Vegi-Angebot in der Schweizer Gastronomie – eine Analyse vom Boden- bis zum Genfersee

Ein Beitrag von Karin Rieben und Priska Baur

Abbildung 1: Vegi-Angebote in Schweizer Gemeinden (Karin Rieben CC BY 4.0)

Zum ersten Mal wurde untersucht, ob es in der Schweizer Gastronomie beim Vegi-Angebot regionale Unterschiede gibt. Die Analyse zeigt: Auf dem Land werden noch mehr Fleischgerichte angeboten als in der Stadt und die Westschweiz unterscheidet sich von der Deutschschweiz vor allem beim höheren Angebot an Fischgerichten.

Gastronomie beeinflusst Fleischkonsum

Die Gastronomie beeinflusst unsere Ernährung, denn die Schweizer Bevölkerung verpflegt sich regelmässig ausser Haus, wie verschiedene Quellen belegen: Gemäss dem Branchenverband GastroSuisse gibt die Schweizer Bevölkerung im Durchschnitt etwa 3’000 Fr. pro Kopf und Jahr für auswärts Essen und Trinken aus (z.B. GastroSuisse, 2019); gemäss Haushaltsbudgeterhebungen des Bundesamtes für Statistik werden rund 40% der Ausgaben für die Ernährung ausser Haus getätigt (z.B. BFS, 2018); laut der ersten nationalen Ernährungserhebung der Schweiz 2014/2015 kochen 35 % der Personen im Alter zwischen 18 und 75 Jahren mittags nie zu Hause, abends sind es 19 % (Bochud et al., 2017).

Beim Fleisch wird gemäss offiziellen Schätzungen sogar die Hälfte auswärts gegessen (Proviande, 2020). Deshalb interessiert, wie es in der Gastronomie eigentlich mit dem Vegi-Angebot aussieht, d.h. dem Angebot an ovo-lakto-vegetarischen und veganen Gerichten, und ob es dabei regionale Unterschiede gibt (Rieben, 2021).

67 Gemeinden, 206 Gastrobetriebe, 7017 Hauptgerichte

Diese Fragen wurden mit einer innovativen Methode untersucht: In Anlehnung an die Transektmethode in der Vegetationskunde (Lexikon der Geographie, n.d.) wurden 67 aneinandergrenzende Gemeinden vom Boden- bis zum Genfersee ausgewählt. Diese zählen gemäss Klassifizierung des Bundesamtes für Statistik (BFS, 2017) zu den städtischen (4), periurbanen (39), Industrie- und Dienstleistungs- (5) und ländlichen Gemeinden (19). 37 der Gemeinden liegen in der Deutsch- und 30 in der Westschweiz. Städte wie beispielsweise Zug, Luzern und Fribourg mussten aus Kapazitätsgründen ausgeschlossen werden.

Gemäss Telefonbuch gibt es in diesen 67 Gemeinden 368 Gastrobetriebe, wovon 206 über eine Website mit Informationen zu ihrem Angebot verfügen. Insgesamt wurden 7017 Hauptgerichte erhoben, eingeteilt in die Kategorien Fleisch (63.5%), Fisch und Meeresfrüchte (15.0%), ovo-lakto-vegetarisch (20.6%) und vegan (1.0%).

Mehr Fleisch auf dem Land, mehr Fisch in der Westschweiz

Werden ovo-lakto-vegetarische und vegane Gerichte zusammengefasst, so unterscheiden sich Stadt und Land wenig: Der Anteil Vegi-Gerichte liegt bei etwa 20%. Allerdings ist der Anteil vegane Gerichte mit 3.3% in der Stadt am höchsten. Deutlichere Unterschiede gibt es bei Fleisch und Fisch: In städtischen Gemeinden beträgt der Anteil Fleischgerichte 61.1% und der Anteil Fischgerichte 15.7%, in den ländlichen Gemeinden sind es 73.0%  Fleisch- und 7.6% Fischgerichte.

Abbildung 2: Häufigkeit Fleisch-, Fisch- und Vegi-Gerichte auf der Speisekarte nach Gemeindetyp (Karin Rieben CC BY 4.0)

Ein analoges Muster zeigt sich zwischen den Sprachregionen: Die Unterschiede bei den Vegi-Gerichten sind mit einem Anteil von 22.1% in der Deutschschweiz bzw. 20.1% in der Westschweiz gering. Jedoch ist der Anteil vegane Gerichte in der Deutschschweiz mit 1.3% (65 von 5066 Gerichten) höher als in der Westschweiz mit 0.1% (2 von 1951 Gerichten).

Deutlichere Unterschiede gibt es jedoch bei Fleisch und Fisch: In der Deutschschweiz werden mehr Fleisch- und weniger Fischgerichte angeboten als in der Westschweiz. Die entsprechenden Anteile sind 65.9% Fleisch und 12.1% Fisch (Deutschschweiz) bzw. 57.4% Fleisch und 22.5% Fisch (Westschweiz).

Potenzial für mehr Vegi in der Schweizer Gastronomie

Die Ergebnisse der Erhebung sind für die Schweiz nicht statistisch repräsentativ, jedoch geben sie Hinweise für regionale Unterschiede und das Potenzial der Schweizer Gastronomie, das Vegi-Angebot auszubauen. Denn das Angebot an vegetarischen und vor allem an veganen Gerichten ist bescheiden, auf dem Land noch mehr als in der Stadt und in der Westschweiz noch mehr als in der Deutschschweiz.

Ein grösseres und qualitativ überzeugendes genussvolles Angebot an Vegi-Gerichten ist eine unverzichtbare Voraussetzung, dass in der Gastronomie weniger Fleisch gegessen wird. Das wäre ein Schritt in Richtung nachhaltige und gesunde Ernährung und nicht zuletzt auch ein Beitrag für die Erreichung der Klimaziele.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Bachelorstudiums «Umweltingenieurwesen».


Literatur (citations unlinked)

BFS. (2017). Gemeindetypologie und Stadt/Land-Typologie 2012 (No. 1702–1200; Raumgliederungen Der Schweiz). Bundesamt für Statistik.

BFS. (2018). Haushaltsbudgeterhebung (HABE). https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/wirtschaftliche-soziale-situation-bevoelkerung/erhebungen/habe.html

Bochud, M., Chatelan, A., Blanco, J.-M., & Beer-Borst, S. (2017). Anthropometric characteristics and indicators of eating and physical activity behaviors in the Swiss adult population. https://www.blv.admin.ch/dam/blv/de/dokumente/lebensmittel-und-ernaehrung/ernaehrung/menuch-bericht.pdf.download.pdf/menuch-bericht.pdf

GastroSuisse. (2019). Branchenspiegel 2019.

Lexikon der Geographie. (n.d.). Transektmethode. Spektrum.De. Retrieved 16 July 2021, from https://www.spektrum.de/lexikon/geographie/transektmethode/8216

Proviande. (2020). Der Fleischmarkt im Überblick 2019.

Rieben, K. (2021). Vegetarisches und veganes Angebot in der Schweizer Gastronomie: Eine Analyse auf Basis ausgewählter Gemeinden vom Bodensee bis zum Genfersee [Bachelorarbeit]. ZHAW Institut für Umwelt und natürliche Ressourcen.


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