Ein Beitrag von Julia Halter
Die Graugrüne Borstenhirse ist ein invasiver Neophyt. Durch den Klimawandel und die Intensivierung der Landwirtschaft breitet sich die Borstenhirse in der Schweiz immer weiter aus und verdrängt für den Futterbau relevante Pflanzenarten. Und dies mit verheerenden ökologischen und wirtschaftlichen Folgen. Wissen die Landwirt*innen, was auf sie zukommt?
Neophyt auf dem Vormarsch
Die Graugrüne Borstenhirse (Setaria pumila) ist ein einjähriges, schwer kontrollierbares Unkraut. Im Sommer ist sie besonders konkurrenzstark, wenn die anderen Gräser unter der Hitze und Trockenheit leiden. Ursprünglich kam sie im Ackerland an südexponierten Hängen und Böden mit wenig Humus vor. Von dort aus breitete sie sich bis ins Grasland aus. Heute etabliert sie sich auch auf tiefgründigen Böden vom Tal bis in zunehmend höhere Lagen 1. In der Schweiz kämpft das Tessin stark mit der Borstenhirseproblematik, zunehmend aber auch weitere Kantone wie Ob- und Nidwalden 2.
Auswirkungen auf Flora und Fauna
Die Borstenhirse hinterlässt im Winter Lücken im Bestand, welche im Frühling durch Problempflanzen und Ungräser besetzt werden. Durch den Klimawandel werden die Sommer immer trockener. Das führt im späteren Aufwuchs zu einem Massenauftreten der Hirse. Flächen mit Borstenhirsen liefern nur geringwertiges Futter.
Bei den Rindern führt der Verzehr zu Verletzungen im Mund, begünstigt Eiterabszesse im Rachenbereich und unter der Zunge 2.
Der Mensch als Mitverursacher
Die starke Verbreitung liegt nicht nur am Klimawandel, sondern auch an der Überintensivierung der Landwirtschaft durch den Menschen. Der Einsatz von leistungsfähigen Maschinen führt zu einer beschleunigten Ausbreitung der Samen und zu Spurschäden in der Grasnarbe 3. Diese Lücken werden rasch durch die Hirse besetzt. Ein weiteres Problem ist, dass die Hirse vermehrt im Heu landet und vom Vieh verzehrt wird. Nach dem Fressen wird die Hirse wieder ausgeschieden. Dadurch gelangen deren Samen in den Mist und schlussendlich wieder aufs Land 4. Ein unerwünschter Teufelskreis beginnt. Durch den überbetrieblichen Gülletransport und die Auslagerung von Arbeiten an Lohnunternehmen wird die Verbreitung zusätzlich gefördert.
Anpassung der Bewirtschaftungsmethoden
Eine mögliche Lösung für die Regulierung liegt im Anpassen der Bewirtschaftungsmethoden. Um Lücken in der Grasnarbe vorzubeugen, sollten Spur- und Trittschäden vermieden werden. Besonders bei südexponierten Flächen sollte die Wiese höher und nicht zu häufig geschnitten werden 5. Im Winter stirbt die Hirse ab. Entstandene Lücken können im Frühling durch Übersaaten geschlossen werden. So kann ein ausgewogener, dichter Bestand gefördert werden. Optimal wäre eine Mähweidenutzung des Graslandes 3.
Das Problem darf nicht unterschätzt werden
Die Borstenhirse kommt vor allem auf intensiv bewirtschafteten Flächen vor. In jungen Kunstwiesen oder extensiven Wiesen sind sie nur selten anzutreffen 5. Der Fokus muss deshalb auf eine standortangepasste Bewirtschaftung gelegt werden. Sollte sich diese Einsicht bei den Betriebsleitenden erst in ein paar Jahrzehnten durchsetzen, ist es womöglich bereits zu spät. Sie ist nicht nur in der Schweiz ein gefürchtetes Unkraut, sondern auch in anderen Ländern. In Neuseeland wurde mit einem Klimamodell gezeigt, dass das Verbreitungsgebiet durch den Klimawandel stetig zunimmt 6 und auch dort werden laufend neue, bisher unproblematische Flächen befallen 4. Eine Eindämmung erfordert also den überkantonalen und länderübergreifenden Austausch zwischen Behörden, Forschenden, Beratung und Praxis. Haben wir so vielleicht eine Chance, den Teufelskreis zu durchbrechen? Ich hoffe es.
Dieser Blog-Beitrag entstand im Rahmen des Bachelormoduls «Welternährungssysteme» des Studiengangs Umweltingenieurwesen am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen der ZHAW im Frühlingssemester 2023.
Literatur
- AGFF. Wiesenpflanzen kennen. Graugrüne Borstenhirse https://www.eagff.ch/wiesenpflanzen-kennen/graeser/merkmale-pro-art/graugruene-borstenhirse.
- Huguenin, O., Zbinden, M., Schmid, H. & Wyrsch, P. Hirsen in Wiesen und Weiden. (2021).
- James, T. K., Trolove, M. R. & Dowsett, C. A. Roadside mowing spreads yellow bristle grass (Setaria pumila) seeds further than by natural dispersal. Weeds 72, 153–157 (2019). https://doi.org/10.30843/nzpp.2019.72.246
- Tozer, K. N. & Cameron, C. A. Sweet success? Managing yellow bristle grass (Setaria pumila) with grazing attractants in dairy pastures. Proceedings of the New Zealand Grassland Association 71, 43–47 (2009).
- Barmettler, A. et al. Klima- und standortangepasste Bewirtschaftung gegen Problempflanzen im Grasland, 2016-2021. 42 (2022).
- Lamoureaux, S. L. & Bourdôt, G. W. The potential distribution of yellow bristle grass (Setaria pumila) in New Zealand. Weeds & insects in pasture 67, 226–230 (2014).