Ein Beitrag von Jasmin Hufschmid
Die zunehmende Erwärmung des Klimas ist heute eindeutig belegt (IPCC, 2014). Neben der Anpassung an den Klimawandel (Adaptation) gehört die Reduktion von Treibhausgasemissionen (Mitigation) zu den aktuell wichtigsten Herausforderungen. Auch die Schweizer Landwirtschaft muss sich diesen Herausforderungen stellen. Sie befindet sich in Bezug auf den Klimawandel in einer Doppelrolle. Einerseits ist sie direkt von der Klimaveränderung betroffen, andererseits trägt sie durch die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen zur globalen Erwärmung bei (BLW, 2011).
Stagnierende Treibhausgasemissionen aus dem Schweizer Landwirtschaftssektor
Nach den Sektoren Verkehr, Industrie und Haushalte verfügt der Landwirtschaftssektor über den vierthöchsten Treibhausgasausstoss (BAFU, 2020). Innerhalb des Sektors überwiegen die Methanemissionen (61.4 Prozent), gefolgt von den Lachgasemissionen (29 Prozent) und den CO2-Emissionen (9.6 Prozent). Gegenüber 1990 nahmen die landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen um 12.2 Prozent ab. Der Rückgang ist hauptsächlich auf die Reduktion des Rindviehbestandes und dem verminderten Einsatz von mineralischen Stickstoffdüngern zurückzuführen. Die Reduktion erfolgte im Wesentlichen vor 2003 (BLW, 2011). Seit 2004 stagnieren die Gesamtemissionen (BAFU, 2020). Aktuell werden die Entwicklungsziele von landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen nicht erreicht (BLW & BAFU, 2016). Zusätzliche Anstrengungen sind vor dem Hintergrund der heutigen Klimaproblematik dringend notwendig.
Diffuse klimapolitische Rahmenbedingungen
In den vergangenen Jahren wurden dem Agrarsektor keine verbindlichen Reduktionsziele gesetzt. Zukünftig soll die Landwirtschaft im totalrevidierten CO2-Gesetz vermehrt in die Klimapolitik miteinbezogen werden (Schweizerische Eidgenossenschaft, 2020). Trotzdem sind im überarbeiteten Gesetz keine direkten Massnahmen zur Emissionsreduktion vorgesehen. Es bleibt offen, ob der Agrarsektor den vorgeschlagenen Reduktionsbeitrag von 20 bis 25 Prozent für das Jahr 2030 gegenüber dem Basisjahr 1990 primär durch Massnahmen in der Landwirtschaftsgesetzgebung und die Weiterentwicklung der Agrarpolitik erreichen wird (Schweizerische Eidgenossenschaft, 2017). Dies vor allem nachdem der Ständerat die vielversprechende AP22+ sistierte und somit die drängenden Herausforderungen der Landwirtschaft ignoriert.
Klimaschutzmassnahmen in der Schweizer Landwirtschaft
Zurzeit werden unterschiedliche Klimaschutzmassnahmen für die Landwirtschaft diskutiert und erforscht. Bislang fehlte eine Gesamtübersicht der diskutierten Klimaschutzmassnahmen. Im Rahmen meiner Semesterarbeit an der ZHAW konnte ich 73 Klimaschutzmassnahmen für die Schweizer Landwirtschaft in den drei Bereichen landwirtschaftlicher Energiebedarf, landwirtschaftlicher Pflanzenbau und landwirtschaftliche Tierhaltung zusammentragen. Die Umsetzung von Massnahmen in der landwirtschaftlichen Praxis erweist sich jedoch als eine vielschichtige Herausforderung (Alig et al., 2015).
Stellenwert von Klimaschutz in der landwirtschaftlichen Beratung
Der Stellenwert von Klimaschutzmassnahmen in der landwirtschaftlichen Beratung wurde durch qualitative Befragungen mit erfahrenen Beratungspersonen untersucht. Die befragten Personen empfinden den Stellenwert momentan als zu gering. Klimaschutz sei von der landwirtschaftlichen Beratung noch nicht als übergeordneter Bereich aufgegriffen worden. Klimaschutzthemen würden dann aktuell werden, wenn die Agrarpolitik konkrete Ziele formuliert. Dann müsse das bestehende Wissen der FachberaterInnen mit Klimaschutzmassnahmen ausgebaut werden. Beraterinnen müssen verstehen, dass viele Massnahmen nicht neu sind und bereits viel Wissen vorhanden ist.
Hindernisse bei der Umsetzung von Klimaschutzmassnahmen
Die befragten Personen erklären, dass fehlende Anreize und Verbindlichkeiten, das bescheidene Potential der Massnahmen in der Praxis und Zielkonflikte die Umsetzung von Klimaschutzmassnahmen auf Landwirtschaftsbetrieben behindern. Die zusätzlich entstehenden Leistungen müssen durch einen Mehrwert begründet werden können. Der Markt, die Branchenverbände und die agrarpolitischen Rahmenbedingungen haben einen entscheidenden Einfluss auf das Handeln der Landwirtschaft und können durch konkret gestaltete Anreize Einfluss nehmen. Lösungsansätze müssen die ganze Wertschöpfungskette abdecken und dürfen nicht auf die Landwirtschaftsbetriebe abgewälzt werden. LandwirtInnen können mittels Klimaschutzmassnahmen nur begrenzt Einfluss nehmen. Viele Massnahmen machen nur dann Sinn, wenn sich das Konsumverhalten und die agrarpolitischen Rahmenbedingungen ändern. Eine Umstellung auf eine klimafreundliche Produktion ohne diesen Wandel führt lediglich zu einer Emissionsverlagerung ins Ausland.
Dieser Blog-Beitrag entstand im Rahmen einer Semesterarbeit im Bachelorstudium “Umweltingenieurwesen”.
Literaturverzeichnis
Alig, M., Prechsl, U., Schwitter, K., Waldvogel, T., Wolff, V., Wunderlich, A., Zorn, A., & Gaillard, G. (2015). Ökologische und ökonomische Bewertung von Klimaschutzmassnahmen zur Umsetzung auf landwirtschaftlichen Betrieben in der Schweiz. Agroscope. http://link.ira.agroscope.ch/de-CH/publication/35019
BAFU. (2020). Kenngrössen zur Entwicklung der Treibhausgasemissionen in der Schweiz 1990-2018. https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/zustand/daten.html
BLW. (2011). Klimastrategie Landwirtschaft. Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel für eine nachhaltige Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft. Bundesamt für Landwirtschaft. https://www.blw.ad-min.ch/blw/de/home/nachhaltige-produktion/umwelt/klima.html
BLW & BAFU (2016). Umweltziele Landwirtschaft. Statusbericht 2016. Bundesamt für Umwelt, Bern. Umwelt-Wissen, 1633, 114. https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/biodiversitaet/publikationen-studien/publikatio-nen/umweltziele-landwirtschaft-statusbericht-2016.html
IPCC. (2014). Climate Change 2014. Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II and III to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Core Writing Team, R.K. Pachauri and L.A. Meyer (eds.)]. IPCC, Geneva, Switzerland, 151. https://www.ipcc.ch/report/ar5/syr/
Schweizerische Eidgenossenschaft. (2017). Botschaft zur Totalrevision des CO2-Gesetzes nach 2020. https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/recht/totalrevision-co2-gesetz.html
Schweizerische Eidgenossenschaft. (2020). 20.022 Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik ab 2022 (AP22+). Abgerufen am 30 Dezember von https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/amtliches-bulletin/amtliches-bulletin-die-verhandlungen?SubjectId=51344