Sollten Vorlesungen aufgezeichnet werden?

Vorlesung im Hörsaal

Ein Beitrag von Sophia Graupner. Sophia studiert Lebensmitteltechnologie in Teilzeit an der ZHAW Life Sciences und Facility Management und bloggt für das Digitale Studium.

Infolge des Coronavirus wurden Präsenzvorlesungen durch Onlineveranstaltungen ersetzt. Hierbei wurde den Studierenden die Möglichkeit geboten, ihren Tag flexibel zu gestalten und die Vorlesungen bei Bedarf zu hören, zu pausieren oder nach Belieben zu repetieren. Doch was geschieht nach der Pandemie? Alles zurück zum Alten? Nein – sind sich viele Studierende einig.

Hektisch Notizen mitschreiben

Acht Uhr morgens im Hörsaal sitzen, um in einer ¾ Stunde 30 PowerPoint Folien durchzugehen und dabei hektisch mitzuschreiben – es gibt Besseres. Trotz interner Schulungen zur effektiven Mitschrift sind die Notizen meist zusammenhanglos und nicht aussagekräftig. Aufgrund des rasanten Tempos der Vorlesungen wurden diese von einigen Mitstudierenden mittels Sprachnotiz auf dem Handy mitgeschnitten, um die Inhalte in Ruhe aufarbeiten zu können.

Aufzeichnung von Präsenzunterricht

Viele Schweizer Hochschulen und Universitäten zeichnen seit längerem den Unterricht der theoretischen Lektionen in grossen Hörsälen auf. Auch während des Online-Studiums aufgrund der Corona Pandemie konnte man solchen Aufzeichnungen, welche frontal online abgehalten wurden, sehr gut folgen. Es zeigte sich jedoch, dass Seminare, Diskussionen und Debatten sowie Praktika und Gruppenarbeiten für Aufzeichnungen nicht geeignet sind.

Auch nach der Pandemie wäre es sinnvoll, in Präsenz gehaltene Vorlesungen aufzuzeichnen. Die Studierenden könnten dann wählen, ob sie Vorlesung am Campus, von einem anderen Ort oder zu einem anderen Zeitpunkt verflogen möchten. Des Weiteren könnten Pausen eingelegt und die Inhalte einfacher repetiert werden. Ausserdem würden sich die Inhalte durch wiederholtes Anhören der Vorlesungen – wie bei Podcast – erheblich erleichtert, wodurch sich die Prüfungsvorbereitung vereinfachen würde.

Unterrichtsaufzeichnung für mehr Chancengleichheit

Studien (z.B. Nordmann et al. 2019) belegen, dass Unterrichtsaufzeichnungen für Studierende gewinnbringend sind. Teilzeitstudierenden, die sich beruflich oder sozial engagieren, wird das Studium dadurch erheblich erleichtert. Des Weiteren wird Studierenden mit physischen und psychischen Krankheiten, Lernschwierigkeiten (Nightingale et al., 2019) oder mangelnden Sprachkenntnissen eine Möglichkeit geboten, dem Unterrichtsstoff einfacher zu folgen. Auch Schweizerinnen und Schweizer aus anderssprachigen Landesteilen nehmen das Studienangebot der ZHAW in Anspruch. Somit kann die Vorlesungsaufzeichnung einen Beitrag zur Chancengleichheit leisten.

Anlehnend an den Online-Unterricht während der Pandemie machte das Departement Life Sciences und Facility Management im Frühling 2021 eine Umfrage zu „Chancen und Grenzen des digitalen Unterrichts“, welche studiengangsübergreifend durchgeführt wurde. Bei der Frage, ob die Theorievermittlung im Plenum weiterhin online stattfinden soll, entschieden die Studierenden, dass dieser etwa in der Hälfte digital stattfinden soll. Bei den Dozierenden gab es hingegen je nach Institut grosse Unterschiede, von maximal einem Viertel über die Hälfte bis gar drei Viertel in digitaler Form.

Leider nahmen an der Befragung nur wenige Personen teil, sodass die Ergebnisse nicht in allen Studiengängen repräsentativ sind. Ebenfalls muss bedacht werden, dass es in diesem Beitrag um die Aufnahme einer im Hörsaal abgehaltenen Vorlesung geht und dies nicht Teil der Umfrage war.

Oftmals wird die Aussage, dass Studierende den Präsenzunterricht nicht mehr besuchen würden, als Argument vorgeschoben, die Vorlesungen nicht aufzuzeichnen. Dies konnten die oben zitierten Studien nicht belegen. Zudem widerlegen die Erfahrungen des unfreiwilligen Online-Unterrichts während der Pandemie diese Aussage. Trotz Aufzeichnung der Online-Veranstaltungen wurden diese von den meisten Studierenden live verfolgt.

Lernvideos statt Vorlesungsaufzeichnungen

Der Ruf nach Vorlesungsaufzeichnungen ist nicht neu; bereits 2018 und 2019 forderten Studierende aus dem Bachelorstudiengang Biotechnologie, dass der Unterricht für mehr Flexibilität aufgezeichnet werden soll. Entsprechende Vorstösse wurden jedoch immer wieder abgelehnt, mit der Begründung, dass 45-minütige Vorlesungsaufzeichnungen didaktisch nicht sinnvoll seien. Obwohl wir kürzere, didaktisch gut aufbereitete Lernvideos schätzen, sind Aufzeichnungen der Theorievermittlung im Plenum immer noch besser als gar keine Aufzeichnungen.

Mit meinem Beitrag möchte ich erneut auf die Vorteile der Aufzeichnung von Theorievorlesungen hinweisen. Corona hat gezeigt, dass der Online-Unterricht didaktisch sinnvoll ist und den Studierenden viele Vorteile bietet.

Wie steht ihr dazu? Seid ihr auch der Meinung, dass Unterrichtsaufzeichnungen ein sinnvolles Medium zum Nachschlagen und Lernen sind? Dann schreib doch in die Kommentare.


4 Kommentare

  • Es gibt folgende Schwierigkeiten aus meiner Position als unterrichtende Person:

    – Nicht aufbereitete Videos sind mühsam für Studierende und weniger nützlich.
    – Gut aufbereitete Videos sind sehr aufwändig und müssen in didaktisch nützliche Einheiten aufgeteilt sein.
    – Wir passen unseren Unterricht basierend auf Feedback regelmässig leicht an. Ein Video kann deshalb oft nicht 1:1 wiederverwendet werden und müsste jedes Jahr neu erstellt werden. Dazu fehlt mir schlicht die Zeit.
    – Mein Unterricht enthält oft kurze Rückfragen, z.B. nach Meinungen oder nach einer kurzen Repetition eines Begriffs. Bei Aufnahmen melden erfahrungsgemäss weniger Studierende. Die Pause in den Videos für das Ausfüllen von Mentimeter-Umfragen ist mühsam beim Ansehen des Videos. Eine Wiederverwendung der Videos im nächsten Jahr ist aus Datenschutzgründen bedenklich.

    Bei der Abwägung zwischen den Vor- und Nachteilen nicht bearbeiteter Videos finde ich deshalb keine klare Antwort.

  • Hallo, vielen Dank für den Kommentar. Ich kann die Argumente grösstenteils nachvollziehen. Das Argument, dass nicht aufbereitete Videos mühsam oder weniger nützlich für Studierende sind, kann ich jedoch nicht teilen. Ich denke, jeder Studierende ist in der Lage, bei Bedarf das Video selbstständig zu spulen. Beispielsweise in den Pausen. Des Weiteren müssen die Videos nicht aufgearbeitet sein. Sie sollen lediglich als Nachschlagewerk dienen, welche den Studierenden die Möglichkeit gibt, die Vorlegung in Originalfassung, zu repetieren. Gerade mit Hinblick auf die aktuelle Situation in Bezug auf die Zertifikatspflicht wäre ein Video und Audio Mitschnitt der Vorlesungen ein gutes Mittel, um alle Studierenden an den Vorlesungen teilhaben zu lassen. Man könnte den Gedanken sogar weiterentwickeln und die Vorlesungen live streamen und den Stream anschliessend online stellen.

  • Wir finden auch, dass die Videoaufzeichnungen ein nützliches Plus zum regulären Unterricht sind, da diese ja lediglich ein Zusatz und nicht die Alternative zu den Vorlesungen wären. Deshalb wäre eine Rohfassung ohne Zuschneiden völlig ausreichend. Da es mal vorkommen kann, dass man einen Termin nicht verschieben kann, oder beispielsweise haben einige einen langen Schulweg für nur eine Vorlesung, welche dann sowieso nicht kommen und die hätten so zumindest die Videoaufzeichnung. Ausserdem ist es eine gute Repetition vor den Prüfungen, wie sich im letzten Semester herausgestellt hat.

  • Ich stimme den oberen Kommentaren gerne zu. Ungeschnittene Videos der aufgenommenen Lektionen reichen völlig aus, es sind keine Collagen/Videoschnitte notwendig. Und wo möglich, können auch Videos aus den letzten Jahren verwendet werden (mit dem optionalen Zusatz aktueller Informationen). Viele Studierende haben ihren Wohnsitz nicht oder wegen Corona nicht mehr im Kanton Zürich, online/aufgenommene Lektionen ermöglichen darum die in der heutigen Zeit nötige Flexibilität. Vor allem hat es die letzten 3 Semester sehr gut geklappt, so dass man sich fragt, wieso man wieder in das “altertümliche” Frontalunterricht-System zurück möchte…


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