Wie werden Alternative Ernährungssysteme sozial inklusiv?

Ein Beitrag von Nadine Geissmann

Abbildung 1: Können Alternative Ernährungssysteme sozial inklusiv sein? – eigene Illustration

Alternative Ernährungssysteme stellen eine wichtige Ausweichmöglichkeit zum herkömmlichen Lebensmittelnetzwerk dar. Obwohl solche alternativen Lösungen viele Vorteile mit sich bringen, haben sie auch den Nachteil, dass sie sozial exklusiv sind und nur bestimmte Bevölkerungsgruppen ansprechen. Forschungen im österreichischen Graz suchen nach Lösungsansätzen, wie alternative Lebensmittelnetzwerke sozial inklusiv gestaltet werden können.

Warum es Veränderung braucht

Die herkömmlichen Ernährungssysteme weisen viele Schwachstellen auf. So sind sie mitverantwortlich für die Zerstörung der Umwelt und soziale Ungleichheiten. Exzessive Treibhausgasemissionen, Biodiversitätsverlust, Landdegradation, sowie Hunger, Fehlernährung und Armut sind eng verbunden damit, wie wir Nahrungsmittel produzieren, verteilen und konsumieren3. Ein möglicher Weg zu einem nachhaltigeren Lebensmittelnetzwerk stellen Alternative Ernährungssysteme (AES) dar.

Alternative Ernährungssysteme

Marktbasierte, alternative Ernährungssysteme gibt es in verschiedenen Formen. Zu ihnen werden Hofläden, Märkte, Gemüse- und Früchteabos und gemeinschaftsbasierte alternative Ernährungssysteme wie solidarische Landwirtschaft, Kooperativen, Gemeinschaftsgärten und Mitgliederläden gezählt5. Alle diese Ernährungssysteme haben gemeinsam, dass sie vom konventionellen und industriellen Weg abweichen. AES fokussieren auf eine sozial und ökologisch nachhaltigere Praxis im Bereich Lebensmittelproduktion4. Elemente um dies umzusetzen sind meist holistische Nahrungsmittelproduktionsweisen, kleinere Farmen, direkte Marketingstrategien und kurze Distanzen zwischen Produzierenden und Konsumierenden. Ernährungssysteme sollen so auch lokaler werden1.

Herausforderung der sozialen Inklusion in AES

Trotz dem grossen Potenzial von AES, das Ernährungssystem zu ändern, kämpfen auch die alternativen Systeme mit Problemen. So sind AES oftmals nicht sozial inklusiv. Verschiedene Hürden stehen Mitgliedern respektive Konsumierenden von AES im Weg. So stellen beispielsweise Aspekte von Zeit und Ort, Bewusstsein, Finanzierung und Alphabetisierung Hindernisse für Konsumierende aus verschiedenen sozialen Klassen dar5. Wie ich aus einem Gespräch mit dem Geografen David Steinwender erfahren habe, können die Identität und das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe auch eine grosse Hürde sein. Daher ist auch eine der grössten Schwierigkeiten, dass es nicht ein einziges Modell von AES gibt, das alle Gruppierungen inkludiert und für alle Stadtviertel und Regionen funktionieren würde.

Forschung und Lösungsansätze von Graz

In sozial benachteiligten Stadtvierteln von Graz, Österreich wird das Problem der sozialen Exklusivität von AES angegangen. Im Rahmen des Projekts «CoopsForFood», das in zwei Gemeinschaftszentren realisiert wird, sollen Barrieren abgebaut werden5. Mittels genossenschaftlicher Strukturen soll das Konzept sozial und ökonomisch niederschwelliger gestaltet werden, sodass es potenziell zu einem neuen Mainstream werden kann2. Laut David Steinwender stellt der Kernpunkt dieses Prozesses das Befragen von Anwohnenden dar, um konkrete Bedürfnisse für sozial inklusive AES zu finden. In einem späteren Schritt sollen verschiedene, den Bedürfnissen angepasste Modelle ausprobiert werden. So soll über Zeit durch «Trial und Error» herausgefunden werden, welche Projekte sich für welche Gruppierungen eignen. Da das Projekt noch mitten im Realisierungsprozess steht, gibt es noch keine konkreten Resultate zu Herangehensweisen, die gut funktionieren.

Fazit

AES stellen einen möglichen Weg dar, um die dringend notwendige Veränderung in unserem Ernährungssystem herbeizuführen. Es gibt jedoch noch einige Hürden, die abgebaut werden müssen, um AES sozial inklusiv zu gestalten. Der Übergang von AES als Mainstream-Alternative zu AES als alternativen Mainstream wird wahrscheinlich noch einige Jahre beanspruchen und diverse Herausforderungen mit sich bringen. Forschung mittels Projekten wie jenem in Graz, wird diesen Prozess vorantreiben. Um weitere Degradierung der Natur durch die Landwirtschaft möglichst zeitnah aufzuhalten, sind jedoch dringend mehr Projekte in diesem Bereich nötig.


Dieser Blog-Beitrag entstand im Rahmen des Mastermoduls «Agroecology and Food Systems» des Studiengangs Umwelt und Natürliche Ressourcen am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen der ZHAW im Herbstsemester 2022.


Literatur

  1. Barbera, F. & Dagnes, J. (2016). Building Alternatives from the Bottom-up: The Case of Alternative Food Networks. Agriculture and Agricultural Science Procedia, 8 (2016), 324-331.
  2. CoopsForFood. Diverse Economies of Sustainable Food: Von Mainstream-Alternativen zum alternativen Mainstream. Link:https://regional-centre-of-expertise.uni-graz.at/de/projekte/laufende-projekte/coopsforfood/ (Abfrage: 13.10.22).
  3. El Bilali, H., Callenius, C., Strassner, C., Probst, L. (2019). Food and nutrition security and sustainability transitions in food systems. Food and Energy Security, 8(02).
  4. Fourat, E., Closson, C., Holzemer, L., & Hudon, M. (2020). Social inclusion in an alternative food network: Values, practices and tensions. Journal of Rural Studies, 76, 49-57.
  5. Steinwender, D., Karner, S. (2020). CoopsForFood: Creating socially inclusive food supply systems through food hubs – the example of Graz. Interdisciplinary Research Centre for Technology, Work and Culture, Austria Abstract Video PowerPoint.

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