Am liebsten legen Hühner Waldeier

Ein Beitrag von Cyrill Achermann

Hühner unter Busch (Bild von Colourbox, CC BY-NC-ND 2.0)

In der Schweiz isst ein Mensch durchschnittlich 184 Eier pro Jahr und greift dabei acht von zehn Mal zu Freilandhaltungs- oder Bioeiern. Der Wille der Konsument*innen für eine artgerechte Haltung unserer Hühner ist da. Die Realität stimmt jedoch oft nicht mit den Bildern auf der Eierpackung überein. Was können wir besser tun?


Nachhaltigkeitstrend nimmt zu

Die Nachfrage nach nachhaltig produzierten Nahrungsmitteln hat in den letzten 20 Jahren stark zugenommen. Konsument*innen bestimmen den Inhalt ihres Warenkorbs nicht nur über den Preis, sondern achten zunehmend auf lokale Produktion, fairen Handel und artgerechte Produktion.1 Doch was heisst artgerecht bei Hühnern?

Der Ursprung des Huhns

Das domestizierte Huhn (Gallus gallus domesticus) stammt vom Bankivahuhn (Gallus gallus) ab, welches zur Familie der Fasane zählt. Das Bankivahuhn ist in Südostasien von Indien bis Indonesien beheimatet. Es lebt wild bevorzugt in Wäldern und abwechslungsreichen Landschaften wie Waldrändern, wo es ein üppiges Nahrungsangebot und viele Versteckmöglichkeiten zum Schutz vor Feinden findet. Durch Analysen am Genom der beiden Vögel entdeckten Forscher*innen, dass trotz grossen physischen und morphologischen Veränderungen nur ein kleiner genetischer Unterschied zwischen den beiden besteht. Daraus folgern die Experten*innen, dass wahrscheinlich nur wenige Gene am Domestikationsprozess beteiligt waren 2Die Schlussfolgerung, dass sich unsere Hühner in waldähnlichen Gebieten ebenfalls wohl fühlen würden, liegt nahe.

Die Haltung der Hühner in der Schweiz

Abbildung 2: Haltungsformen Legehennen in der Schweiz, Quelle: Fachbereich Marktanalysen, Bundesamt für Landwirtschaft, 2020

Die Freilandhaltung stellt im Vergleich zur Bodenhaltung eine grosse Verbesserung des Platzangebotes dar, da ein Wintergarten und mindestens 2.5m2 Aussenfläche pro Huhn zur Verfügung stehen muss. Die Biohaltungsvorschriften gehen weiter und bedingen das doppelte Platzangebot der Freilandhaltung. Jedoch bin ich der Meinung, dass der Gestaltung des Aussenbereiches zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Was ist das Problem mit der Weidefläche?

Hühner haben wie Menschen ihre Präferenzen und halten sich nicht gerne auf einer ungeschützten Fläche wie einer offenen Wiese auf. Gewisse Tiere bevorzugen es sogar, im Stall zu bleiben und verzichten lieber darauf, den aus ihrer Sicht gefährlichen Weg in den Aussenbereich auf sich zu nehmen.3 Folglich muss das Ziel sein, dass alle Tiere den Aussenbereich nutzen wollen und davon profitieren können.

Dr. méd. vét. Marjana Prinz  beobachtet bei Legehennen im Aussenbereich, dass sie sich oft an denselben beliebten Stellen sammeln.4 Dies führt zu einem erhöhten Druck von Wurmkrankheiten in der Population. Ein Befall kann zwar medikamentös behandelt werden, stellt aber einen Eingriff und eine Belastung für das Tier dar.

Wie könnte der Auslauf besser gestaltet werden?

Bäume und Sträucher sind das natürliche Umfeld der Hühner und bieten den Tieren Schutz vor Greifvögel, vor Sonne, Wind und Wetter. Der Weg zwischen Stall und den verschiedenen Bereichen der Auslauffläche sollte möglichst von Sträuchern, Bäumen oder Pergolen gesäumt sein. Auch eine dichte Ansammlung von Bäumen und Büschen, welche einen Waldrand nachahmen, sind bei den Vögeln beliebt. So können mehr Tiere vom Auslauf profitieren und den vorhandenen Platz besser und gleichmässiger nutzen.

Kosten der Bäume und Sträucher

In der Praxis werden Obst-, Nuss- oder Wertholzbäume verwendet, welche den Landwirt*innen eine Doppelnutzung des Bodens erlauben und einen Mehrnutzen generieren. In England stiess die Vermarktung von hochwertigen «forest eggs» auf grosses Marktinteresse und führte trotz Mehrkosten in der Erstellung des Auslaufs wie auch dem Unterhalt zu einer höheren Profitabilität der Zuchtbetriebe.5

In der Schweiz wird der Einsatz von Bäumen und Sträucher in der Tierhaltung vom Bund über Direktzahlungen unterstützt. Der Detailhändler Coop bietet zusätzliche finanzielle Anreize für Agroforstsysteme und unterstützt produzierende Betriebe mit 70 CHF pro Baum.6

Der richtige Weg für eine artgerechtere Freilaufgestaltung ist eingeschlagen und es sieht nach einer Win-Win-Win-Situation aus. Die Konsument*innen geniessen die gesteigerte Qualität der immer stärker nachgefragten Eier. Die Produktionsbetriebe können das höherwertige Produkt für Preisaufschläge nutzen und folglich einer besseren Marge erzielen. Und die Legehennen sind die wahren Gewinnerinnen, denn sie profitieren von einem geschützten, besser nutzbaren, artgerechten Auslauf, der ihre Lebensqualität erhöht.


Dieser Blog-Beitrag entstand im Rahmen des Bachelormoduls Welternährungssysteme des Studiengangs Umweltingenieurwesen am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen der ZHAW im Frühjahrssemester 2021.

Quellen

1BLW, B. für L. (2020, März 31). Eier Marktanalysen. https://www.blw.admin.ch/blw/de/home/markt/marktbeobachtung/eier.html

2Sawai, H., Kim, H. L., Kuno, K., Suzuki, S., Gotoh, H., Takada, M., Takahata, N., Satta, Y., & Akishinonomiya, F. (2010). The Origin and Genetic Variation of Domestic Chickens with Special Reference to Junglefowls Gallus g. Gallus and G. varius. PLOS ONE, 5(5), e10639. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0010639

3Dawkins, M. S., Cook, P. A., Whittingham, M. J., Mansell, K. A., & Harper, A. E. (2003). What makes free-range broiler chickens range? In situ measurement of habitat preference. Animal Behaviour, 66(1), 151–160. https://doi.org/10.1006/anbe.2003.2172

4Dr. méd. vét. Marjana Prinz. (2020, März 2). Probleme in der Freilandhaltung von Geflügel. UFA-Revue. https://www.ufarevue.ch/nutztiere/hilfe-vom-tierarzt-gibt-es-auch-nachteile-in-der-freilandhaltung-von-gefluegel

5Yates, C., Dorward, P., Hemery, G., & Cook, P. (2006). The economic viability and potential of a novel poultry agroforestry system. Agroforestry Systems, 69(1), 13–28. https://doi.org/10.1007/s10457-006-9015-8

6Coop Support Programme for agroforestry. (2021). My.Climate. https://www.myclimate.org/information/carbon-offset-projects/detail-carbon-offset-projects/switzerland-land-use-and-forestry-7919-003/


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