Schlechte Märkte, gute Märkte, Supermärkte?

Ein Beitrag von Mira Mäder

Abbildung 1: Traditioneller Gemüse-Marktstand. Quelle: Demande Philippe, Colourbox, Royalty Free

Supermärkte haben Macht – sowohl über Produzentinnen und Produzenten als auch über Konsumentinnen und Konsumenten. Während dies in der westlichen Welt zunehmend kritisiert wird, gelten sie in Entwicklungsländern oft als wirksame Armutsbekämpfer. Doch welche Auswirkungen haben Supermärkte tatsächlich auf die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in Entwicklungsländern, welche auf Vertragsbasis für sie produzieren? Verschiedene Studien aus Afrika gehen dieser Frage nach.

Die Expansion der Supermärkte

Auch in Kenia bauen Supermärkte ihre Position laufend aus und ersetzen einen Teil des traditionellen Marktes. Um frisches Gemüse anbieten zu können, schliessen sie Verträge mit Kleinproduzentinnen und Kleinproduzenten ab. Die Abmachung: Die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern liefern das Gemüse direkt zum Supermarkt, Menge, Qualität, Lieferzeitpunkt und Preis werden im Vorhinein abgemacht. Solche Verträge können sowohl verbal als auch schriftlich vorliegen (Andersson, Chege, Rao, & Qaim, 2015).

Supermärkte gegen Armut?

Die Zusammenarbeit zwischen Kleinproduzentinnen und Kleinproduzenten in Entwicklungsländern und Supermärkten gilt in der Literatur oft als hochwirksame Armutsbekämpfung: Die Bauern und Bäuerinnen haben eine höhere Ernte und erhalten bessere und stabilere Preise für ihr Gemüse als auf dem traditionellen Markt. Dies ermöglicht Investitionen und erleichtert die Produktionsplanung. Die Abnahme ihrer Ernte ist gesichert. Produzentinnen und Produzenten, die mit Supermärkten Vertragslandwirtschaft betreiben, haben bewiesenermassen höhere Einkommen und leiden seltener unter Mangelernährung (Andersson et al., 2015; Mishra, Kumar, Joshi, & D’Souza, 2018; Ochieng, 2017).

So weit so gut, wäre da nicht die hohe Drop-out-Rate von beachtlichen 50%, welche in mehreren Studien nachgewiesen wurde (Andersson et al., 2015; Ochieng, 2017; Ruml & Qaim, 2020). Rund die Hälfte aller Kleinbauern und Kleinbäuerinnen, welche Verträge mit Supermärkten abschliessen, steigen – freiwillig oder gezwungenermassen – nach wenigen Jahren wieder aus. Warum nur?

Gross, grösser, am grössten

Wenn man die betroffenen Produzentinnen und Produzenten fragt, dann ist die Antwort folgende: zu hoher Zeit-, Arbeits- und Transportaufwand, Schwierigkeit, eine konstante Lieferung zu garantieren, zu hohe Qualitätsanforderungen, zurückgewiesene Lieferungen und verspätete Bezahlung (Joseph, Otieno, & Oluoch-Kosura, 2019; Ruml & Qaim, 2020). Aufgrund der hohen Qualitätsstandards von Supermärkten wird sehr viel Zeit für Waschen, Verlesen und Verpacken aufgewendet. Die Produzentinnen und Produzenten liefern meist direkt zum Supermarkt, was ebenfalls zeitaufwändig ist. Um die Verträge einhalten zu können, wird möglichst viel Land und Arbeitskraft benötigt. Das Resultat: Grosse werden grösser, Kleine fallen raus (Mwambi, Oduol, Mshenga, & Saidi, 2016).

Armutsbekämpfung oder Armutsverschiebung?

Wachsenden Ungleichheiten zwischen den Produzentinnen und Produzenten und steigende Abhängigkeit von den Abnehmerinnen und Abnehmern – wie nachhaltig ist diese Entwicklung tatsächlich?

Fehlende Transparenz, ungenügende Kommunikation, verspätete Bezahlung, unfaire Preise und Risikoverlagerung von den Supermärkten zu den Bauern und Bäuerinnen führen dazu, dass Misstrauen herrscht und die Verträge von den Produzentinnen und Produzenten oft nicht eingehalten werden. Aber auch seitens der Supermärkte kommt es des Öfteren zu Vertragsbrüchen (Joseph et al., 2019; Mwambi et al., 2016; Ruml & Qaim, 2020)

Produzentinnen- und Produzentenorganisationen

Supermärkte als Entwicklungshelfer – ganz so unproblematisch scheint die Geschichte also doch nicht. Um die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern nachhaltig in die High-Value-Chain der Supermärkte einzubinden und einen fairen Handel zu erreichen, braucht es mehr Transparenz und Aufklärung sowie eine gezielte Förderung von sogenannten «Producers Organisation’s» (PO’s). Momentan bestehen noch viele rechtliche Hürden und Unklarheiten über die Handlungsspielräume dieser Organisationen.

Trotzdem haben sich PO’s bisher weltweit als sehr wirksam erwiesen: Sie erhöhen nicht nur die Verhandlungsstärke und das Einkommen ihrer Mitglieder, sondern führen zu tendenziell besseren Preisen für alle Bauern und Bäuerinnen der Region (Velázquez, Buffaria, & European Commission, 2017).

Die Armutsbekämpfung alleine den Supermärkten zu überlassen ist also etwas zu einfach. Wenn die Produzentinnen und Produzenten aber ihre Verhandlungsposition stärken und ihre Interessen angemessen vertreten können, dann können Supermärkte für Kleienbauern und Kleinbäuerinnen tatsächlich zu guten Märkten werden.

Dieser Blog-Beitrag entstand im Rahmen des Bachelormoduls Welternährungssysteme des Studiengangs Umweltingenieurwesen am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen der ZHAW im Frühjahrssemester 2020.

Quellen

Andersson, C. I. M., Chege, C. G. K., Rao, E. J. O., & Qaim, M. (2015). Following Up on Smallholder Farmers and Supermarkets in Kenya. American Journal of Agricultural Economics97(4), 1247–1266. https://doi.org/10.1093/ajae/aav006

Joseph, A., Otieno, D. J., & Oluoch-Kosura, W. (2019). Drivers of transformations in smallholder indigenous vegetable value chains and contract farming evolution in Western Kenya. Rising to Meet New Challenges: Africa’s Agricultural Development Beyound 2020. Presented at the 6th international conference of african agricultural economists, Abuja Nigeria.

Mishra, A. K., Kumar, A., Joshi, P. K., & D’Souza, A. (2018). Production Risks, Risk Preference and Contract Farming: Impact on Food Security in India. Applied Economic Perspectives and Policy40(3), 353–378. https://doi.org/10.1093/aepp/ppy017

Mwambi, M. M., Oduol, J., Mshenga, P., & Saidi, M. (2016). Does contract farming improve smallholder income? The case of avocado farmers in Kenya. Journal of Agribusiness in Developing and Emerging Economies6(1), 2–20. https://doi.org/10.1108/JADEE-05-2013-0019

Ochieng, D. O. (2017). Supermarket contracts, income, and changing diets of farm households: Panel data evidence from Kenya(Working Paper No. 104). Retrieved from GlobalFood Discussion Papers website: https://www.econstor.eu/handle/10419/168020

Ruml, A., & Qaim, M. (2020). Smallholder farmers’ dissatisfaction with contract schemes in spite of economic benefits: Issues of mistrust and lack of transparency. https://doi.org/10.22004/ag.econ.301006

Velázquez, B., Buffaria, B., & European Commission. (2017). About farmers’ bargaining power within the new CAP. Agricultural and Food Economics5(1), 16. https://doi.org/10.1186/s40100-017-0084-y


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