Recherchen und Aufbereitung von Wissensbeständen zukünftig von künstlicher Intelligenz (KI) übernommen werde sowie isoliertes Fachwissen grundsätzlich keine ausreichende Grundlage für robuste Problemlösungen biete.

Curriculare und didaktische Unsicherheiten in der VUCA-Welt

In der Rede von Zukunftsthemen und Future Skills taucht regelmässig der Hinweis auf, dass wir in einer Welt leben, die von schnellem und unvorhersehbarem Wandel geprägt ist. Wir leben in einer VUCA-Welt heisst es, wobei das Akronym «VUCA» für volatility, uncertainty, complexity und ambiguity steht. Wie neu dieses Phänomen tatsächlich ist, sei dahingestellt. In einem Studium soll gelernt werden, mit Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität sowie Mehrdeutigkeit umzugehen. Falls von einem Studium erwartet werden sollte, dass eindeutige Antworten und Methoden zu klar umrissenen Problemstellungen gelehrt und gelernt werden, dann dreht sich diese Erwartung bei Future Skills um: Vielfältige Problemwahrnehmungen und vielschichtige Lösungswege werden zum Thema.

Selbstverständlich sind alle Fachgebiete und Studieninhalte offen für neue Fragestellungen, Forschungsthemen oder innovative Lösungsansätze. Es gibt jedoch einen exemplarischen Aspekt, wo die Integration von VUCA in die Bildungsangebote zu Herausforderungen führt: Bei der Bewertung von Studienleistungen. Das hatte auch der CoPilot in einem Chat nahegelegt, als ich ihn gefragt hatte: «Kannst du mir Argumente dafür oder dagegen auflisten, warum ein Hochschulstudium interdisziplinär gestaltet werden sollte?» (Chat mit CoPilot am Nachmittag des 30. September 2024, siehe erster Blog dieser Reihe: Interdisziplinäre Kooperation und Innovation in der Hochschulbildung). Denn Argumente dagegen waren u. a., dass der fachliche Tiefgang fehle oder dass unterschiedliche Lehr- und Bewertungsmethoden zu Herausforderungen bei Lehr- und Lernszenarien führen werden.

Forschung ist kooperatives problembasiertes Lernen über lange Zeiträume mit konsolidierten und validierten Ergebnissen

Wichtige Ursachen für solche didaktische Herausforderungen liegen meines Erachtens in der Art und Weise, wie Wissenschaft betrieben wird: Forschung und Wissenschaft sind im Grunde Problem Based Learning über lange Zeiträume. Die Schritte der Siebensprungmethode sind auch für die Forschung und jedes Projekt leitend (siehe zu den Schritten Problembasiertes Lernen – Wikipedia). Für die Forschung kommen weitere Schritte hinzu: Neues Wissen und innovative Analysen zu erforschten Phänomenen werden publiziert und unter Peers konsolidiert, indem Daten und Informationen in Modellen und Theorien gesammelt, strukturiert und ausgetauscht werden. Methoden werden validiert, die erlauben, gestützt auf die neuen Modelle verwandte Probleme zu lösen. Sowohl bei Problem Based Learning als auch in der Praxis von Wissenschaft und Forschung geht es darum, komplexe Probleme zu verstehen, zu strukturieren und letztlich gestaltbar zu machen. Auch hier bestehen Analogien mit didaktischen Taxonomiestufen: erinnern, verstehen, anwenden, analysieren, bewerten und erschaffen gemäss Bloom (siehe Blooms Taxonomie – Wikipedia) oder Wissen und Verstehen, Anwendung von Wissen und Verstehen, Urteilen, Kommunikative Fertigkeiten, Selbstlernfähigkeit gemäss Dublin Deskriptoren (siehe Deskriptoren – swissuniversities). Die Forschung erweitert diese Schritte um Validierung und Konsolidierung der Ergebnisse unter den Peers. Die Selbstlernfähigkeit ist in Forschung und Wissenschaft in einem Kollektiv sozial organisiert. Wichtige Unterschiede zwischen Forschung und Lehr-/Lernszenarien bestehen insbesondere zwischen dem Grad der Expertise (Fachpersonen vs. Studierende), der Gruppengrösse (Forschungsverbünde vs. Klasse) oder den Zeiträumen (mehrere Jahre vs. Semester). Widerstände gegen interdisziplinäre Bildungsinhalte, weil die Bewertung von Studienleistungen keine klare Grundlage habe, können daher durch die disziplinäre Sozialisation von Fachpersonen, aber vor allem mit dem Kern von Wissenschaft und Forschung erklärt werden: Disziplinen und Fachgebiete wandeln sich stetig – aber langsam, wenn Forschungsfragen an Grenzen stossen und beginnen, intra,- inter- oder transdisziplinär zu mäandrieren. Für neue Themen braucht es Zeit, bis ein State of the Art etabliert ist: Hypothesen und Aussagen müssen methodisch nachvollziehbar bewertet werden – aus Annahmen und Vermutungen soll verlässliches Wissen werden. Blosser Meinungsaustausch genügt nicht. Im Vergleich dazu sind Zeiträume und Rahmenbedingungen für Lehr-/Lernszenarien in einzelnen Modulen für ein sowohl forschungsoffenes wie wissenschaftlich fundiertes Vorgehen zu kurz.

Forschung und forschendes Lernen

Die Verbindung von Forschung und Lehre ist ein Leitmotiv der Hochschulen, deren Wurzeln ins 19. Jahrhundert zurückreichen, als Wilhelm von Humboldt die Einheit von Forschung und Lehre in den Mittelpunkt der Hochschulorganisation stellte (siehe Humboldtsches Bildungsideal – Wikipedia). Auch die Gestaltung von Lehr- und Lernszenarien als forschendes Lernen wurde bereits vor gut einem halben Jahrhundert lanciert und weiterentwickelt. Peter Tremp und Gabi Reinmann widmeten 2020 ein Sonderheft von Impact Free dem forschenden Lernen und schreiben im einleitenden Beitrag «Forschendes Lernen als Hochschulreform? Zum 50-Jahr-Jubiläum der Programmschrift der Bundesassistentenkonferenz» (S. 2): «Forschendes Lernen wird […] durch einige Merkmale charakterisiert, die eine «strukturelle Gleichheit» des studentischen Tuns mit der Tätigkeit von Forscherinnen und Forschern betonen: die selbständige Wahl des Themas; eine selbständige Strategie; ein unbegrenztes Risiko an Irrtümern und Umwegen (und damit auch die Chance für Zufallsfunde und fruchtbare Momente); die Notwendigkeit, dem Anspruch der Wissenschaft zu genügen; die Prüfung des Ergebnisses hinsichtlich seiner Abhängigkeit von Hypothesen und Methoden; die Aufgabe, das erreichte Resultat klar darzustellen […]. Insgesamt soll damit Wissenschaft als offener, reflexiver Prozess erfahrbar und erlebbar werden.» Zwei Kritikpunkte und Herausforderungen haben die didaktische Weiterentwicklung des Forschenden Lernens begleitet (S. 3): «Das Forschende Lernen bleibe […] zu stark innerdisziplinär und in einem individualistischen Bildungsbegriff verhaftet und sei dadurch konservativ, weil die außerhochschulische gesellschaftliche Praxis in ihrem Gestaltungsbedarf und ihrer Gestaltungsmöglichkeit kaum in den Blick komme. Entsprechend wurde dem Forschenden Lernen das Projektstudium gegenübergestellt, das die gesellschaftliche und berufspraktische Relevanz der Wissenschaft konzeptionell berücksichtigt und in den Vordergrund rückt.» Von Anfang an wurde auch die Herausforderung erkannt, wie solch offen gestaltete Lehr- und Lernszenarien mit geeigneten Prüfungen oder Leistungsnachweisen verbunden werden können, und als Lösung wurde die Abschaffung von Prüfungen vorgeschlagen (S. 3f.). Trotz dieser Herausforderungen unterstreichen Tremp und Reinmann die Chance des forschenden Lernens, dass «hier die Besonderheit der Bildungseinrichtung Hochschule – eben die Verknüpfung von Forschung und Lehre – auch im didaktischen Zugang Berücksichtigung findet. Hochschuldidaktik in diesem Verständnis ist damit nicht Übertragung allgemeiner didaktischer Prinzipien auf die Hochschulstufe, sondern geht von einem Verständnis akademischer Bildung und wissenschaftlicher Prozesse aus und betont dabei die Notwendigkeit studentischer Eigenständigkeit.» (S. 4)

Beschleunigung und die Forderung nach Transformationen

Zeithorizonte, auf die Forschung und Bildung ausgerichtet werden, sind wichtig geworden. Denn viel Zeit bleibt angesichts der drängenden Herausforderungen wie Klimawandel, Migration, demografische Entwicklung, Globalisierungskritik oder Politikverdrossenheit vielleicht nicht. In der Bildung zeigt sich dies darin, dass lebenslanges Lernen und Future Skills Leitmotive der Bildungsentwicklung geworden sind, mit denen auf unterschiedliche Weise auf die Beschleunigungstendenzen reagiert wird: Der Zeithorizont von Ausbildungen und deren Abfolge ist das Kernthema des lebenslangen Lernens, und Future Skills drehen sich um die Möglichkeiten, bereits heute die Kompetenzen auszubilden, die in Zukunft relevant sein werden. Forschung und Bildung sollen fit machen für die Zukunft, und das bitte schon heute.

Der Ruf nach Inter- oder Transdisziplinarität in der Forschung ist ein Appel die drängenden Probleme kooperierend und rascher anzugehen. Dazu werden spezifische Methoden für die Forschung entwickelt und verbreitet, die die Koproduktion von Entwicklungen in Wissenschaft und Gesellschaft unterstützen (siehe z. B. die Toolbox und die weiteren Methoden und Werkzeuge für die Koproduktion von Wissen des td-net).

In der Lehre zeigt sich diese Beschleunigung darin, dass Studierende rasch anhand von Zukunftsthemen und Future Skills an offene Problemstellungen herangeführt werden. Wie in der Forschung besteht die Herausforderung darin, dass die fachliche Reife und das wissenschaftliche Rüstzeug dafür vielleicht noch gar nicht vorhanden sind. Es wird befürchtet, dass in Lehr- und Lernszenarien die wissenschaftlich fundierte Überprüfung von Hypothesen und die politische Meinungsbildung vermischt werden. Doch die klare Trennung von Wissenschaft und Politik ist eine Idealisierung.

Studierende sollten lernen, wie Wissenschaft, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik bei der Gestaltung der Zukunft ineinandergreifen

Hochschulen haben den Bildungsauftrag, die Studierenden auf eine berufliche Tätigkeit vorzubereiten, indem ihnen eine Ausbildung angeboten wird, die wissenschaftlich im State of the Art fundiert und sowohl forschungsbasiert wie auch anwendungs- und praxisorientiert gestaltet wird. Aber: Vermitteln wir den Studierenden wirklich die ganze Wahrheit über den State of the Art? Oder klammern wir zumindest bis zur Bachelorarbeit aus, wie Wissenschaft und Forschung gemacht wird? Wenn Curricula den Eindruck vermitteln, im Fachgebiet sei alles klar, und daher seien Wissen und Kompetenzen eindeutig überprüf- und bewertbar, dann nehmen Hochschulen ihre Verantwortung in der Ausbildung nicht wahr. Wissenschaft und Forschung sind immer auch ein Ringen darum, welche Herausforderungen relevant sind und gelöst werden sollen, wie diese Probleme angegangen werden sollen und wer über die richtigen Massnahmen und Lösungsangebote entscheiden soll. Das sind zugegeben grosse Fragen (ich empfehle z. B. die handlichen Reclam-Büchlein Bogner, Alexander: Die Epistemisierung des Politischen oder Vogelmann, Frieder: Umkämpfte Wissenschaften – zwischen Idealisierung und Verachtung). Aber warum sollten wir unsere Studierenden nicht herausfordern? Denn die Gestaltung der Zukunft wird herausfordernd sein. Den Studierenden nicht zuzutrauen, mit ihrer Zukunft verantwortungsvoll umzugehen, käme einer Bankrotterklärung der Hochschulen gleich.

Macht endlich vorwärts! Erwartungen an Bildung und Forschung

Die Ausbildung auf Hochschulniveau wurde in den letzten Jahrzehnten deutlich ausgebaut (siehe z. B. Bundesamt für Statistik «Studierende und Abschlüsse auf Tertiärstufe in der Schweiz» für den Zeitraum 2000-2020). Immer mehr junge Menschen werden an Hochschulen Wissen und Kompetenzen vermittelt, damit sie die Zukunft verantwortungsvoll gestalten können: Es stehen mehr gut ausgebildete Personen zur Verfügung, um die Herausforderungen der Zukunft zu lösen. Wichtige Herausforderungen sind erkannt: In der Klimapolitik haben sich die Staaten auf Ziele und Jahreszahlen geeinigt, was wann erreicht sein sollte, in der Migrationspolitik sind die Herausforderungen bekannt und um Lösungsansätze wird gerungen, der demografische Wandel oder die steigenden Gesundheitskosten geben Anlass zur Sorge – und vieles mehr. Obschon mehr gut ausgebildete Menschen zur Verfügung stehen, scheinen wir den Lösungen kaum näher zu kommen. Die gesellschaftlichen Entscheidungsmechanismen, d. h. das Zusammenspiel von wissenschaftlich fundierter Analyse sowie demokratisch und rechtsstaatlich abgestützter Entscheidungen, liefert nicht mit der erhofften Geschwindigkeit.


© Jörg Farys / Fridays for Future (von Wikimedia)

Titelbild erstellt mit Copilot von Alessandro Maranta


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