Iggy Pop versteckt seinen alternden Körper nicht. 22. April 2023, San Francisco. Foto: Tim Mosenfelder/Getty Images.

Punk-Ikone innerlich unverändert

Jetzt, da ich selber älter werde und mit den Veränderungen meines Körpers hie und da hadere, sehe ich auch genauer hin, wie meine früheren Held:innen aus der Musik- oder Filmwelt äusserlich altern. Es scheint, als würden Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, mich zum Nachdenken über das eigene Bild des alt werdenden Menschen (also von mir) anregen: Wie will ich altern, was gefällt mir am Älterwerden, was weniger? Was könnte ich mir vorstellen, was nicht? Oder was könnte ich mir vorstellen, werde es aber nicht tun (z.B. eine kleine chirurgische Korrektur) und wieso eigentlich nicht? 

Klar, es gibt Eingriffe, mögen sie noch so klein sein, die ich nie machen würde, beispielsweise die Stirn botoxen oder  die Lippen aufspritzen. Es gibt also Personen in der Öffentlichkeit, denen werde ich es nicht gleichtun – z. B. Dolly Parton oder Cher.

Unverfälschter Blick auf den alternden Körper

Und dann gibt es Personen, die mich über mich und meinen Umgang mit den Zeichen des Älterwerdens nachdenken lassen. Einem davon bin ich letzthin am TV beim Zappen begegnet: Iggy Pop, bürgerlich James Newell ‘Jim’ Osterberg, geboren am 21. April 1947 in Muskegon, Michigan. Er ist heute also 76 Jahre alt.

Er mag einen Hang zur Selbstdarstellung haben, aber er kennt, anders als andere Popstars in ihren 70-ern oder 80-ern, keine Scheu, die Narben seines Lebens als Teil seiner selbst anzuerkennen und uns mit grosser Selbstverständlichkeit damit zu konfrontieren. Er trat am Montreux Jazz Festival 2023, wie meist, mit nacktem Oberkörper auf. Keine langärmligen Hemden oder T-Shirts, kein Botox, keine Operationen, mittels derer ein gelebtes Leben beschönigt werden könnte und kein Hinweis darauf, dass es das müsste. Die Mimik unverfälscht, Falten im Gesicht, Falten an den Armen, erschlaffte Haut, Muskeln. Er hinkt sichtbar versehrt und mit schiefer Hüfte über die Bühne.

Mit Gleichmut gegen normative Bilder des Alterns

Man könnte nun sagen: alles unwichtig. Iggy macht Musik, kraftvoll, mit unverkennbarer Stimme und einer Intensität, die nach wie vor berührt und begeistert. Man könnte auch sagen: Iggy hat immer provoziert – mit Worten, Musik, Taten, jetzt eben damit, dass er uns zwingt, sein Alter und das, was das Älterwerden mit seinem Körper gemacht hat, anzuschauen. Klar, ich kann die Augen schliessen und einfach zuhören. Oder ich kann mir die Frage stellen, wieso mich Iggys Erscheinungsbild irritiert, und mich auf die Suche nach internalisierten, (gender)normativen Vorstellungen von Alt-sein, Alt-werden, dem Erlaubten machen. Und so, nach und nach – so hoffe ich – den an mir sichtbaren Zeichen des Alterns versöhnlich, mit Gleichmut, Selbstverständlichkeit und Stolz begegnen.

Iggy Pop ist auch im Dokumentarfilm “Gimme danger” von 2017 zu sehen. Die DVD des Films ist Teil der Filmsammlung der ZHAW Hochschulbibliothek: Gimme danger : Über den Mythos The Stooges.

Ein Beitrag von Katharina Fierz

Schlagwörter: Altersbild, Gender, Musik

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