WINsights 2022 – das Symposium des Instituts für Wirtschaftsinformatik wieder live

Andri Färber, Leiter des Instituts für Wirtschaftsinformatik an der ZHAW School of Management and Law, freut sich. Nachdem die WINsights-Symposien wegen der Pandemie nur online durchgeführt wurden, konnten letztes und dieses Jahr die Teilnehmer wieder persönlich nach Winterthur kommen. «Eines der wichtigsten Ziele des Symposiums ist das Networking,» so Färber, «wir wollen nach dem Motto «Forschung trifft Praxis» Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft und der Verwaltung zusammenbringen mit unseren Forschenden der ZHAW. Ein Online-Anlass widerspricht diesem Ziel diametral, da findet praktisch kein Austausch statt.» Gleichzeit bekommen die Teilnehmer einen praktischen Einblick in aktuelle Themen aus unterschiedlichen Fachgebieten des Instituts.

Kennen Sie Chatbots? Ja? Aber wie funktionieren die?

Bereits am Morgen bestand für die Teilnehmenden die Möglichkeit, an zwei Workshops Blicke hinter die Kulissen von zwei Fachthemen am Institut für Wirtschaftsinformatik zu gewinnen. In ihrem zweistündigen Workshop «Konzeption, Umsetzung und Prüfung eines Chatbots» faszinierten Alexandre de Spindler und Max Meisterhans die Teilnehmenden mit dem eigenhändigen «Erstellen» eines Chatbots. Das Konzept: “Chatbot Prototyping” basiert darauf, dass die Chatbots mit Fachgesprächen simuliert werden. Welches Ziel verfolgt man mit dem Chatbot und wie würde ein Mensch dieses Ziel verfolgen? Kann das auch mit einem Chatbot erreicht werden? Aus den – beispielsweise in WhatsApp gesammelten – Konversationen unter Menschen werden die Anforderungen für den Chatbot gewonnen und letzterer schliesslich ohne Programmierarbeit erstellt werden. Der Vorteil in der Praxis: Schnelle Ausarbeitung und Prüfung nützlicher Chatbots als ersten Schritt zu Praxislösungen bei vergleichbar niedrigen Gestehungskosten.

Alexandre de Spindler schätzt den Netzwerkanlass, um mittels Hands-On-Projekten bis hin zu IT-Management Einblicke zu geben. Zwar ist 2022 noch nicht ganz so gut besucht wie vor Corona, “auch etwas der Zeit geschuldet», meint Spindler, aber es sind doch wieder viele Teilnehmende von den früheren Veranstaltungen dabei.

Elektromobilität definitiv im Markt angekommen

Einem anderen Thema widmete sich der zweite Workshop von Dr. Andreas Block und Dr. Mario Gellrich: der Elektromobilität. Im ersten Teil wurde eine Auslegeordnung über die aktuelle Marktsituation vorgenommen. Es zeigt sich, dass fast alle relevanten Marken anstreben, bis 2035 nur noch Elektrofahrzeuge zu verkaufen und sich komplett vom klassischen Verbrennungsmotor zu verabschieden. Auch aus Konsumentensicht steigt die Akzeptanz der Elektromobilität kontinuierlich. Per Ende August betrug der Anteil an reinen Elektrofahrzeugen (BEV) bzw. Hybridfahrzeugen (PHEV) an allen Neuimmatrikulationen in der Schweiz bereits 24,6%. Zum Vergleich: Ende 2018 betrug dieser Wert noch 3,8%.

Im zweiten Teil wurden die Kernergebnisse gerade abgeschlossenen Studie zur räumlichen und zeitlichen Nutzung von öffentlichen Ladestationen in der Schweiz vorgestellt. Es zeigt sich, dass die durchschnittliche Belegung bei ca. 14% liegt. Genutzt werden die Ladestationen hauptsächlich zu Arbeitszeiten und am Samstagmorgen. Spannend ist zudem die gewonnene Erkenntnis, dass Ladestationen nahe den Autobahnen keine signifikant höhere Auslastung haben. Einen klaren Einfluss haben hingegen die Bevölkerungsdichte und die Einkommensklassen rund um die Ladestationen. In der abschliessenden Plenumsdiskussion zeigt sich, dass die Elektromobilität viele Chancen bietet, es aber gleichzeitig noch zahlreiche Herausforderungen gibt. So wäre es sinnvoll, dass fokussierter entschieden wird, an welchen Standorten öffentliche Ladestationen einen wirklichen Mehrwert bringen entsprechend der Devise „Qualität vor Quantität“.

Schweiz punkto Cybersecurity weit abgeschlagen

Das Symposium am Nachmittag eröffnete FDP-Nationalrätin Doris Fiala mit ihrer Keynote «Fakten Cybersecurity Schweiz: Der Global Cybersecurity Index wirft Fragen auf!» Fiala hält als Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission (SiK), als Co-Präsidentin der parlamentarischen Gruppen «Cyber» und «Kryptowährungen/Digital Assets» sowie als Präsidentin der Swiss Cyber Security Days (SCSD) den Finger am Puls des brisanten Themas. Fiala lobte das duale System, dank dem die Arbeitslosigkeit in der Schweiz tief ist. Doch sie wies auch auf das Fehlen von rund 15´000 IT-Spezialisten. Die Schweiz liegt in der Digitalisierung zurück – vor allem aber herrscht Nachholbedarf in der Cyber-Sicherheit. Die Corona-Pandemie hat uns definitiv in die Digitalisierung gezwungen. Dieser neue Zeitgeist der digitalen Arbeitswelt hat dunkle Seiten: Hacker und Cybercrime. Den digitalen Chancen stehen auch digitale Risiken gegenüber – eine der grössten Gefahr heute. Die Verwundbarkeiten im digitalen Bereich sind in der Schweiz gross. Besonders sticht da der Grossraum Zürich hervor – mit über einer Million Verwundbarkeiten, also potenziellen Angriffspunkten für Cyber-Kriminalität. Gefolgt übrigens von Bern mit 300´000 Verwundbarkeiten.

Homeoffice hat das «Firmennetzwerk» verstärkt in den privaten Raum ausgedehnt. Ein Risiko, das ernst genommen werden muss. Fiala machte sich für eine Meldepflicht von Hacker-Attacken stark, um den zuständigen Stellen des Bundes mehr Grundlagen für das Handeln zu geben. Eine Position, die in der anschliessenden Diskussion nicht von allen geteilt wurde. Im Global Security Index, der das Engagement der Länder für die Cybersicherheit auf globaler Ebene misst, belegt die Schweiz Platz 42. Den ersten Platz hält die USA – gemäss Fiala auch eine Folge dessen, dass in den USA Cyber-Security «Chefsache» ist, also top down organisiert ist, während in der Schweiz die Behörde kollegial organisiert ist. Grossartiges leisten gemäss Fiala die Cyber-Rekruten des VBS, doch gesamthaft müsste aber das Thema Cyber-Security in der Schweiz besser aufgestellt werden.

Im Gespräch zeigte sich Doris Fiala als Verfechterin des Föderalismus, der ihrer Meinung nach besonders auch während der Corona-Pandemie «sich hervorragend bewährt hat.» Das System sei manchmal etwas langsamer, das Ziel sei jetzt, mit diesem System bei den grossen Risiken wie Cyber-Security das bestmögliche Resultat zu erzielen.

World Café «New Work» – Softskills, Fehlertoleranz und Führungsverantwortung

Wenn die Praxis auf die Forschung trifft, kann das zu spannenden Erkenntnissen führen. So auch im World Café an den WINsights 2022 zum Thema «New Work». Der Fokus lag auf den Themen «Soft Skills», «Fehlertoleranz und Lernkultur» sowie «Führungsverantwortung». Moderiert wurde der Workshop von Ninja Leikert-Böhm, Katja Kurz und Dr. Andreas Block, alle von der ZHAW School of Management and Law. Beim World Café werden in wechselnden Gruppen zuerst in einem Brainstorming alle möglichen Ansätze zum Thema gesucht, anschliessend werden diese zu Clustern gebündelt und schliesslich in der Diskussion auf ihre Relevanz geprüft. Die Erkenntnisse im Workshop «aus 10´000 Meter Flughöhe» sind, dass es noch viel zu tun gibt: bei den Soft Skills ist es eine grosse Wunschliste von Flexibilität, Toleranz, Veränderungsbereitschaft bis Motivierung, zu der es noch nicht viele Best Practice Beispiele gibt, Zur Fehlertoleranz und Lernkultur braucht es die Basis gemeinsamer Werte und um Führungsverantwortung wahrnehmen zu können ist die Schaffung von Rahmenbedingungen zentral.

Surviving Ransomware und BizDevOps

Was Doris Fiala in ihrer Keynote aufgegriffen hatte, zeigte Andreas Plüer von der EKT AG in der Praxis auf. Ransomware ist der Schrecken jeden Unternehmens. Es handelt sich dabei um Erpressungssoftware (auch als Trojaner bekannt), die auf den Computer geschmuggelt werden, dort den Zugang sperren und die Daten verschlüsseln. Plüer zeigte in seinem Referat einen Funken Hoffnung. Meist wird nämlich von den Unternehmen die geforderte Lösegeldsumme stillschweigend bezahlt, um Reputationsschäden und Produktivitätsverluste zu vermeiden. Plüer zeigte anhand des Beispiels eines grossen Ransomware-Vorfalls auf, wie das betroffene Unternehmen ohne Zahlung von Lösegeld den Vorfall in den Griff bekam.

Im Programmteil «Digital Business Leaders» stellen Dr. Christian Russ, Dr. Anna Wiedemann, beide ZHAW School of Management and Law und Matías E. Fernández, Swisscom (Schweiz) AG die «Chancen und Möglichkeiten von BizDevOps als erweiterte Organisations- und digitale Wertschöpfungsform» auf. BizDevOps setzt sich aus den Worten Business, IT-Development und IT-Operations zusammen. Es geht um die Verzahnung des Business-Bereichs mit der IT des Unternehmens. Es geht darum, Wettbewerbsvorteile zu erlangen und Innovation voranzutreiben. Auf der anschliessenden Podiumsdiskussion konnten die Teilnehmenden nochmals mit Doris Fiala die Themen des Tages diskutieren.

Fazit des Gastgebers

Andri Färber ist der Leiter des Instituts für Wirtschaftsinformatik an der ZHAW School of Management and Law. Wir haben ihn am Ende des WINsights Symposium 2022 zu einem Gespräch getroffen, während sich im Hintergrund die Teilnehmenden in grosser Zahl noch beim Apéro angeregt unterhielten.

Andri Färber, wie war Dein Eindruck vom heutigen Tag, wurden Deine Erwartungen erfüllt?

Andri Färber: Der Anlass ist primär als Networking-Anlass geplant. Für mich ist das Ziel erfüllt, wenn die Teilnehmenden miteinander reden. Und wie man sieht, sie unterhalten sich angeregt, die Meisten sind geblieben und nutzen die Möglichkeit für den Austausch. Daher mein Fazit: es ist super.

Schon für die beiden Workshops am Morgen, Chatbots und Elektromobilität, habe ich ein sehr gutes Feedback erhalten, viele Teilnehmende.

WINsights sagt ja mit dem Namen: Ein Blick in die Werkstatt. Wie werden die Themen gewählt?

Das Konzept ist, dass wir ein grosses Stammpublikum aufgebaut haben, das weiss, dass sie jedes Jahr hier über aktuelle Themen informiert werden. Das Publikum sind Praktiker aus Firmen, die wir mit der Forschung hier zusammenbringen wollen. Wir haben hier auch ein paar Stände, bspw. mit Elke Brucker und der VR-Brille, an denen man praktische Beispiele Hands-on ausprobieren kann.

Wie setzt sich denn die Teilnehmerschaft zusammen?

Das ist sehr divers, das sind KMU, Verwaltung, grosse Firmen und kleine Firmen. Wir verzichten auf Hochglanz und haben einen bewusst unaufgeregten Anlass hier in den Schulzimmern in unserem eigenen Ambiente. Wir sprechen effektiv die Praktiker an, mit einem breiten Überblick, mit Verantwortung im Betrieb, bspw. Business-Analysten, IT-Projektleiter usw.

Bist Du mit der Zahl der Teilnehmenden zufrieden?

Ich bin happy, dass wir den Anlass wieder vor Ort durchführen können. Es ist schwieriger geworden, die Leute herzubekommen, eine Tendenz, die ich auch von anderen Veranstaltungen höre. Umso mehr freut es mich, dass wir doch eine grosse Anzahl – wenn auch noch nicht ganz auf dem Niveau vor Corona – mobilisieren konnten. Und speziell, dass alle Freude hatten am Anlass, wie ich bereits aus vielen Feedbacks vernommen habe. Es zeigt, dass das Format funktioniert.

Zurück zu Themen: wie werden diese ausgewählt?

Es entspricht unserem Auftrag als Institut. Am Anfang ist die Umfrage, wer ein aktuelles Thema hat für den Anlass und möglicherweise auch noch eine Community dazu mobilisieren kann. Das Institut funktioniert sehr netzwerkartig, und so kommen auch verschiedene Themen aus verschiedenen Bereichen zusammen.

Das Format mit Workshops und Referaten ist immer gleich?

Zuerst haben wir den Rahmen, die Eckpunkte bestimmt. Zweiteilig mit Netzwerkapéro – und dann haben wir geschaut, was da noch dazu passt. Deshalb auch das neue Element mit dem World Café als Test, der zweite Teil dann als klassisches Symposium inklusive Podiumsdiskussion.

Was ist an einem IT-Netzwerkanlass speziell?

Es ist schon etwas anderes, als wenn sich bspw. Marketingleute treffen, die mehr Smalltalk betreiben. Und ich bin wirklich auch stolz darauf, dass wir es mit unserem Rahmen geschafft haben, dass sich die IT-Fachleute wohlfühlen und miteinander reden, dass die Atmosphäre für sie stimmt.

Noch ein Wort zu den Sponsoren, sind das regelmässig dieselben?

Wir haben den vierfachen Leistungsauftrag: Lehre, Weiterbildung, Forschung, Dienstleistungen. Der letztere Bereich spielt eher eine untergeordnete Rolle, aber die anderen drei befruchten sich gegenseitig, wie das auch politisch gewünscht ist an der ZHAW. Nicht zuletzt mit diesem Anlass bauen wir Netzwerke auf, bspw. mit den Absolventen in der Weiterbildung, die ja bereits im Berufsleben stehen. Wir fördern das über Netzwerk-Abende. Was oft passiert, dass wir mit den Absolventen aus der Praxis auch in Forschungsaufträge gehen. Typischerweise sind das Innosuisse-Projekte, der Königsweg. Das können wir weiter ausbauen. WINsights ist ein wichtiges Element davon. Dadurch gewinnen wir auch die Sponsoren, wobei wir mit Atos schon einen sehr treuen Partner haben.

Der nächste Anlass ist also bereits aufgegleist?

Unbedingt, das werden wir wieder machen! WINsights führen wir jetzt unter diesem Namen bereits zum vierten Mal durch, das ist eine Marke, die wir weiter pflegen werden – besonders natürlich nach der heutigen erfolgreichen Durchführung.


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