Internationaler Direkthandel im Detailhandel – ein Widerspruch?

Ein Beitrag von Carmen Burri

Abbildung 1: Kaffeebohne im Einkaufswagen (Quelle: Colourbox, Royalty-Free)

Die Nachfrage nach fair gehandelten Produkten steigt seit Jahren. Im Detailhandel finden neben Fairtrade-Produkten auch vermehrt Direct Trade-Produkte den Weg ins Regal. Hinter dem Direkthandel steht das Prinzip eines möglichst direkten Weges vom Anbau bis zum Konsum eines Produktes. Wird der Detailhandel als Verkaufskanal genutzt, wirkt dies aufgrund des verlängerten Weges widersprüchlich. Die Zusammenarbeit bringt vermeintlich viele Vorteile, die allerdings kritisch betrachtet werden sollten.

Fair oder lieber direkt?

Heute gibt es eine Vielzahl an Fairtrade-Labels. Sie setzen sich meist für langfristigere Handelsbeziehungen und ein stabileres Preisumfeld in den Herkunftsländern ein.1 Tatsächlich gelingen Einkommenssteigerungen jedoch nur in den besten Fällen und dann auch nur in geringem Ausmass.2 Aus dieser Kritik heraus ist der sogenannte Direkthandel oder Direct Trade entstanden. Dabei wird ein möglichst direkter und transparenter Weg vom Anbau eines Produktes bis zu dessen Konsum geschaffen. Der Wegfall des Zwischenhandels ermöglicht es dann, Produzentinnen und Produzenten deutlich besser zu bezahlen.3

Detailhandel als Verkaufskanal

In der Schweiz gibt es verschiedene Direct Trade-Produkte. Sei es Schokolade von Choba Choba, Kaffee von Tropical Mountain oder eine Auswahl von frischen und haltbaren Produkten auf Plattformen wie der von Gebana. Mit unterschiedlichen Begründungen haben die beiden ersten Unternehmen im vergangenen Jahr eine Zusammenarbeit mit dem Detailhandel gestartet.4 Aufgrund des erwähnten Prinzips eines möglichst direkten Weges vom Anbau bis zum Konsum, wirkt dies jedoch widersprüchlich. Ein zusätzliches Unternehmen in der Wertschöpfungskette bedeutet schliesslich oftmals auch weniger Gewinn für die Produzentinnen und Produzenten im Herkunftsland.5

Direkthandel: Ein Begriff, viele Definitionen

Ob solche Produkte noch als Direct Trade bezeichnet werden können, ist nicht abschliessend beantwortbar. Direkthandel ist als Begriff nicht geschützt und wird somit unterschiedlich ausgelegt.6 Die Geschäftspraktiken der beiden genannten Unternehmen haben sich vermutlich nicht verändert und die Produkte werden noch gleichermassen direkt von den Kooperativen bezogen. Bei Choba Choba wird sogar spezifisch darauf hingewiesen, dass sich der Abnahmepreis für die Produzentinnen und Produzenten nicht verändert hat.7 Dabei handelt es sich aber vermutlich um eine Ausnahme, denn normalerweise wird mit einem grösseren Abnahmevolumen auch ein tieferer Preis bezahlt.

Doppelter Profit für den Detailhandel

Beim Detailhandel scheinen sich gleich mehrere Vorteile durch die Zusammenarbeit mit einem Direkthandelsunternehmen zu ergeben. Ohne einen eigenen Aufwand zu haben, werden die positiven Eigenschaften des Direkthandels auch mit dem Detailhandelsunternehmen assoziiert. Eine schwedische Studie kommt in diesem Zusammenhang zum Schluss, dass besonders die Unternehmen vom Begriff Direct Trade profitieren, welche es mit der dahinterstehenden Definition nicht so genau nehmen.8 Der Grund dafür liegt in den Kosten. Diese erhöhen sich verhältnismässig stark bei denjenigen Unternehmen, welche sich strenge soziale und ökologische Prinzipien auferlegen und sich daranhalten.

Die Wahl des Kaufkanals ist entscheidend

Als Konsumierende ist die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Auslegungen des Direct Trade-Begriffs herausfordernd. Oft fehlt schlichtweg die Zeit, um sich mit den vielen und komplexen Hintergründen von Unternehmen und deren Handelspraktiken auseinanderzusetzen. Wie sich der Einkauf beim Direkthandelsunternehmen vom Detailhandel unterscheidet, soll hier aber nochmals verdeutlicht werden. Wenn die Direct Trade-Schokolade im Detailhandel gekauft wird, geht üblicherweise 40 Prozent des Verkaufspreises an das Detailhandelsunternehmen.9 Mit der Wahl des Einkaufskanals können Konsumierende also bestimmen, wo 40 Prozent des Preises hinfliessen. Dieser bewusste Entscheid kann einen kleinen , aber wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Veränderung des Handelssystems leisten.


Dieser Blog-Beitrag entstand im Rahmen des Bachelormoduls Welternährungssysteme des Studiengangs Umweltingenieurwesen am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen der ZHAW im Frühjahrssemester 2021.

Quellen

1 Hauff, M. von, & Claus, K. (2018). Fair Trade: Ein Konzept nachhaltigen Handels (3., vollständig überarbeitete Auflage; Studienausgabe). UVK Verlagsgesellschaft mbH.

2 Baake, P., Friedrichsen, J., & Naegele, H. (2018). Social Sustainability Labels: Promises and Reality in the Example of Fairtrade-coffee. DIW Weekly Report, 48, 485–490.

3 Latta, P. (2014). Direct Trade: The New Fair Trade. Global Societies Journal, 2(0). https://escholarship.org/uc/item/66k9b4km

4 Stehula, D. (2020, November 12). Ihre Liebe ist so stark wie ihr Kaffee. Zürichsee-Zeitung. https://www.zsz.ch/ich-habe-meine-frau-wegen-corona-seit-14-monaten-nicht-mehr-gesehen-491426646634

5 Rueda, X., Paz, A., Gibbs-Plessl, T., Leon, R., Moyano, B., & Lambin, E. F. (2018). Smallholders at a Crossroad: Intensify or Fall behind? Exploring Alternative Livelihood Strategies in a Globalized World: Exploring Alternative Livelihood Strategies. Business Strategy and the Environment, 27(2), 215–229. https://doi.org/10.1002/bse.2011

6 Lorenz, J. (2017). DIRECT TRADE VS. FAIRTRADE – WO IST HIER DER UNTERSCHIED? Cross Coffee. https://www.crosscoffee.de/direct-trade-vs-fairtrade-wo-ist-hier-der-unterschied/

7 Choba Choba. (2021). FAQ. Choba Choba. https://www.chobachoba.com/de/faq/

8 MacGregor, F., Ramasar, V., & Nicholas, K. A. (2017). Problems with Firm-Led Voluntary Sustainability Schemes: The Case of Direct Trade Coffee. Sustainability, 9(4), 651. https://doi.org/10.3390/su90406519 Mighty Earth. (2021, April 1). Retailer Scorecard 2021. Mighty Earth. https://www.mightyearth.org/2021/04/01/retailer-scorecard-2021/


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