Wurzelschweiss – ein Shrub-Cocktail für Rhizosphärenbewohner*innen

Ein Beitrag von Florian Peyer

Ein Bodenbakterium (gelb) siedelt sich an einer Wurzel an (rosa).
(Bild von Alice Dohnalkova, Pacific Northwest National Laboratory, flickr CC BY-NC-SA 2.0)

In einem Kubikmeter Erde leben mehr Lebewesen als Menschen auf der Erde und auch sie wollen ernährt werden. Einmal mehr sind es die Pflanzen,  die ihre Ernährung sichern. Über Wurzelausscheidungen versorgt die Pflanze einen Teil ihrer Rhizosphärenbewohner*innen und geht damit ein für sie wichtiges Tauschgeschäft ein.


Die Landwirt*innen der amerikanischen Kolonialzeit gönnten sich an heissen Tagen einen soge- nannten Shrub. Ein Getränk, das sich aus Früchten zusammensetzt, die mit Zucker und Essig konserviert werden. Während der Shrub die Landwirt*innen abkühlte und zu neuer Energie ver- half, heizte ein ähnlicher Cocktail den Bewohner*innen unter ihren Füssen mächtig ein. Ein Cocktail namens «Wurzelschweiss», im Fachjargon besser bekannt als «Exsudation» – hergeleitet vom lateinischen Wortstamm exsudare, zu Deutsch «ausschwitzen». Dieser «Wurzelschweiss-Shrub» ist eine wichtige Nahrungsquelle für Bakterien und Pilze im Wurzelraum – der Rhizosphäre.

Reichhaltige Suppe für wählerische Mikroben

Ähnlich dem Shrub der Landwirt*innen enthält die Wurzelexsudation unter anderem grosse und kleine Moleküle. Zu den grossen Molekülen gehören Proteine, extrazelluläre DNA und Mucilage –  ein Schleim aus Polysacchariden. Diese Stoffe sind vergleichbar mit den Früchten des Shrubs. Sie dienen den Mikroben nicht primär als Nahrung, locken diese jedoch an und ermöglichen es ihnen teilweise, an die Wurzel anzudocken. Die kleinen Moleküle bilden den erfrischenden Saft des  Shrubs. Sie bestehen aus Aminosäuren, organischen Säuren, aromatischen Verbindungen, Fettsäuren und Zucker. Genau auf diesen Nährstoffcocktail sind die Mikroben aus. Spannend ist dabei, dass sie nicht ausschliesslich die energiereichsten Nährstoffe zu sich nehmen, das Nahrungsangebot miteinander teilen und sich ihr Essverhalten über die Generationen hinweg verändert. [2,3] 

Logistische Herausforderung der Essensausgabe

Den Wurzelschweiss-Shrub produziert die Pflanze mit der Photosynthese. Über den Nährstoffkanal der Pflanzen gelangen rund zwanzig Prozent der Assimilate zu den Wurzeln und anschliessend in den Boden. Nur ein kleiner Teil der Assimilate kann die Pflanze selber ohne Energieaufwand über die jungen Zellen ihrer Wurzelspitze direkt in die Bodenlösung ausscheiden. Den wesentlich grösseren Teil der Nährstoffe transportieren Pilze von der Pflanze in den Boden. Diese arbuskulären Mykorrhizapilze zapfen mit ihren Gewebefäden den Nährstoffkanal in den Wurzelhaaren an, versorgen sich mit Zuckerassimilaten und geben den Rest der Nährstoffe zur weiteren Verstoffwechslung an die Mikroben ab. Im Austausch erhält die Pflanze von den Pilzen Stickstoff und Spurenelemente aus der Bodenlösung. [3]

Eine weitere Transportgesellschaft der Assimilate bei bestimmten Pflanzen sind die stickstofffixierenden Knöllchenbakterien. Um die Bakterien anzulocken, scheidet die Pflanze unter Energieaufwand alkoholische Zucker und Aminosäuren aus. Sind die Knöllchen an den Wurzelhaaren einmal gebildet, versorgt die Pflanze die Bakterien mit Zucker und erhält im Gegenzug Stickstoff. Liefert ein Knöllchen keinen Stickstoff mehr, stellt die Pflanze die Zuckerversorgung ein. [4]

Pathogene Mikroben enttäuscht vom Tagesmenü

Das breite Nahrungsangebot der Wurzelexsudate lockt auch schädliche Mikroben an. Die Pflanze kann jedoch die Zusammensetzung ihrer Exsudation verändern und schüttet in fortgeschrittenen Entwicklungsphasen vermehrt Aminosäuren und aromatische Verbindungen aus, die ihr als Abwehrstoffe dienen. Diese Steuerung der Wurzelexsudate folgt einem genetischen Muster und ist von Pflanze zu Pflanze unterschiedlich. Jedoch verfolgen sie damit dasselbe Ziel, nämlich immer ein optimales Mikrobiom in ihrem Wurzelraum zu haben, das sie in ihrer Nahrungsversorgung stimuliert und gegen pathogene Mikroben schützt. [5,6]

Ein Shrub für alle

Ein stetiger und vielfältiger Wurzelschweiss-Shrub garantiert also das Leben der Rhizosphären- bewohner*innen. Im Tausch ermöglichen sie den Pflanzen eine gesunde Entwicklung. Dies wiederum beschert den Landwirt*innen einen fruchtbaren Boden und damit eine gute Ernte. Fördern wir deshalb die Pflanzenvielfalt und Dauerbegrünung auf unseren Feldern, damit wir Menschen und die Rhizosphärenbewohner*innen auch künftig Energie tanken können mit einem leckeren Shrub. [7,8]


Dieser Blog-Beitrag entstand im Rahmen des Bachelormoduls Welternährungssysteme des Studiengangs Umweltingenieurwesen am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen der ZHAW im Frühjahrssemester 2021.

Quellen

1 Bais, H. P., Weir, T. L., Perry, L. G., Gilroy, S., & Vivanco, J. M. (2006). The role of root exudates in rhizosphere interations with plants and other organisms. Annual Review of Plant Biology, 57, 233– 266. https://doi.org/10.1146/annurev.arplant.57.032905.105159

2 Sasse, J., Martinoia, E., & Northen, T. (2018). Feed Your Friends: Do Plant Exudates Shape the Root Microbiome? Trends in Plant Science, 23(1), 25–41. https://doi.org/10.1016/j.tplants.2017.09.003

3 Kaiser, C., Kilburn, M. R., Clode, P. L., Fuchslueger, L., Koranda, M., Cliff, J. B., Solaiman, Z. M., & Murphy, D. V. (2015). Exploring the transfer of recent plant photosynthates to soil microbes: Mycorrhizal pathway vs direct root exudation. New Phytologist, 205(4), 1537–1551. https://doi.org/10.1111/nph.13138

4 Pini, F., East, A. K., Appia-Ayme, C., Tomek, J., Karunakaran, R., Mendoza-Suarez, M., Edwards, A., Terpolilli, J. J., Roworth, J., Downie, J. A., & Poolea, P. S. (2017). Bacterial Biosensors for in Vivo Spatiotemporal Mapping of Root Secretion. Plant Physiology, 174(3), 1289–1306. https://doi.org/10.1104/pp.16.01302

5 Zhalnina, K., Louie, K. B., Hao, Z., Mansoori, N., da Rocha, U. N., Shi, S., Cho, H., Karaoz, U., Loque, D., Bowen, B. P., Firestone, M. K., Northen, T. R., & Brodie, E. L. (2018). Dynamic root exudate chemistry and microbial substrate preferences drive patterns in rhizosphere microbial community as- sembly. Nature Microbiology, 3(4), 470–480. https://doi.org/10.1038/s41564-018-0129-3

6 Korenblum, E., Dong, Y., Szymanski, J., Panda, S., Jozwiak, A., Massalha, H., Meir, S., Rogachev, I., & Aharoni, A. (2020). Rhizosphere microbiome mediates systemic root metabolite exudation by root-to-root signaling. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 117(7), 3874–3883. https://doi.org/10.1073/pnas.1912130117

7 Perez-Jaramillo, J. E., Mendes, R., & Raaijmakers, J. M. (2016). Impact of plant domestication on rhizosphere microbiome assembly and functions. Plant Molecular Biology, 90(6), 635–644. https://doi.org/10.1007/s11103-015-0337-7

8 Hirte, J., Leifeld, J., Abiven, S., Oberholzer, H.-R., & Mayer, J. (2018). Below ground carbon inputs to soil via root biomass and rhizodeposition of field-grown maize and wheat at harvest are independent of net primary productivity. Agriculture, Ecosystems & Environment, 265, 556–566. https://doi.org/10.1016/j.agee.2018.07.010


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