Der Begriff «Blended Learning» wird überall verwendet. Doch was bedeutet er?
«Blended Learning» ist ein didaktischer Begriff und bedeutet wörtlich übersetzt gemischtes Lernen (to blend = mischen). Der Begriff versucht, bestimmte didaktische Vorgaben eines Konzepts zu beschreiben. Die meistzitierten Definitionen sind jedoch sehr offen und vage. Garrison und Kanuka (2004) beschreiben Blended Learning beispielsweise als “durchdachte Integration” von face-to-face-Lernerfahrungen im Klassenzimmer mit Online-Lernerfahrungen. (S. 96)
Zwei Grössen, die in diversen didaktischen Settings des Blended Learnings eine Rolle spielen, sind Raum und Zeit. Entscheidend ist also, “wann” und “wo” Lernen im Gruppen- oder Klassenverbund stattfindet. Das “Wie” ist die wichtige Anschlussfrage, die sich aus der Kombination von räumlicher und zeitlicher Dimension wie auch aus den vorgesehenen Lernzielen, der Zielgruppe selbst, dem generellen Bildungsbedarf etc. ergibt, also jenen Grössen, die jedes didaktische Design sowieso entscheidend mitgestalten.
Die zeitliche Dimension von Blended Learning
Die zeitliche Dimension von Blended Learning beinhaltet nicht nur die Frage, wann eine Lernhandlung stattfindet, sondern vor allem auch die Frage nach der Gleichzeitigkeit bzw. der Nicht-Gleichzeitigkeit von Lernhandlungen seitens der Studierenden. Es geht also darum, ob die Studierenden zur Bearbeitung des Inhalts bzw. für eine Übung gleichzeitig online sein müssen (synchrones Lernen) und sich dazu zwingend am gleichen Ort befinden bzw. gleichzeitig auf einer Plattform eingeloggt sein müssen. Oder ob die Bearbeitung der Aufgabe auch gelingt, wenn Studierende nicht gleichzeitig daran arbeiten (asynchrones Lernen). In beiden Fällen ist Zusammenarbeit und Lernergebnisorientierung möglich und wird entsprechend geplant. So ist es z. B. möglich, dass eine Diskussion zu einem bestimmten Inhalt vollkommen online und asynchron stattfindet und ebenfalls zu guten Ergebnissen führt. Dafür muss das Zusammenspiel der beabsichtigten Lernhandlungen allerdings ideal aufeinander abgestimmt sein. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn eine Vorlesung aufgezeichnet wurde und von den Studierenden dann rezipiert werden kann, wenn sie Zeit dafür haben. Die Diskussion zu Fragen bezüglich des betreffenden Inhalts kann anschliessend in einem Diskussionsforum erfolgen. Wenn dieses moderiert und die Beiträge gesichtet und/oder bewertet werden, erfahren Studierende nicht nur eine Anerkennung ihrer Beiträge, sie erhalten gleichzeitig qualitativ hilfreiches und gutes Feedback seitens ihrer Peers und der Dozierenden.
Die räumliche Dimension von Blended Learning
Der zweite einflussreiche Parameter im Konzept Blended Learning ist der Raum, wo Lernen und Lehren stattfindet. Dabei kann es sich um einen materiellen Raum, also ein Zimmer in einem Gebäude an einem bestimmten Ort handeln. Lernen und Lehren kann aber auch im virtuellen Raum inszeniert werden, indem sich Studierende virtuell auf digitalen Kanälen wie Zoom für synchrone Veranstaltungen oder auf Lernplattformen wie Moodle für asynchrone Lern- bzw. Lehrhandlungen “treffen”.
Blended Learning zeichnet sich räumlich also durch die virtuelle und meist digitale (online) sowie durch die materielle oder physische Vor-Ort (onsite) Dimension aus. Auf einer XY-Achse von Raum und Zeit ergeben sich damit vier Bereiche, auf denen sich besagte Dimensionen von Blended Learning unterschiedlich manifestieren:
X-Achse: synchron – asynchron
Y-Achse: onsite (physisch) – online (virtuell)
Mit Klick auf das Bild kannst du die Umsetzung mit H5P in Moodle selbst ausprobieren (Selbsteinschreibung im Kurs).
Unter Blended Learning kann gemäss obiger Darstellung theoretisch ein vollkommen synchrones Onsite-Angebot (d.h. Präsenzunterricht, siehe Abbildung oben, Beispiel c) verstanden werden, andererseits auch ein vollkommen asynchrones Online-Angebot, welches im individuellen Tempo durchgearbeitet wird, wie etwa ein Online-Kurs in Moodle, (siehe Abbildung oben, Beispiel b). Die gängigsten Varianten von Blended Learning sind jedoch jene, die beispielsweise Face-to-face-Sitzungen mit interaktiven Online-Phasen kombinieren oder Online-Phasen mit synchroner wie asynchroner medialer Instruktion mit interaktiven Online-Methoden mischen. Alle möglichen Kombinationen von Face-to-Face-Unterricht mit Online-Methoden können so als Blended Learning bezeichnet werden. Gemäss Hrastinski (2019, 566f.) komme es bei der Frage, was Blended Learning ist, deshalb auf den Fokus der Institution oder der Lehrperson an und auf den Aspekt, dem man am meisten Gewicht beimessen möchte. Das Hauptaugenmerk innerhalb von Blended Learning-Konzepten könne beispielweise auf eine qualitative Verbesserung ausgerichtet sein, auf den Ausbau quantitativer Aspekte oder auch auf Konzepte für Zusammenarbeit in Gruppen oder im Klassenverbund. Hrastinski folgert daraus, dass Blended Learning zu einem Überbegriff (umbrella term) geworden sei, unter dem grundsätzlich alle Formen von Bildungsangeboten gemeint sind, die aus einer Kombination von Face-to-Face- und Online-Lernen bestehen. Was Blended Learning also heisst, müsse von Fall zu Fall definiert werden, damit nachvollziehbar wird, was konkret gemeint ist.
Vom Blended zum Digital Learning
Neue Publikationen zum Thema (u.a. Möslein-Tröppner und Bernhard) halten den Begriff Blended Learning bereits für überholt und sprechen neu von Digital Learning:
Mit dem Begriff Digital Learning werden neue Parameter gesetzt, andere begriffliche Dimensionen zusammengefasst. Doch auch dieser Begriff wird weiterer Klärung bedürfen. Denn: Wie kann Lernen als solches digital sein, wenn es immer noch in unseren Köpfen (und Körpern) stattfindet? Dazu ein anderes Mal mehr.
Literatur
Garrison, D. R. und Kanuka, H. (2004) Blended Learning: Uncovering its transformative potential in higher education. Internet and Higher Education, 7, 95–105. https://doi.org/10.1016/j.iheduc.2004.02.001.
Hrastinski, S. (2019), What do we mean by Blended Learning? TechTrends 63, 564–569. https://doi.org/10.1007/s11528-019-00375-5.
Möslein-Tröppner, B. und Bernhard, W. (2021) Digital Learning, Was es ist und wie es praktisch gestaltet werden kann. Wiesbaden: Springer.
Quellen
Titelfoto: Image by Manfred Steger from Pixabay