Landwirtschaft quo vadis?

Ein Beitrag von Jeremias Lütold

Abbildung 1: Ein florierender Garten. (Quelle: Bild von Øyvind Holmstad, 2018, Wikimedia, CC BY-SA 4.0)

Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit wurden so viele Lebensmittel produziert wie heute. Die heutige hohe Produktivität der Landwirtschaft wäre aber ohne Erdöl undenkbar. Diese Abhängigkeit bedeutet für die Landwirtschaft, dass sie neue Wege finden muss.

Die konventionelle Landwirtschaft ist bewiesenermassen von fossilen Energieträgern abhängig, wobei die Herstellung von synthetischen Düngern den Grossteil des Erdöls verbraucht. Ich frage deshalb nach Alternativen, die eine energieextensive Landwirtschaft ermöglichen könnten. 

Der Anbau von Stickstoff bindenden Leguminosen wurde im Europa der Nachkriegszeit sehr nebensächlich. Doch Ende der 70er Jahre, ausgelöst durch die sogenannte Ölkrise, erkannten WissenschaftlerInnen das Potenzial von Stickstoff-fixierenden Pflanzen, um synthetische Stickstoffdünger zu ersetzen [1]. Heute setzen die meisten europäischen Bio-labels den Einsatz organischer Düngemittel voraus. Die Weisung von BioSuisse zur Nährstoffversorgung hält dazu fest: Die Düngung soll das Bodenleben fördern. Die Stickstoffdüngung erfolgt ausschliesslich mit organischen Düngern [2].

Auf eine globale Perspektive übertragen, könnte eine weltweite biologische Umstellung der Landwirtschaft das Problem der landwirtschaftlichen Abhängigkeit von Erdöl also wesentlich entschärfen. In «Strategies for feeding the world more sustainably with organic agriculture» gehen Schweizer WissenschaftlerInnen (FiBL) auf die Ernährungssicherheit eines solchen Szenarios ein. Sie zeigen auf, dass die biologische Landwirtschaft in der Lage ist, bei geringerem Energieverbrauch, die Weltbevölkerung bis mindestens 2050 zu ernähren. Als Bedingung gilt jedoch, dass zeitgleich der Fleischkonsum weltweit reduziert werden muss [3].

Wenn also die grosse Abhängigkeit der Landwirtschaft durch den hohen Düngerverbrauch verursacht wird und die biologische Landwirtschaft diesem Aspekt mit stickstofffixierenden Leguminosen begegnet, dann läge doch die Lösung auf der Hand: Es werden mehr essbare Leguminosen angebaut und wir verzehren alle weniger Fleisch. Hier wird es jedoch Zeit, einen Begriff einzuführen, der auch einen Teil zur Lösung des Problems bereithält: Die Agrarökologie.

Denn: Leguminosen müssen in Zusammenhang mit den landwirtschaftlichen Systemen, in denen sie angebaut werden, und nicht isoliert betrachtet werden. Die richtige Integration von Leguminosen erfordert ein gutes Verständnis der Rolle der Leguminosen innerhalb der Nährstoffkreisläufe und eine bessere Übersicht der relativen Stickstoffquellen in der Landwirtschaft sowie der weiteren Entwicklung des fixierten Stickstoffs [4].

Konkret heisst das: Der Anbau von Leguminosen muss diversifiziert werden. Es reicht nicht, synthetische Dünger einfach mit Ackerkulturen wie Linsen und Bohnen zu ersetzen. In diesem Zusammenhang will die Agrarökologie als Ökologie von Ernährungssystemen verstanden werden. Sie will einen Rahmen bilden, der Forschung, Bildung und Handeln in einem zunehmend komplexen globalen Agrar- und Ernährungssystem zusammenfasst [5]. Eine agrarökologische Perspektive auf das globale Ernährungssystem stellt die zunehmende Rationalisierung in der Landwirtschaft in Frage und bewertet die ökonomische Leistungsfähigkeit von Agrarsystemen um erweiterte Faktoren der Ökonomie [6].

Fazit

Landwirtschaft quo vadis? Neben dem Potenzial stickstofffixierender Leguminosen gibt es weitere konkrete Methoden aus der praktischen Agrarökologie. Ständig bedeckte Böden durch Mulchsysteme, Kompostbewirtschaftung und geschlossene Nährstoffkreisläufe tragen dazu bei, die landwirtschaftliche Abhängigkeit von energieintensiv produziertem Stickstoff zu verringern. Neben dieser agrarischen Praxis braucht es aber auch eine agrarökologisch angepasste Ökonomie der globalen Ernährungssysteme. Diese müssen vom wirtschaftlichen Leistungsdruck entlastet werden, damit eine Reorganisation der Energieflüsse stattfinden kann.

Dieser Blog-Beitrag entstand im Rahmen des Bachelormoduls Welternährungssysteme des Studiengangs Umweltingenieurwesen am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen der ZHAW im Frühjahrssemester 2020.

Quellen

[1] Dean S. De Bell and Richard E. Miller. Nitrogen-Fixing Plants to replace or Supplement Synthetic Nitrogen Fertilizers, 263-264 (1979). www.fs.fed.us/pnw/olympia/silv/publications/opt/216_DeBellMiller1981.pdf

[2] BioSuisse Richtlinien, Kap 2.4, (2020). https://www.bio-suisse.ch/media/VundH/Regelwerk/2020/DE/bio_suisse_richtlinien_2020_d_gesamt.pdf

[3] Adrian Müller. Strategies for feeding the world more sustainablywith organic agriculture. (2017). https://www.nature.com/articles/s41467-017-01410-w.pdf

[4] K. E. Giller & G. Cadisch. Future benefits from biological nitrogen fixation: An ecological approach to agriculture (1995). https://www.researchgate.net/publication/226916876_Future_benefits_from_biological_nitrogen_fixation_An_ecological_approach_to_agriculture

[5] Taylor & Francis. Agroecology: The Ecology of Food Systems. (2013). https://www.researchgate.net/publication/233138094_Agroecology_The_Ecology_of_Food_Systems/link/5c5a229892851c48a9bd68a7/download

[6] A. Wezel. Agroecology as a science, a movement and a practice. A review (2013). https://link.springer.com/article/10.1051/agro/2009004


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