Banner des Vereins queerAltern an der Pride (zVg. von queeraltern.ch)

Ein Lebensort für queere alte Menschen: Ein Interview mit der Präsidentin des Vereins queerAltern

Der Verein queerAltern setzt sich dafür ein, dass queere Menschen, also LBGTIAQ+ (s. Infobox), im Alter in einer queerfreundlichen Umgebung zusammenwohnen können. Die Projektidee konnte 2018 den Verantwortlichen der Stadt vorgestellt werden. Und ab 2026 soll diese Vision eines Lebensorts für queere alte Menschen im Espenhof umgesetzt werden. Dort entstehen drei neue Häuser mit ca. 135 städtischen Alterswohnungen. Eines der Häuser ist für alte queere Menschen reserviert mit 26 Alterswohnungen und 23 Plätzen in drei Pflegewohngruppen. Ich sprach mit Barbara Bosshard über das Projekt (s.u. zur Person).

Grosse Fahne mit den Worten: Morgen(s) sehen wir alle alt aus auf einer Demo in Zürich
Banner des Vereins queerAltern an der Pride (zVg. von queeraltern.ch)

Der Verein queerAltern setzt sich dafür ein, dass queere Menschen, also LBGTIAQ+ (s. Infobox), im Alter in einer queerfreundlichen Umgebung zusammenwohnen können. Die Projektidee konnte 2018 den Verantwortlichen der Stadt vorgestellt werden. Und ab 2026 soll diese Vision eines Lebensorts für queere alte Menschen im Espenhof umgesetzt werden. Dort entstehen drei neue Häuser mit ca. 135 städtischen Alterswohnungen. Eines der Häuser ist für alte queere Menschen reserviert mit 26 Alterswohnungen und 23 Plätzen in drei Pflegewohngruppen. Ich sprach mit Barbara Bosshard über das Projekt (s.u. zur Person).

Liebe Frau Bosshard, ist die Zusage, den Espenhof in Zürich als Lebensort für queere alte Menschen zu gestalten, für Sie ein Grosserfolg oder erst ein erster Schritt in die richtige Richtung?

Es ist beides: Einerseits sind wir glücklich über das klare Statement der Stiftung Alterswohnungen und der Stadt Zürich, dass es diesen Lebensort und Safer Space für queere alte Menschen braucht. Glücklich sind wir auch darüber, dass wir mit den beiden tollen Partner:innen, der Stiftung Alterswohnungen und den Gesundheitszentren für das Alter, in paritätisch zusammengesetzten Arbeitsgruppen dieses schweizweit einmalige Projekt für queere Stadtbewohner:innen 60+ entwickeln können. Dies ist sicherlich ein grosser Erfolg für unseren Verein, der seit seiner Gründung 2014 kontinuierliche Konzeptarbeit geleistet hat. Aber selbstverständlich suchen wir nach weiteren Wohnmöglichkeiten für queere Menschen, auch für generationenübergreifendes Wohnen.

In unserem Vorstand haben wir dazu in Salome Zimmermann eine kompetente Fachperson, die sich aktiv darum kümmert. Daraus resultiert die Zusammenarbeit mit der Stiftung Renggergut. 5-7 Wohnungen von insgesamt über 20 Wohneinheiten werden in Wollishofen an queerAltern vergeben. Bezugsbereit sind diese Wohnungen im Frühjahr 2024, momentan läuft das Auswahlverfahren. Dann gibt es weitere Projekte, die allerdings noch nicht spruchreif sind.  

Jedes Mal wenn die LBGTIAQ+-Community ein Angebot oder einen Raum für sich möchte, kommt von Heterosexuellen reflexartig die Frage “Braucht es das denn heute noch?”. Denn obwohl die “Ehe für alle” deutlich mit 64% angenommen wurde, bedeutet das ja im Umkehrschluss, dass eine von drei Personen dies verhindern wollte. Die Chance auf eine solche Person zu treffen steht also 1 zu 2. Dass man mit diesen Personen nicht den Lebensabend verbringen möchte, sollte allen einleuchten. 

Gibt es für Sie noch weitere Gründe?

Es gäbe unzählige. Wir wollen uns nicht ständig erklären müssen. Queere Menschen teilen ähnliche Lebensbiografien, in die sich auch Ausschluss und Verletzungen eingefurcht haben. Anstatt uns Geschichten und Fotos von Enkelkindern anzuhören, wollen wir mit anderen lieber unsere Erlebnisse von Pride oder Lederpartys teilen. Wir sind binär und nonbinär unterwegs. Dies binär Verankerten zu erklären, ist mühsam und teilweise auch unmöglich. Wir wollen genderneutrale Sprache sprechen, ohne von konservativ Verankerten attackiert zu werden. Undundund. Deshalb wollen viele queere Menschen in diskriminierungsfreien Räumen leben.

Ich sage jeweils: An diskriminierungsfreien Orten können wir Energie auftanken und gestärkt der Gesellschaft wieder etwas zurückgeben, als wenn wir uns in immer heteronormativen Zusammenhängen bewegen würden. Die LGBTAIQ+-Gemeinschaft ist ja bunt wie der Regenbogen und viele lebten bisher in ihrer eigenen Community.

Welche Vorbereitungen werden getroffen, damit das Zusammenleben funktioniert und die Vielfalt im Espenhof gelebt werden kann?

Im Espenhof entstehen drei Liegenschaften. Eine davon ist für queere Menschen vorgesehen: 26 Wohnungen für selbständig Lebende und drei Pflegewohngruppen für insgesamt 23 Menschen. Wir erhoffen uns, dass die Erstbewohnenden sich zusammen mit uns für eine Caring Community (s. Infobox) engagieren. Wir wünschen uns, dass wir mit den Erstbewohnenden, die ja alle eine queere Biographie haben, darüber Gespräche führen können, wie wir unser Zusammenleben vorstellen. Es soll Platz haben für individuelles Wohnen, aber zur Caring Community gehört, dass sich die Einzelnen auch für gegenseitiges Unterstützen einbringen.

Unser Verein hat sich verpflichtet, mit regelmässigen Veranstaltungen für alle – für Queers und Nichtqueers – sich an dem gemeinschaftlichen Leben im Espenhof einzubringen. Wir hoffen, dass wir damit beitragen, dass dadurch alle davon profitieren können. Diese Veranstaltungen werden den queeren Fokus haben und dadurch einen weiteren Beitrag zu einem gegenseitigen Verständnis leisten.

Liebe Frau Bosshard, besten Dank für das Interview.

Nicole A. Baur, Koordinatorin Angewandte Gerontologie AGe+

Zur Person

Barbara Bosshard ist seit 2019 Präsidentin des Vereins queerAltern. Sie engagiert sich u.a. für Sichtbarkeit queerer und queerer alter Menschen. An Schulen und Ausbildungsstätten sensibilisiert sie junge Erwachsene über queeres Leben und queere Lebensgeschichten. Barbara lebt in einer langjährigen Partnerinnenschaft. Sie ist Autorin zweier Bücher: «Den Himmel berühren – meine Geschichte von Trauer und erneutem Glück» und «Verborgene Liebe – die Geschichte von Röbi und Ernst», beide erschienen im Verlag Wörterseh.

Infobox

Queer: Ein Oberbegriff für Menschen, die nicht heteronormativ sind, sondern LBGTIAQ (s.u.).

LBGTIAQ+: Abkürzung für Lesben, Bisexuelle, Gays (Schwule), Transmenschen, Intergeschlechtliche, Asexuelle, Queers. Als Symbol wird oft der Regenbogen🌈 verwendet.

Pride: Jährlicher Anlass der Queerbewegung, um die Zusammengehörigkeit zu feiern und Sichtbarkeit zu erhöhen.

Pride Monat (Juni): Die ZHAW bekennt Farbe und hisst die Pride-Flagge. 🌈Sie solidarisiert sich mit der LGBTIQ+ Community. Im Juni wehen vor und in den ZHAW-Gebäuden die farbenfrohen Pride-Flaggen und es finden Veranstaltungen statt.

Queer Altern: Der Verein wurde 2014 gegründet. Derzeit hat der Verein ca. 450 Mitglieder. https://queeraltern.ch

Caring Community
: Gegenseitige Unterstützung auf einer nicht-professionellen Ebene (z.B. keine pflegerischen Leistungen).
Infobox zu Begriffen, die erklärt werden
Schlagwörter: LGBTIQ*, Wohnen

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