Ein Beitrag von Lucien Bion, David Bühlmann, Michael Edelmann, Stefan Höck, Thomas Keller und Susanne Kern
Vor der Verwendung von Computern gab es im Chemielabor nur eine Möglichkeit chemische Experimente und deren Resultate festzuhalten: Das handschriftliche Verfassen eines Laborjournals war und ist zum Teil heute noch das A und O im Laboralltag. Im Zuge der digitalen Transformation ist das obligatorische Laborjournal ebenfalls im Begriff digitalisiert zu werden.
Die Coronakrise beschleunigt diesen Wandel und zeigt auf, wie wichtig permanent verfügbare Daten sind, auf die auch vom Home-Office aus zugegriffen werden kann. Zudem wird der digitale Zugang zu wissenschaftlichen Experimenten die bevorstehenden Umzüge verschiedener Abteilungen an der ZHAW in Wädenswil erleichtern.
Ausbildung auf dem neuesten Stand
Um mit der Digitalisierung Schritt zu halten, haben wir bei uns in der Analytischen Chemie am Institut Chemie und Biotechnologie (ICBT) ein webbasiertes, open source verfügbares Elektronisches Laborjournal (Electronic Lab Notebook, ELN) installiert und wollen dieses im täglichen Einsatz durch Studierende (Bachelorstudium Chemie), Lernende (Laborant/in EFZ Chemie) sowie Mitarbeitenden auf Herz und Nieren testen. In naher Zukunft soll zum ELN zusätzlich eine Verknüpfung mit einer ZHAW-intern entwickelten, intelligenten Chemiedatenbank, CyBy2 genannt, ermöglicht werden. CyBy2 wird von uns verwendet, um die Chemikalienbestände am gesamten Institut zu verwalten.
Im Elektronischen Laborjournal (ELN) sehen wir viele Vorteile. Zum einen bringen wir mit diesem Schritt die Ausbildung im Chemielabor auf den neusten Stand und fördern die notwendige Medienkompetenz. Zum anderen wenden die Studierenden, die Lernenden und Mitarbeitenden das Datenmanagement nach den FAIR-Prinzip (FAIR: Findable, Accessible, Interoperable, Reusable) an. Von der Planung übers Experiment bis zur Auswertung sollen die Studierenden ihre Einträge elektronisch verfassen, welche von den Mitarbeitenden für Publikationen, für die Archivierung resp. Wiederverwendung weitergepflegt werden.
Zusammenfassung: das Projekt und seine Ergebnisse
Während des Frühlingssemesters 2021 sowie im folgenden Herbstsemester 2021 wurde den Studierenden des Bachelorstudiengangs Chemie, den Lernenden und Mitarbeitenden, welche im Bereich instrumenteller Analyse oder chemischer Synthese arbeiten, Zugang zu einem Elektronischen Laborjournal (ELN) ermöglicht, um so alle mit diesem zukunftsträchtigen Tool vertraut zu machen. Für den Härtetest im Chemielabor zu Corona-Zeiten haben wir uns hierbei für das kostenlos verfügbare eLabFTW entschieden. Grundlage dieses Entscheides war insbesondere das erleichterte Teilen von wissenschaftlichen Daten sowie die vereinfachte Überprüfung der Labordokumentation. Dabei zeigte sich, dass insbesondere die Medienkompetenz der Anwender*innen geschult wurde.
Die Rückmeldungen der Studierenden und Mitarbeitenden bezüglich des eLabFTW sind zweischneidig, das Prinzip eines ELN fand jedoch eine grosse Mehrheit grundsätzlich gut. Dabei wurde insbesondere der gemeinsame Zugriff auf dasselbe Laborjournal bei Teamarbeiten als praktisch empfunden. Dem entgegen kristallisierten sich aus der Umfrage auch gewisse Nachteile heraus. Auffallend oft wurde bemängelt, dass ein PC oder ein Tablet zum Laborarbeitsplatz mitgenommen werden muss und Arbeiten mit dem eLabFTW nicht komplett synchron getätigt werden können. Diese Rückmeldungen fliessen nun in zukünftige Projekte ein, so dass eine zielgerichtete Weiterentwicklung des ELN ermöglicht wird. Vor allem eine chemisch intelligente Suchfunktion, welche mit dem eLabFTW nicht möglich ist, könnte durch eine Kombination mit der bestehenden Datenbank CyBy2 erweitert werden. Die vielen aktuellen Experimente, die mit dem neuen ELN freiwillig protokolliert wurden, zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Rückmeldungen der Studierenden
Zusammengefasst waren die Rückmeldungen der Studierenden (Moodle-Evaluation über zwei Semester), welche eLabFTW genutzt haben, die folgenden:
Vorteile
- Der Zugriff auf das webbasierte eLabFTW ist ortsunabhängig und gleichzeitig für mehrere Personen möglich,
- Korrekturen können einfach angebracht werden,
- Das generierte pdf-Dokument ist gut lesbar,
- Praktischer “Zeitstempel” für die die nachvollziehbare Protokollierung der Änderungen zur Beweissicherung sowie eine elektronische Signatur.
Nachteile
- Ein gemeinsames Bearbeiten im Stil von Microsoft Word ist nicht möglich,
- Die Formatierung ist umständlich,
- Das Erfassen von chemischen Formeln, Tabellen und der mathematische Formeleditor sind umständlich,
- Ein elektronisches Gerät muss zum Laborarbeitsplatz mitgenommen werden.
Mehr als die Hälfte der Studierenden würde ein Elektronisches Labourjournal (ELN) dem handgeschriebenen Laborjournal vorziehen. Das aktuell verwendete eLabFTW betrachten sie aber als nicht vollständig geeignet.
Evaluation und Lessons Learned für Mitarbeitende
Unter den Mitarbeitenden und Lernenden ist die Akzeptanz zur Nutzung des eLabFTW grösser. Allgemein ist dieses Tool gut zu gebrauchen und erleichtert das Arbeiten von Zuhause, was auch gerade aktuell während der Corona-Pandemie eine wichtige Eigenschaft ist. Schwächen sehen wir beim elabFTW speziell beim Integrieren von Formeln und chemischen Strukturen. Die Kritik, dass man nicht zur selben Zeit an einem Dokument arbeiten kann, ist für Mitarbeitende und Lernende weniger relevant, da das Journal von jeder Person einzeln geschrieben wird. Für die Arbeit mit den Studierenden in zweier Gruppen bedeutet es, dass sie besser im Umgang mit der Software angeleitet werden sollten, um das Tool erfolgreich nutzen zu können. Hinzu kommt, dass die Open-Source eLabFTW kontinuierlich weiterentwickelt und zunehmend benutzerfreundlicher wird.
Drei Empfehlungen für Lehrpersonen, die mit einem Elektronischen Labourjournal (ELN) arbeiten wollen:
- Keep it simple! Eine einfach zu bedienende Software mit wenigen Einstellungsmöglichkeiten erfüllt vielfach den Zweck.
- Gegen Google Docs und Co kommt man in Sachen Benutzerfreundlichkeit und Funktionen mit dieser ELN Software von eLabFTW aktuell noch kaum an.
- Es ist wichtig, das eLabFTW neuen Nutzerinnen und Nutzern gut zu erklären und die verschiedenen Funktionen dieses Tools einzuführen.
ZHAW-interne ELN-Lösung: Chemische Datenbank mit einem Elektronischen Laborjournal (ELN) vereinen
Ein Elektronisches Laborjournal (ELN) bietet viele Vorteile, welche es nun in das geplante ZHAW-interne ELN zu integrieren gilt. Damit hätten Studierende wie auch Mitarbeitende Zugriff auf ein Tool welches eine chemische Datenbank mit einem Elektronisches Laborjournal (ELN) vereint.
Da die Erwartungen an ein Elektronisches Labourjournal (ELN) sehr von der Zielgruppe abhängig ist, erscheint es lohnend, die ELN-Funktionalität direkt in die CyBy2-Datenbank zu integrieren, welches von einigen Gruppen bereits als «Laborjournal-Light» für die Synthese organisch-chemischer Substanzen genutzt wird. Dies hätte den Vorteil, dass wir an der ZHAW sehr einfach Änderungen an der Software vornehmen können, so dass unsere wichtigsten Bedürfnisse abgedeckt sind. CyBy2 hat die nötige Funktionalität zur Projektverwaltung und zur Verwaltung chemischer Strukturen (inklusive (Sub-)Struktursuche) bereits integriert. Ein Upgrade zu einem vollwertigen Elektronischen Laborjournal könnte schrittweise unter Einbezug der gemachten Erfahrungen und der eingeholten Rückmeldungen der Benutzerinnen und Benutzer erfolgen. Die dazu nötigen Programmierarbeiten sind bereits in Gange und sollen in den kommenden Monaten weitergeführt werden.
Literatur
ELN generell:
R. Kwok, How to pick an electronic laboratory notebook, Nature 560, 269-270 (2018): doi: https://doi.org/10.1038/d41586-018-05895-3
eLabFTW:
N. Carpi, Institut Curie, Paris, free and open source electronic lab notebook eLabFTW: https://www.elabftw.net/
CyBy2:
S. Höck, R. Riedl, CyBy2: A Structure-based Data Management Tool for Chemical and Biological Data, Chimia 66, 132 (2021). https://doi.org/10.2533/chimia.2012.132a
FAIR-Prinzip:
Wilkinson, M., et al. The FAIR Guiding Principles for scientific data management and stewardship. Sci Data 3, 160018 (2016). https://doi.org/10.1038/sdata.2016.18
Titelbild
Vom handschriftlichen Verfassen eines Laborjournals zum Elektronischen Laborjournal (ELN) im Chemielabor. Quelle der Bilder: Hochschule Niederrhein (https://www.hs-niederrhein.de/textil-bekleidungstechnik/fachbereich/geschichte/), eigenes Foto (Laborjournal von David Bühlmann), PrintScreen von einem studentischen Eintrag ins eLabFTW, Colourbox 2020, Fotograf Brüderli