Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die Zukunftsfähigkeit der Autohäuser (Teil 1)

«Im April 2020 wurden 9’382 neue Fahrzeuge in der Schweiz immatrikuliert – das entspricht einem Minus von 67,2% zum Vorjahr.» Solche Meldungen illustrieren die gegenwärtige prekäre Lage im automobilen Umfeld der Schweiz. Noch vor sechs Monaten hätten nur die wenigsten von uns gedacht, dass die Automobilbranche in die schlimmste Krise seit der Ölkrise 1973 schlittert und viele Autohäuser mit grossen Sorgen und Unsicherheiten in die Zukunft blicken…

Es mag für viele überraschend klingen, aber gemäss dem AGVS (Auto Gewerbe Verband Schweiz) hängt jeder achte Arbeitsplatz in der Schweiz direkt oder indirekt vom Auto ab. Mit 91’100 Personen arbeiten in der Automobilbranche in der Schweiz mehr als doppelt so viele Menschen wie zum Beispiel in der Pharmaindustrie.

Die Händlerbetriebe stehen aktuell vor zahlreichen Herausforderungen: Während des Lockdowns war es zwar möglich, Arbeiten im After-Sales-Bereich auszuführen, doch der Verkauf kam nahezu komplett zum Erliegen. Es wäre theoretisch möglich gewesen, Fahrzeuge online zu verkaufen und Kundinnen und Kunden digital zu beraten – etwa mit Hilfe von Zoom-Präsentationen. Doch die Konsumentinnen und Konsumenten waren nur in Ausnahmefällen in Kaufstimmung. Nach dem Lockdown stehen die Händler jetzt vor den nächsten Hürden: Die Produktionswerke müssen erst wieder hochgefahren werden, wodurch den Kundinnen und Kunden keine wirklich verlässlichen Lieferzeiten angegeben werden können.

Allein diese ausgewählten Aspekte zeigen klar auf, wie relevant es ist, den Einfluss der COVID-19-Krise auf die Automobilbranche näher zu untersuchen. Dieses Ziel verfolgen die beiden Dozenten Andreas Block und Mario Gellrich im Forschungsprojekt «Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die Zukunftsfähigkeit der Autohäuser». Der Fokus liegt auf der Frage, welche Ängste, Unsicherheiten, Sorgen, Zukunftsaussichten und Hoffnungen die Verantwortlichen in den Autohäusern aktuell beschäftigen. Das Projekt untersucht die Stimmung zu drei Zeitpunkten: Ende 2019, in der Zeit während des Lockdowns von März bis Mai und in der Zeit nach dem Lockdown. Die Forschungsergebnisse sollen Erkenntnisse dazu liefern, was die Autohäuser – aber auch die Importeure und die Politik – unternehmen müssen, um die Zukunftsfähigkeit der Autohäuser nachhaltig sicherzustellen.

Die Studie wird in den deutsch-, französisch- und italienischsprachigen Landesteilen durchgeführt, um repräsentative Aussagen machen zu können und die Spezifika der Sprachregionen zu berücksichtigen. Angesichts der Aktualität des Themas hat sich zusätzlich die Option ergeben, durch eine Kooperation mit der Fachzeitschrift AUTOHAUS eine analoge Studie in Deutschland durchzuführen. Die Studienautoren arbeiten dabei mit dem identischen Fragenset, um die Ergebnisse auch länderübergreifend vergleichen zu können.

Eine Grobanalyse des Rücklaufs der ersten Fragebogen zeigt, dass die Autohäuser Ende 2019 die Zukunft für die kommenden 24 Monate trotz der Umweltdiskussion um die Individualmobilität noch sehr positiv sahen. Dieses Bild hat sich zwischenzeitlich stark geändert: Während im After Sales – der traditionell als «der Ertragsgarant» eines Autohauses gilt – die Zukunft tendenziell verhalten positiv gesehen wird, hat sich das Stimmungsbarometer im Verkaufsbereich deutlich abgekühlt. Interessant ist zudem die Erkenntnis, dass die Entscheidungstragenden rückblickend der Meinung sind, sie hätten in den vergangenen 24 Monaten im eigenen Betrieb den Aspekten «Strategieentwicklung», «Digitalisierung», «Verkaufsplanung und -steuerung» und «Aufbau neuer Geschäftsfelder» noch mehr Aufmerksamkeit widmen sollen. Die Projektverantwortlichen sind vor diesem Hintergrund schon sehr gespannt, wie das Bild aussehen wird, wenn sie das gesamte Datenset analysieren und in die Details einsteigen konnten.

Ein Beitrag von Dr. Andreas Block


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