Interview von Urban Lim
Die Hochschulbibliothek der ZHAW hat erstmalig einen interaktiven Parcours für Studierende durchgeführt. Im Interview erklärt Esther Bättig, Informations- und Dokumentationsspezialistin, weshalb die Hochschulbibliothek diese neue Form der Informationsvermittlung gewählt hat.
Die Hochschulbibliothek der ZHAW lässt sich neu auch über eine App entdecken. Wie muss man sich das vorstellen?
Studierende laden sich die App Actionbound auf ihr Smartphone oder Tablet und erkunden in Gruppen die Hochschulbibliothek. Sie lösen gemeinsam in spielerischer Art und Weise verschiedene Aufgaben. Diese Aufgaben sind darauf ausgerichtet, Situationen eines realen Bibliotheksbesuchs abzubilden. Studierende sollen sich räumlich orientieren können, den Bestand und Funktionen der verfügbaren technischen Infrastrukturen kennenlernen. Der Vorteil dieser Lernform besteht darin, dass Studierende sich in kleinen Gruppen Inhalte selbst aneignen und ihr Tempo selbst bestimmen können. Bei Bedarf steht das Bibliothekspersonal für Fragen natürlich zur Verfügung.
Was war die Motivation dazu?
Seit 2015 sind die Teilbibliotheken am Standort Winterthur neu gemeinsam auf dem Sulzer-Areal. Durch die Zentralisierung ist die Bibliothek viel grösser, aber auch komplexer geworden. Die Infrastrukturen sind nicht alle selbsterklärend. Es gibt hier zum Beispiel die Selbstausleihe, die Selbstabholung und -Rückgabe. Zudem sind keine Kopiergeräte für die KundInnen vorhanden. Dies erfordert Unterstützung durch die Hochschulbibliothek. Ein weiterer Effekt des neuen Standorts war die Zunahme von Anfragen für Führungen, sowohl innerhalb der ZHAW als auch von Externen. Der Personal- und Zeitaufwand für die Koordination von Führungen vor allem zu Semesterbeginn ist sehr hoch und wird bald unsere Möglichkeiten übersteigen. Daher suchten wir nach Alternativen und stiessen auf die Idee einer Schnitzeljagd mit Actionbound.
Das klingt nach einem Ersatz des Bibliothekspersonals bei Führungen.
Es kann sowohl Ersatz als auch Ergänzung sein. Der Unterschied zur klassischen Führung liegt für die Studierenden darin, dass sie nicht einfach passiv durch die Bibliothek geführt werden, sondern eben aktiv Aufgaben bearbeiten. Darin sehe ich einen Mehrwert.
Wie kommt die virtuelle Tour bei den Studierenden an?
Wir haben die Studierenden des Pilotdurchgangs im Nachhinein befragt. Was sie geschätzt haben, ist tatsächlich das selbstständige Erforschen und Kennenlernen der Hochschulbibliothek auf spielerische Art und Weise. Gleichwohl ist ihnen jedoch der persönliche Kontakt wichtig, der mit einer Führung natürlich besser zum Tragen kommt. Die Befürchtung, Studierende könnten mit dem Parcours alleine nicht zurechtkommen, hat sich nicht bestätigt.
Wie steht das Bibliotheksteam zu dieser Art der Informationsvermittlung?
Grundsätzlich ist der Einsatz von E-Learning an der Hochschulbibliothek etabliert und akzeptiert. Die Form wurde mehrheitlich als positiv wahrgenommen. Dennoch gibt es Ängste, den persönlichen Kontakt mit Studierenden durch den alleinigen Einsatz dieser Art des Wissenserwerbs zu verlieren.
Welche Lehren zieht die Hochschulbibliothek aus dem ersten Durchgang?
Der Parcours wurde sowohl am Standort Zürich wie auch am Standort Winterthur durchgeführt. Am Standort Zürich konnten die Studierenden über ein Semester hinweg freiwillig den Bound durchführen. Am Standort Winterthur war der Parcours in ein Modul integriert, der Präsenzunterricht fand direkt in der Hochschulbibliothek statt. Im Anschluss wollten alle Studierenden gleichzeitig den Parcours durchführen. Dies führte zu räumlichen Engpässen. Wir werden die Aufgaben in den Bounds dementsprechend anpassen, sodass wir eine örtliche Ballung künftig vermeiden können.
Was ist in Zukunft noch geplant?
Im Herbstsemester 2017 setzen wir die Bounds in verschiedenen Kursen als Ergänzung oder Ersatz von Führungen wieder ein. Wir möchten ein zeitgemässes Angebot für Studierende anbieten, welches Freude bereiten soll – gleichwohl aber den hohen Personalaufwand zu Beginn des Semesters senken. Nach Möglichkeit natürlich ohne Einbussen bei der Inhaltsvermittlung.
Meinungen von Studierenden
«Es war eine gute Idee, um selbst zu erforschen, wo alles ist und wie man die Dinge am besten findet. Vor allem das Suchen des richtigen Buches konnte dadurch sehr gut gelernt werden.»
«Gute unterhaltsame Idee, die Bibliothekseinführung zu gestalten.»
«Es ist eine gute Idee, das einzige, was ich anders gemacht hätte, wäre dafür zu sorgen, dass nicht eine Horde von Studenten das gleiche Buch/Magazin anschauen müssen.»
«Actionbound war gut, klassische Führung aber dennoch sinnvoll.»
Ergebnisse einer Aufgabe: Welcher Arbeitsplatz gefällt Ihnen in der Lernlandschaft am besten?
Interview von Urban Lim