Wie lassen sich die Konsequenzen des technologischen Fortschritts erlebbar machen? Und wie kann auf einer gemeinsamen Basis ein breiter gesellschaftlicher Diskurs über Chancen und Risiken dieses Fortschritts geführt werden? Ein aktuelles Forschungsprojekt gibt mögliche Antworten auf diese Fragen.
Von Jules Verne bis zur Netflix-Serie «Black Mirror»: Zukunftsvisionen einer technologisierten Welt haben eine lange Tradition und üben eine grosse Faszination aus. Nicht selten zeichnen sie entweder ein sehr euphorisches oder beängstigendes Bild der Zukunft.
Um diese aktiv zu gestalten, braucht es aber vor allem einen breiten und konstruktiven gesellschaftlichen Diskurs. Eine sehr wertvolle Grundlage dafür sind immersive Szenarien, die verschiedene Alternativen denkbarer digitaler „Zukünfte“ in Virtual Reality erlebbar machen. Sie helfen Menschen dabei, sich einen Alltag am Rande der Technologischen Singularität ganz konkret vorzustellen, das heisst zu einem Zeitpunkt, an dem die technologische Entwicklung die menschliche überholt hat. Ausserdem erleichtern sie die Diskussion über verschiedenste Fragen: Wie sieht unser Leben mit intelligenten Maschinen aus, die Aufgaben gleich gut oder besser erledigen als Menschen? Wie erlebe ich eine medizinische Diagnose, die nicht mehr von einem Arzt, sondern von einer Maschine gestellt und übermittelt wird? Wie verläuft ein Bewerbungsgespräch, in dem eine künstliche Intelligenz mich beurteilt?
Mit «Digital Futures» konkrete Alltagssituationen in der Zukunft entwickeln und erleben
Das Forschungsvorhaben «Digital Futures» verfolgt das Ziel, mit einem interdisziplinären Ansatz solche immersive Szenarien für konkrete Alltagssituationen in der Zukunft zu entwickeln. In dem seit 2018 laufenden Projekt kooperieren mehrere Partner: das Institut für Wirtschaftsinformatik, das Zentrum für Human Capital Management und das Zentrum für Sozialrecht an der ZHAW School of Management and Law, das Departement Angewandte Linguistik der ZHAW und die Fachrichtung Knowledge Visualization der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Das Vorhaben soll einen Diskurs über mögliche Ausprägungen unserer digitalen Zukunft und deren Wünschbarkeit auslösen: Sowohl Laien wie auch Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Branchen und verschiedenen Disziplinen (Psychologie, Ethik, Soziologie etc.) sollen dank Immersive Virtual Reality die Rolle des distanzierten Betrachters verlassen und in konkrete Situationen eintauchen. Auf der Grundlage dieses gemeinsamen Erlebnisses sollen sie eine Diskussion führen, die Rahmenbedingungen oder im Idealfall konkrete Designkriterien für technologische Entwicklungen hervorbringt. Ein weiteres Ziel ist die explorative Erarbeitung und Verfeinerung eines Methodensets, das Gestaltende von Technologien in die Lage versetzt, sich kritisch mit den Konsequenzen des eigenen Schaffens auseinanderzusetzen. Dieses Methodenset kann im Rahmen von Lehre und Weiterbildung vermittelt werden und so Kompetenzen für die verantwortungsvolle Betrachtung und Gestaltung technologischer Innovationen schaffen.
Verschiedene Drehbücher für immersive Szenarien
In einem ersten Pilotprojekt wurde mit der ZHdK ein einfacher Prototyp implementiert, der ein Szenario aus der Welt des Personalwesens erlebbar macht: Nutzerinnen und Nutzer können aus der Perspektive eines Mitarbeitenden ein Assessment für ein Kaderprogramm durchlaufen. Einen wesentlichen Beitrag zu den Forschungsarbeiten rund um „Digital Futures“ leisten zudem studentische Einzel- und Gruppenarbeiten: So sind im Rahmen von sieben Abschlussarbeiten des Masterstudiengangs in Wirtschaftsinformatik an der ZHAW School of Management and Law Drehbücher für immersive Szenarien entstanden. Sie geben Situationen aus verschiedenen Bereichen wieder, beispielsweise eine politische Abstimmung, eine Anlageberatung oder ein Fussballspiel der Zukunft. Die Drehbücher beschreiben die Situationen dabei in jeweils verschiedenen Ausprägungen. Dabei geht es nicht darum, Prognosen oder normative Aussagen über eine wünschenswerte oder unerwünschte Zukunft zu machen, sondern solche Schlussfolgerungen sind dem Leser überlassen. Aktuell entstehen im Rahmen studentischer Arbeiten weitere multilineare Drehbücher sowie weitere VR-Prototypen.
Das Forschungsdesign und die Szenarien der MSc Studierenden sind als Working Paper verfügbar:«Digital Futures : Szenarien am Rande der Technologischen Singularität»
Möchten Sie einen Einblick in die beschriebenen Forschungsarbeiten erhalten und die Gelegenheit nutzen, selbst in die VR-Szenarien einzutauchen? Dann besuchen Sie den Thementrack „Digital Futures“ am WINsights Symposium am 12. März 2020 an der ZHAW in Winterthur.
ANSPRECHPARTNER:
- ZHAW School of Management and Law, Institut für Wirtschaftsinformatik: Thomas Keller, kell@zhaw.ch, Elke Brucker-Kley, brck@zhaw.ch
- ZHdK, Fachstelle Knowledge Visualization: Jonas Christen, jonas.christen@zhdk.ch
Ein Beitrag von Elke Brucker-Kley.