Wie gut werden Brillen mit erweiterter Realität, z.B. virtueller Realität, von älteren Personen akzeptiert werden? Welchen Einfluss hat das Brillenmodell auf die Gleichgewichtsfähigkeit? Diesen Fragen geht ein interdisziplinäres Forschungsteam in einem weiteren von AGe+ geförderten Projekt nach.
Exergaming, körperlich aktives Spielen, wird häufig zu Trainings- und Rehabilitationszwecken eingesetzt (Gao et al., 2016). Seine Beliebtheit als Trainingsinstrument bei älteren Erwachsenen hat einen beträchtlichen Aufschwung erlebt (Ismail et al., 2022). Neben der erhöhten körperlichen Betätigung während des Exergamings wurden auch positive Auswirkungen auf Gedächtnis und Gleichgewicht festgestellt (Ismail et al., 2022). Gezieltes Gleichgewichtstraining kann das Sturzrisiko verringern, was sich positiv auf die Fähigkeit zur unabhängigen Lebensführung bei älteren Erwachsenen auswirkt (Delgado & Der Ananian, 2021). Erweiterte Technologien wie Augmented Reality (AR), Virtual Reality (VR) oder eine Kombination davon, Passthrough (PT), haben ein großes Potenzial, die körperliche Aktivität älterer Erwachsener zu steigern und somit die Gesundheit zu stärken. Es ist jedoch unklar, welche der Technologien (AR, VR oder PT) am besten für ältere Erwachsene geeignet ist.
Subjektive Präferenz und objektive Messung
Zur Beantwortung dieser Frage haben sich Forschende der Departemente Gesundheit und School of Engineering, unterstützt mit einer Anschubfinanzierung von AGe+, zu einem Team formiert und eine Studie lanciert. Deren primäres Ziel war es, herauszufinden, ob AR, VR oder PT von älteren Erwachsenen beim Spielen eines Greifspiels subjektiv bevorzugt wird. Das sekundäre Ziel bestand darin, die Bewegung des Rumpfes und der Hüfte sowie den Körperschwerpunkt in AR, VR und PT objektiv zu messen.
Sieben Teilnehmende (4 Männer, 3 Frauen) im Alter von über 65 Jahren ohne Erkrankungen des Skeletts, der Muskeln oder der Nerven wurden für diese Pilotstudie rekrutiert. In einer randomisierten Reihenfolge spielten die Teilnehmenden das Spiel “Früchte greifen”, wobei sie, ausgestattet mit Spezialbrillen, Früchte pflücken mussten, entweder in einem VR-, AR- oder PT-Modus. Jeder Modus dauerte jeweils 3 Minuten, in denen das Forschungsteam die Bewegung von Hüfte, Rumpf und Schulter aufzeichnete. Nach jedem Modus bewerteten die Teilnehmenden subjektiv das Erlebnis. Am Ende wurden VR, AR und PT in einer Umfrage miteinander verglichen.
Virtual Reality macht das Rennen
Sechs der sieben Teilnehmenden gaben an, dass sie die VR-Technologie im Vergleich zur AR und PT subjektiv bevorzugen. Sie hoben insbesondere die gute Orientierung im Raum und das grosse Sichtfeld des VR-Headsets hervor. Zudem war die Motivation, nach den Früchten zu greifen, mit dem VR-Headset am höchsten. Im AR- und PT-Modus wurde das Spiel im Vergleich zum VR-Modus als anstrengender empfunden. Obwohl mit dem VR-Headset die reale Umgebung nicht sichtbar war und sich die Teilnehmenden in einer komplett virtuellen Welt befanden, hatten sie kein ungutes Gefühl während des Spiels. Berichte über Schwindel oder Übelkeit während oder nach dem Spiel gab es keine. Die Auswertung der Rumpfbeuge- und Streckungswinkel hat gezeigt, dass die Teilnehmenden unterschiedliche Greiftechniken anwandten. Während einige hohe Rumpfwinkel aufwiesen und die Bewegung somit aus dem Rumpf heraus kontrollierten, zeigten andere tiefe Rumpfwinkel. Bei kleinen Winkeln wird die Greifbewegung entweder aus der Hüfte oder nur mit den Armen gesteuert. Welche Greiftechnik genutzt wurde, war jedoch abhängig von der Person und nicht von der Brille.
To be continued
Obwohl es scheint, dass das VR-Headset von den meisten Teilnehmenden bevorzugt wurde, ist weitere Forschung notwendig, um einen tieferen Einblick in die Unterschiede zwischen den erweiterten Technologien zu erhalten. Es sollten mehr Teilnehmenden einbezogen und verschiedene Spiele mit adaptiven Schwierigkeitsgraden durchgeführt werden. Darüber hinaus wäre es von Interesse, den Zusammenhang zwischen dem Rumpfwinkel und der Gleichgewichtsfähigkeit der Teilnehmenden zu untersuchen. Mit diesem Wissen könnte das Training spezifischer Übungen oder Bewegungsabläufe zu einer verbesserten Gleichgewichtskontrolle führen und das Sturzrisiko verringern.
Referenzen:
Delgado, F., & Der Ananian, C. (2021). The Use of Virtual Reality Through Head-Mounted Display on Balance and Gait in Older Adults: A Scoping Review. Games for Health Journal, 10(1), 2–12. https://doi.org/10.1089/g4h.2019.0159
Gao, Z., Lee, J. E., Pope, Z., & Zhang, D. (2016). Effect of Active Videogames on Underserved Children’s Classroom Behaviors, Effort, and Fitness. Games for Health Journal, 5(5), 318–324. https://doi.org/10.1089/g4h.2016.0049
Ismail, N. A., Hashim, H. A., & Ahmad Yusof, H. (2022). Physical Activity and Exergames Among Older Adults: A Scoping Review. Games for Health Journal, 11(1), 1–17. https://doi.org/10.1089/g4h.2021.0104
Ein Beitrag von Michelle Haas, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Bewegungslabor, Institut für Physiotherapie, ZHAW Gesundheit, und Andrea Kilchenmann, Wissenschaftliche Assistentin, Institut für mechanische Systeme, ZHAW School of Engineering.