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Film als Leistungsnachweis – Erfahrungen und Erkenntnisse aus einem Pilotversuch

von Manuela Käppeli und Menno Labruyère 

Seit der Pandemie haben sich Video-Formate zu einem zukunftsweisenden didaktischen Element in der Hochschullehre entwickelt. Vor diesem Hintergrund starteten wir im Herbstsemester 2021 in einem Modul des Masterstudiengangs Soziale Arbeit einen Pilotversuch. Das Medium «Film» sollte hier als Leistungsnachweis eingesetzt und erste Erfahrungen damit gesammelt werden. Passend gewählt war auch das Thema des Moduls: «Chancen und Risiken der Digitalisierung in der Sozialen Arbeit», wobei diese aus drei unterschiedlichen Perspektiven (Praxis, Hochschule, Studierende der Sozialen Arbeit) betrachtet wurden. Der Projektcharakter zeigte sich auch im Vorgehen: Den Inhalt verbanden wir mit der didaktischen Gestaltung, entsprechend waren die von Studierenden selbst entwickelten und produzierten Filme nicht nur inhaltliches Endprodukt des Moduls, sondern auch Teil des Leistungsnachweises. (Der zweite Teil war ein reflexiver Abschlussbericht.) Doch will man in der Lehre und zusammen mit Studierenden erfolgreich Filme produzieren, gilt es einige Punkte zu beachten. Unsere hier vorgestellten Erfahrungen sollen einerseits inspirieren und zum Nachmachen animieren, andererseits weisen wir auch auf Herausforderungen hin, die es anzupacken gilt.  

Aufbau des didaktischen Designs 

Das Mastermodul umfasste insgesamt 3 ECTS, also rund 90 Stunden Workload. Als Modulverantwortliche waren wir grundsätzlich frei in der Gestaltung und Verteilung der Kontaktstunden und dem begleiteten bzw. autonomen Selbststudium. Wir wählten ein didaktisches Design mit Entwicklungsspielraum zugunsten der Studierenden, um die Heterogenität des “Filmemachens” adäquat mitzuberücksichtigen. Denn während einige (Studierende) den Dreh lange vorbereiten und sehr gezielt in wenigen Sequenzen filmen, sammeln andere ihr Filmmaterial über mehrere Wochen und entscheiden erst in der Postproduktion, welche Sequenzen es in den finalen Schnitt schaffen. Diesem gestalterischen Prozess galt es didaktisch Rechnung zu tragen, ohne den Inhalt aus dem Fokus zu verlieren.  

Wir starteten daher mit einer synchronen Einführungsveranstaltung, die einen inhaltlichen Input beinhaltete, aber auch das persönliche Kennenlernen und die Gruppenbildung ermöglichte. In einem weiteren Schritt stand ein Smartphonefilm-Workshop mit den Studierenden auf dem Programm, um bereits zu Beginn die technischen Grundlagen für das “Filmemachen” zu schaffen und den Studierenden mehr Flexibilität in der Steuerung des weiteren Produktionsprozesses zu geben. Wichtig war, auch technische und gestalterische Hürden in diesem Workshop zu thematisieren und anzugehen. Beispielsweise konnten die technische Ausstattung für Apple- und Android-Produkte sowie zugehörige Mikrofone, Kamera- und Schnittapplikationen gemeinsam getestet werden. Ebenso erhielten die Studierenden praktische Tipps zu Storytelling, Interview- und Filmtechniken und konnten diese vor Ort in Teilgruppen üben.  

Die Cadrage – matchentscheidend beim Filmen, Bild Menno Labruyère

Nach diesem inhaltlichen und filmtechnischen Grundstein trafen sich die Studierenden selbstorganisiert und erarbeiteten eine Fragestellung für eine der drei Perspektiven, welche die Ausgangslage ihres Films bildete. In einer Zeitspanne von sieben Wochen wurde recherchiert, wurden Hypothesen gebildet, Leitfragen erstellt, Adressat:innen und Wissensträger:innen aus Praxis- und Hochschulkontext gesucht und interviewt, es wurde gefilmt und geschnitten. In dieser Zeit boten wir als Sparring-Partner:innen in einem wöchentlichen synchronen Sprechstundenformat jeweils bedarfsorientiert inhaltliche und methodische Unterstützung beim Sichern der Ergebnisse und dem Erarbeiten der Filme. Für die gesamte Kommunikation im Modul wurde MS Teams verwendet, wobei die Studierenden hier die Möglichkeit hatten, auch asynchron via Chat-Funktion niederschwellig Fragen zu stellen, mit den Modulverantwortlichen und über ihren eigenen Kanal mit Kommiliton:innen in Kontakt zu treten oder Ideen und Fachbeiträge zu teilen.  

Im Rahmen einer Abschlussveranstaltung, die aufgrund der pandemischen Situation und entgegen der ursprünglichen Planung digital stattfinden musste, stellten die Studierenden schliesslich die Filme der Bachelor- und Masterstudiengangsleitungen und weiteren Gästen vor. Basierend auf den Filmen wurden die Erkenntnisse der Studierenden und deren Bedeutung für die inhaltliche Verankerung und Weiterentwicklung der Thematik in den Studiengängen diskutiert.  

Die Beurteilung der Leistungsnachweise erfolgte formativ (erfüllt/nicht erfüllt), denn unterschiedliche Kriterien wie beispielsweise der inhaltliche Fokus, die Abhängigkeit der Aussagekraft der Protagonist:innen in den Interviews oder die Ausgestaltung in der Postproduktion sind nur sehr schwer differenziert und transparent festzulegen. Eine summative Beurteilung hätte möglicherweise zudem eine einschränkende Auswirkung auf das filmische Resultat der Leistungsnachweise gehabt. 

Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Modul seitens Dozierenden und Studierenden 

Aus der Retrospektive zeigt sich: Das didaktische Design des Moduls hat sich grundsätzlich bewährt. Aber auch die Ergebnisse der inhaltlichen Bearbeitung – Filme wie Abschlussberichte – sind beachtlich. Die vier entstandenen Filme zeigen anschaulich und aus unterschiedlichen Perspektiven die Chancen und Risiken der Digitalisierung für die Soziale Arbeit auf und waren gute Impulsgeber für die Abschlussdiskussion. Ebenso wird deutlich, wie wichtig eine gelingende Kommunikation in projektbasierten Modulen ist. Die Wahl von MS Teams als Kommunikationstool war passend und ermöglichte uns kollaboratives Arbeiten sowohl synchron wie auch asynchron. Für den inhaltlichen Einstieg nutzten wir zusätzlich ein gemeinsam gestaltetes Miroboard. Darauf konnten die ersten Lernprozesse transparent geteilt werden, was das projektbasierte Arbeiten ersichtlicher machte. 

Screenshot des Miroboards, gute Unterstützung für projektbasiertes, asynchrones Arbeiten

Für die Studierenden bot sich durch die Auseinandersetzung mit dem Medium Film und dem Prozess des Filmemachens die Möglichkeit, sich anders als gewohnt mit einer für Studium und Praxis aktuellen Thematik auseinanderzusetzen, was sie in ihren Abschlussberichten entsprechend positiv beschrieben und reflektiert haben. Sie schätzten insbesondere, dass der Kompetenzerwerb dank des ungewohnten Formats besser gelungen und nachhaltiger gewesen sei. Gemäss einer Studentin sei dies unter anderem darauf zurückzuführen, dass sie über das Filmen und Führen von Expert:inneninterviews sehr nahe und konkret mit den aktuellen Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung in Kontakt gekommen sei. Die Studierenden erachteten schliesslich “Film als Leistungsnachweis” als gelungene Kombination zwischen Erarbeitung von wissenschaftlichem Wissen und der praktischen Umsetzung dieses Wissens, ganz im Sinne eines Theorie-Praxis-Transfers. Dabei konnten die Studierende kreative Techniken einsetzen, um das Video zu entwickeln und zu produzieren.

Screenshot aus dem Film «Perspektive Hochschule» von Laura Thomi und Michele Pizzera 

Herausfordernd war hingegen die Einschätzung des zeitlichen Aufwands für die Entwicklung und Produktion des Films. Die Studierenden konnten hier auf keine vergleichbaren Erfahrungswerte zurückgreifen und waren entsprechend stärker auf die Unterstützung und Einschätzung von uns Lehrenden angewiesen. Diese Unsicherheiten seitens Studierenden wurden durch die grosse Offenheit des didaktischen Designs bezüglich des Endprodukts verstärkt. Diese Offenheit war eine zweite Herausforderung und erforderte von den Studierenden eine hohe Ambiguitätstoleranz und Selbständigkeit. Die Masterstudierenden konnten mehrheitlich gut damit umgehen und entwickelten dadurch Eigeninitiative und Kreativität. Allerdings haben sich gewisse Studierende engere Vorgaben bezüglich des Endprodukts gewünscht, um eine bessere Orientierung zu haben. Als Modulverantwortliche versuchten wir dieses Spannungsfeld aufzunehmen und mithilfe von zusätzlichem Coaching und weiteren Inputs zu bewältigen, was grundsätzlich gut gelungen ist. Will man zukünftig auch im Bachelorstudiengang mit Film als Leistungsnachweis arbeiten, müsste sichergestellt sein, dass man eine gute Balance zwischen Offenheit und genügend Orientierung findet. Erfahrungsgemäss benötigen Studierende im Bachelor hier noch mehr Unterstützung als im Masterstudiengang. 

Die dritte Herausforderung waren datenschutzrechtliche Themen einer Filmproduktion, die im Mastermodul sehr bald kontrovers diskutiert wurden. Wem gehört das Filmmaterial und wer hat welche Rechte? Wer darf die Filme sehen? Wie wird nach der Präsentation der Filme mit diesen umgegangen? Aus der Retrospektive zeigt sich, dass wir als Modulverantwortlichen diese Fragen zu Beginn des Moduls zu wenig konkret mit den Studierenden thematisiert haben. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Studierenden auf datenschutzrechtliche Fragen und Problematiken sensibilisiert sind und eine Bearbeitung dieser Fragen einfordern. Beim Einsatz des Mediums “Film als Leistungsnachweis” sollte die Thematik also bereits zu Beginn angesprochen werden.  

Vom Pilotprojekt zu einem breiter einsetzbaren Leistungsnachweisformat 

Die gewonnenen Erfahrungen zu “Video als Leistungsnachweis” sind – trotz der genannten unterschiedlichen Herausforderungen – sehr positiv. In bzw. an einem Film lässt sich der Kompetenzerwerb gut überprüfen. Die Studierenden setzen sich inhaltlich intensiv mit dem gewählten Thema auseinander, der Theorie-Praxis-Transfer gelingt. Wir können den Einsatz von “Video als Leistungsnachweis” deshalb sehr empfehlen – solange die genannten Herausforderungen im didaktischen Design berücksichtigt werden. 

Quelle

Titelfoto von Colourbox.de


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