Wird Biokohle das neue schwarze Gold?

Ein Beitrag von Kilian Falk

Abbildung 1.: Ein Terra preta-Boden, der sich durch den Eintrag von unvollständig verbranntem, organischem Material sowie Knochen, Mist und Asche während langer Zeit gebildet hat  (Quelle: Bild von Marc Seinmetz/Visum).

Böden sind die wichtigste Basis unserer Nahrungsmittelproduktion. Erst voll funktionsfähige Böden können der menschlichen Zivilisation langfristig gesunde und qualitativ hochwertige Nahrung bringen, das Klima regulieren sowie riesige Wassermengen speichern. Dabei ist Kohlenstoff im Boden für zahlreiche Bodenfunktionen und Ökosystemdienstleistungen zentral. Die Zukunft gesunder Böden ist aber in Gefahr: Bodendegradation bedroht unsere Ernährungssicherheit und unsere Zukunft. Doch inmitten eines Regenwaldes verbirgt sich etwas, das die Zukunft der Nahrungsmittelproduktion in einem neuen Licht erscheinen lassen könnte.

Terra preta de Indios – Das dunkle Geheimnis im tiefen Dschungel

Vor wenigen Jahrzehnten erregte die Entdeckung zahlreicher fast schwarzer Böden im Amazonas-Regenwald die Neugierde von Archäologen. Diese unverkennbaren dunklen Erden grenzen sich deutlich vom rötlich erscheinenden Ferralsol-Boden ab. Die Radiokarbondatierung zeigt, dass Terra preta de Indio, auf Deutsch «indigene Schwarzerden»,  ihre Entstehung während der Präkolumbianischen Zeit hatte.1  Die Sesshaftigkeit des Menschen im Amazonasbecken führte dazu, dass sich im Boden kontinuierlich organisches Material wie Mist und Pflanzenreste ablagerte und sich anorganische Knochen- und Ascheansammelte, was über einen langen Zeitraum hinweg zu diesen Böden führte.2 Bald erkannten Wissenschaftler*innen das geheimnisvolle Potential, das sich in Terra preta verbirgt: Äusserst hohe Nährstoffvorräte im Gegensatz zu angrenzenden sehr nährstoffarmen, tropischen Böden.1,2

Was Terra preta besonders macht

Dass die hohe Fruchtbarkeit seit der Entstehung der schwarzen Erden bestehen bleibt, ist dabei einzigartig. Doch was verleiht diesen Böden die dunkle Farbe und lässt sie während tausenden von Jahren so fruchtbar bleiben? Heute weiss man, dass das Praktizieren von Brandrodungsfeldbau der Indios zur Ansammlung von stabilen Kohlenstoffverbindungen in Form von Kohle im Boden führte, die Jahrhunderte bis Jahrtausende unverändert blieben.2,3 In Untersuchungen wurde gezeigt, dass die Zugabe von künstlich produzierten Biokohlen als Bodenzusatzstoff  das Produktions- und Ertragspotential nährstoffarmer, tropischer Böden steigern kann, während in Feldversuchen gezeigt wurde, dass die Zugabe von Holzkohlen Keimung, Pflanzenwachstum und Ernteerträge deutlich erhöhen .2,4

Die populären Vorteile

Dank ihrer chemisch-physikalischen Beschaffenheit können Biokohlen vor allem beim Einbau in tropische Böden eine Reihe positiver Effekte auslösen: Die Steigerung des pH-Werts in sauren Böden, eine erhöhte Kapazität, um Nährstoffe zu speichern und später den Pflanzen abzugeben, sowie eine verbesserte Wasserspeicherfähigkeit. Die grosse Oberflächenstruktur bietet nützlichen Mikroorganismen wie Bakterien und Mykorrhiza-Pilzen unter passenden Bedingungen viel Lebensraum, die wiederum die Nährstoffverfügbarkeit erhöhen können.3 In vielen Ländern gibt es Bestrebungen, Böden mit Biokohlen anzureichern, um Bodenfunktionen zu verbessern und dadurch die Fruchtbarkeit und Erträge zu erhöhen. Dies führte zur ersten industriellen Produktion von Biokohle mittels Pyrolyseverfahren. Vorteilhaft ist, dass dabei jedes erdenklichen organische Material wie beispielweise Holz oder Klärschlamm mittels Pyrolyse verkohlt werden kann.5,6

Abbildung 2: Ein Landwirt appliziert Biokohle in ein Pflanzloch für eine Kaffee-Pflanze (Quelle: Meiwa Co.,Ltd.).

Biokohle im Einsatz gegen Umweltprobleme in der Landwirtschaft

Die chemisch-physikalischen Eigenschaften von Biokohle können bei richtiger Applikation in landwirtschaftlichen Böden eine Reihe positiver Umweltauswirkungen hervorrufen:

 Tabelle 1: Eine Übersicht über die potentiellen Vorteile von Biokohlen (Barrow, 2012).

Landwirtschaftliche ProduktionAbschwächung des Klimawandels
Höhere ErnteerträgeReduzierter DüngerbedarfVerbessertes PflanzenwachstumVerringerte Pestizidaufnahme durch Pflanzen Bindung organsicher Schadstoffe in kontaminierten Böden.CO2 – Sequestrierung im Boden   Reduzierte Stickoxid- und Ammoniak- Emissionen   Kompensierung von Treibhausgasemissionen
WasserqualitätRessourceneffizienz
Reduktion von Phosphat und Nitrat- Auswaschung in GewässerVerwendung von ungenutzten Abfällen für Biokohlen
Abbildung 3: Pflanzen assimilieren Kohlenstoffdioxid in das pflanzliche Gewebe. Durch die Pyrolyse wird dieser Kohlenstoff stabilisiert und kann langfristig im Boden gespeichert werden (Quelle: Jatav et al., 2020).

Die dunkle Seite der Materie

So vielversprechend die potentiellen Möglichkeiten der Biokohle-Verwendung in der Landwirtschaft angepriesen werden, so bewusst sollte man sich über die möglichen Risiken und Zielkonflikte dieses faszinierenden Materials sein: Die Herstellung in grossen Mengen kann zu einer verschärften Nutzungskonkurrenz um Biomasseverwertung führen. Es stellt sich zum Beispiel die Frage, ob der Anbau von Biomasse für die Biokohleproduktion nachteilige Auswirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion haben könnte.6 Möglich sind auch Zielkonflikte zwischen der Maximierung der Biokraftstoffproduktion und der Maximierung der Biokohleherstellung.5 Beim Herstellungsverfahren bilden sich, abhängig von der Beschaffenheit des Ausgangsmaterials und den Prozessbedingungen, zahlreiche gesundheitsgefährdende Schadstoffe. Die Akkumulierung von Schwermetallen in Böden und die Emission giftiger Gase wie Kohlenmonoxid ist während des gesamten Lebenszyklus der Biokohle möglich.6 Die Mehrheit der praktischen Feldstudien fokussiert sich auf tropische, nährstoffarme Böden und über die Wirkung in Böden der gemässigten Zonen ist verhältnisweise weniger bekannt, was potentielle Risiken mit sich bringen kann.7 In zahlreichen Versuchen [BS(1] wurde eine bemerkenswerte Ertragssteigerung sowie positive, aber auch negative Effekte auf Wasserhaltekapazität, Stickstoffgehalt, Boden-Schüttdichte sowie Nährstoffaustauschkapazität festgestellt. Ebenso beobachtete man erhebliche Ertragseinbussen beispielsweise beim Einsatz von Biokohlen auf Reisstroh in einen Sandboden. Biokohlen können sogar als Treibhausgasquelle wirken, anstatt diese im Boden zu speichern, wenn eine unpassende Kombination aus Biokohle-Bodenart und Prozessbedingungen (Temperatur) benutzt wird.8

Sehen Sie die Zukunft der Biokohle nicht zu schwarz

Aufgrund der grossen Variationen von Biokohlen, Bodenarten und Pflanzen muss noch viel Forschung zur individuellen Wirkung betrieben werden, um die grosse Vielfalt der resultierenden Wechselwirkungen und deren Effekte zu verstehen. Es besteht eine grosse Forschungslücke über die Wirkungsweise von Biokohlen in Böden der gemässigten Zonen.5 Forschungsfragen wie «Welchem Boden/welcher Kultur fügt man welche Biokohle hinzu?» helfen die Risiken zu verringern und Wissenslücken zu füllen. Es existieren zudem unvermeidbare Zielkonflikte zwischen den erwähnten Vorteilen: Sollen wir Biomasse für die Biokohlegewinnung verwenden oder für die Energiegewinnung ?9 Trade-off-Analysen sind zentral für zukünftige Studien, denn alle erwähnten Vorteile maximieren zu können, ist sehr unwahrscheinlich und es gibt eine unzureichende Datenlage, um Schlussfolgerungen zur Biokohleproduktion und -anwendung auf dem Boden in allen Situationen zu ziehen.5 Es gibt aber durchaus positive Aspekte: In tropischen Regionen besitzt die Zugabe von Biokohlen als Bodenzusatzstoff vielleicht das Potential, nährstoffarme Tropenböden fruchtbarer werden zu lassen. Dadurch kann der Regenwaldabholzung zur Gewinnung neuer Anbauflächen entgegengewirkt werden.1  Kleinbetriebe unter zwei Hektaren produzieren auf 24 % der weltweiten landwirtschaftlichen Fläche 30-34% der globalen Lebensmittelproduktion.10  Das ist überproportional viel. Persönlich bin ich deshalb der Ansicht, dass die sachgemässe Verwendung von Biokohle in Klein- und Familienbetrieben ein enormes Potential besitzt. Denn sie können Biokohle aus regionaler Biomasse herstellen, um damit in geschlossenen Kreisläufen die Bodenfruchtbarkeit und Nahrungsproduktion zu erhöhen.


Dieser Blog-Beitrag entstand im Rahmen des Bachelormoduls Welternährungssysteme des Studiengangs Umweltingenieurwesen am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen der ZHAW im Frühjahrssemester 2021.

Quellen

1 Glaser, B., & Birk, J. J. (2012). State of the scientific knowledge on properties and genesis of Anthropogenic Dark Earths in Central Amazonia (terra preta de Índio). Geochimica et Cosmochimica Acta, 82, 39–51. https://doi.org/10.1016/j.gca.2010.11.029

2 Lehmann, J., Kern, D. C., Glaser, B., & Woods, W. I. (2007). Amazonian Dark Earths: Origin Properties Management. Springer Science & Business Media.

3 Atkinson, C., Fitzgerald, J., & Hipps, N. (2010). Potential Mechanisms for Achieving Agricultural Benefits from Biochar Application to Temperate Soils: A Review. Plant and Soil, 337, 1–18. https://doi.org/10.1007/s11104-010-0464-5

4 Glaser, B., Lehmann, J., & Zech, W. (2002). Ameliorating physical and chemical properties of highly weathered soils in the tropics with charcoal – a review. Biology and Fertility of Soils, 35(4), 219–230. https://doi.org/10.1007/s00374-002-0466-4

5 Jeffery, S., Bezemer, T. M., Cornelissen, G., Kuyper, T. W., Lehmann, J., Mommer, L., Sohi, S. P., Voorde, T. F. J. van de, Wardle, D. A., & Groenigen, J. W. van. (2015). The way forward in biochar research: Targeting trade-offs between the potential wins. GCB Bioenergy, 7(1), 1–13. https://doi.org/10.1111/gcbb.12132

6 Lehmphul, K. (2016). Chancen und Risiken des Einsatzes von Biokohle und anderer „veränderter“ Biomasse als Bodenhilfsstoffe oder für die C-Sequestrierung in Böden. Umweltbundesamt. https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/chancen-risiken-des-einsatzes-von-biokohle-anderer

7 Lehmann, J., & Joseph, S. (Hrsg.). (2009). Biochar for environmental management: Science and technology. Earthscan.

8 Hussain, M., Farooq, M., Nawaz, A., Al-Sadi, A. M., Solaiman, Z. M., Alghamdi, S. S., Ammara, U., Ok, Y. S., & Siddique, K. H. M. (2017). Biochar for crop production: Potential benefits and risks. Journal of Soils and Sediments, 17(3), 685–716. https://doi.org/10.1007/s11368-016-1360-2

9 Biochar: Is there a dark side? (o. J.). Abgerufen 9. April 2021, von https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2014/04/biochar-is-there-a-dark-side.html

10 Ramankutty, N., Ricciardi, V., Mehrabi, Z., & Seufert, V. (2019). Trade-offs in the performance of alternative farming systems. Agricultural Economics, 50(S1), 97–105. https://doi.org/10.1111/agec.12534

Barrow, C. J. (2012). Biochar: Potential for countering land degradation and for improving agriculture. Applied Geography, 34, 21–28. https://doi.org/10.1016/j.apgeog.2011.09.008

Jatav, H., Singh, S., Jatav, S., Rajput, V., Parihar, M., Mahawer, S., & Singhal, R. (2020). Importance of Biochar in Agriculture and Its Consequence. https://doi.org/10.5772/intechopen.93049

Lehmann, J. (2008). Terra Preta Nova – Where to from Here? In Amazonian Dark Earths: Wim Sombroek’s Vision (S. 473–486). https://doi.org/10.1007/978-1-4020-9031-8_28


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