Ein Beitrag von Maurice Koll
Um bis 2050 eine Bevölkerung von fast 10 Milliarden Menschen nachhaltig ernähren zu können, muss das Ernährungssystem revolutioniert werden [1]. Ein möglicher Ansatz ist die regenerative Landwirtschaft, welche eine ganzheitliche, naturnahe und ökologisch nachhaltige Lebensmittelproduktion zum Ziel hat. Doch kann mit diesem Ansatz gleich viel oder sogar mehr produziert werden als mit konventioneller Landwirtschaft und so eine zunehmende Bevölkerung ernährt werden?
Hohe Erträge zu hohen Kosten
Durch die Entwicklung und den Einsatz von Hochertragssorten, synthetischem Dünger und Pflanzenschutzmitteln konnten die Erträge in der Landwirtschaft massiv erhöht werden. Dadurch können heute mehr Menschen ernährt werden, wodurch Armut und Hunger abgenommen haben. Allerdings zu welchem Preis? Viele Böden sind durch die intensive Anbauweise degradiert oder unfruchtbar geworden und die Biodiversität geht stark zurück. Die Intensivierung der Landwirtschaft hat zu hohen externen Kosten geführt und gefährdet die Umwelt und Ernährungssicherheit [2].
Die Inputkosten der Landwirtschaft
Neben den externen Kosten gibt es auch Inputkosten, also Kosten, die bei der Produktion von Nahrungsmitteln anfallen. In der Schweizer Landwirtschaft betragen diese Kosten, die sogenannten Vorleistungen, über 60% des Gesamtproduktionswertes. Dies beinhaltet u.a. Maschinen, Saatgut, Dünge- und Pflanzenschutzmittel [3]. Durch die intensive Landwirtschaft ist man heute abhängig von diesen externen Inputs, welche mit globalen Krisen wie dem Krieg in der Ukraine massiven Preisschwankungen unterworfen sind.
Wieso regenerative Landwirtschaft?
Die regenerative Landwirtschaft ist ein Ansatz für eine nachhaltige Form der Landwirtschaft und könnte eine mögliche Alternative zum konventionellen System und dessen beschriebenen Probleme sein [4]. Pioniere wie Dietmar Näser von «Grüne Brücke» wollen mit der Natur zusammenarbeiten und das Zusammenspiel von Pflanzen und Bodenbiologie durch beispielsweise dauerhafte Bodenbedeckung oder Gründüngung wieder steigern (weitere Massnahmen in der Grafik). Dies hat neben dem Humusaufbau den Vorteil, dass keine externen Zugaben wie Pestizide oder synthetischen Düngemittel mehr nötig sind [5]. Dadurch ist man weniger abhängig von den Preisschwankungen der externen Inputs. Entsprechend setzt der Ansatz jedoch auch viel Wissen voraus. Das Ziel mehr Humus führt zu einem belebten und vielfältigerem Bodenleben, damit wird der Boden zudem wieder fruchtbarer, was die Grundlage für eine ertragreiche Landwirtschaft ist.
Ein Vergleich der Erträge zwischen konventioneller und regenerativer Landwirtschaft
Gemäss der FAO ermöglicht die regenerative Landwirtschaft vergleichbare Erträge wie die konventionelle Landwirtschaft. Die Erträge können durch eine höhere Resilienz gegenüber Extremereignissen aufgrund eines gesünderen Bodens jedoch konstanter sein [6]. Eine Studie in den USA hat regenerative Landwirtschaft und konventionelle Landwirtschaft am Beispiel Mais konkret verglichen. Obwohl bei der regenerativen Landwirtschaft durchschnittlich 29% tiefere Erträge resultierten, waren die Einnahmen um 78% höher! Dies aufgrund von Ersparnissen von insbesondere Düngemitteln und mit Insektizid behandeltem Saatgut [7]. Ein 10-jähriger Systemvergleich im Kanton Bern von 5-7 Kulturen, zeigte, dass nach ca. 7 Jahren die Erträge insgesamt sogar um 10% höher sein können als im konventionellen Anbau. Die permanente Bodenbedeckung, bessere Bodenstruktur und weniger Überfahrten wirkten sich langfristig positiv aus [8].
Ein Umdenken muss stattfinden
Mit regenerativer Landwirtschaft können also durchaus gleich hohe Erträge und sogar höhere Profite erwirtschaftet werden als mit der konventionellen Landwirtschaft, mit dem grossen Vorteil einer nachhaltigeren Bewirtschaftung. Ein zentraler Erfolgsaspekt ist die Kombination von diversen Massnahmen wie Gründüngung, Zwischenfrüchte oder pfluglosem Anbau [4, 7]. Obwohl es noch mehr standardisierte Forschung und langfristige Versuchsreihen braucht, sind diese Ergebnisse bereits sehr vielsprechend, insbesondere die langfristigen Ergebnisse der Bodenfruchtbarkeit und positiven Ernteerträge. Ziel muss es nun sein, die regenerative Landwirtschaft zu fördern, damit Bauernbetriebe unabhängiger, profitabler und nachhaltiger die Welt erfolgreich ernähren können.
Dieser Blog-Beitrag entstand im Rahmen des Bachelormoduls Welternährungssysteme des Studiengangs Umweltingenieurwesen am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen der ZHAW im Frühjahrssemester 2022.
Literatur
[1] FAO (2018). The future of food and agriculture – Alternative pathways to 2050. Summary version. Rome. 60pp. Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO.
[2] Kellermann, K. (2020). Die Zukunft der Landwirtschaft. Konventioneller, gentechnikbasierter und ökologischer Landbau im umfassenden Vergleich. Wiesbaden: Springer Spektrum. https://doi.org/10.1007/978-3-658-30359-4
[3] BFS, Bundesamt für Statistik (2021). Landwirtschaftliche Gesamtrechnung. https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/land-forstwirtschaft/gesamtrechnung-satellitenkonto/landwirtschaft.assetdetail.18984241.html. Zugriff: 21.03.2022.
[4] IPCC. (2019). Climate Change and Land: An IPCC special report on climate change, desertification, land degradation, sustainable land management, food security, and greenhouse gas fluxes in terrestrial ecosystems [P.R. Shukla, J. Skea, E. Calvo Buendia, V. Masson-Delmotte, H.-O. Pörtner, D. C. Roberts, P. Zhai, R. Slade, S. Connors, R. van Diemen, M. Ferrat, E. Haughey, S. Luz, S. Neogi, M. Pathak, J. Petzold, J. Portugal Pereira, P. Vyas, E. Huntley, K. Kissick, M. Belkacemi, J. Malley, (eds.)].
[5] Näser, D. (2022). Definition—Regenerative Landwirtschaft. https://www.regenerative-landwirtschaft.de/definition.html. Zugriff: 21.03.2022.
[6] FAO. (2022). Conservation Agriculture | Food and Agriculture Organization of the United Nations. https://www.fao.org/conservation-agriculture/overview/why-we-do-it/en/. Zugriff: 21.03.2022.
[7] LaCanne, C., & Lundgren, J. (2018). Regenerative agriculture: Merging farming and natural resource conservation profitably. PeerJ, 6, e4428. https://doi.org/10.7717/peerj.4428.
[8] Chervet, A., Ramseier, L., Sturny, W. G., & Tschannen, S. (2005). Direktsaat und Pflug im 10-jährigen Systemvergleich (Agrarforschung Schweiz 12 (5)). Amt für Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern. https://www.agrarforschungschweiz.ch/2005/05/direktsaat-und-pflug-im-10-jaehrigen-systemvergleich/. Zugriff: 24.03.2022.