Das Märchen vom Business Plan

Meistens beginnt er mit einer Kurzfassung einer brillanten Idee, die in den nachfolgenden Seiten durch Erläuterung der Strategie, einer Kampfansage an die Konkurrenz, einem Bild des Traumkunden und einem Rattenschwanz mit Zahlensalat bekräftigt werden soll. Die Rede ist vom Business Plan.

Längst nicht Standard bei Unternehmern, gewinnt er jedoch bei Neugründungen zunehmend an Wichtigkeit. Zahlreiche Bücher, Kurse und Videos widmen sich dem Thema. Was ist ein Business Plan? Wie wird er strukturiert? Welches sind die relevanten Inhalte? Wie gelange ich an dieses Wissen? Für viele ist das Schreiben eines Business Plans mehr Kampf als Vergnügen, fehlt doch das notwendige betriebs- und mikroökonomische Wissen zu Markt, Marketing, Strategie, Prozessen, Finanzierung, Buchhaltung und dergleichen. Dank der Fülle an Angeboten dürfte diese Herausforderung aber durchaus zu meistern sein. Belohnt wird man mit einem Stapel bedruckten Papiers im Umfang von etwa 20 bis 30 Seiten, der die eigene Geschäftsidee im besten Falle in sich stimmig abbildet und dem Leser eine vage Idee des eigenen Geschäftsvorhabens gibt. Genau dazu ist er letztlich auch gedacht: Geldgeber wie Investoren und Banken werden sich kaum auf eine Finanzierung einlassen, wenn nicht ein Business Plan des Vorhabens dargelegt werden kann. Auch anderen Stakeholdern wie potenziellen Mitgründern, Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten kann der Business Plan entscheidungsrelevante Anhaltspunkte liefern.

Nun hat man ja den Business Plan, quasi das Handbuch für das eigene Vorhaben; Jetzt gilt es, diesen so genau wie möglich umzusetzen, um den prognostizierten Erfolg zu erreichen, nicht wahr? Genau in diesem Trugschluss liegt aber das Risiko des Business Plans. Wie der Name bereits nahe legt, ist ein Business Plan letztlich nur ein Plan. Ein Sammelsurium von Vermutungen, die bestenfalls auf realistischen Annahmen beruhen – “educated guesses”, wie es der Englischsprachige treffend ausdrückt. Wer kennt schon den Kunden in einem noch nicht existierenden Markt? Wer weiss, welche Strategie zielführend ist? Wie sieht die optimale Preisgestaltung aus? Für ein Unternehmen, das existierende Märkte bedient (man denke zum Beispiel an einen weiteren Friseur-Salon, eine neue Bar oder ein Blumenladen), sind viele dieser Fragen leicht zu beantworten. Viele Start Ups dringen jedoch in noch unbekannte Gewässer vor, die es erst zu erkunden gilt. Auch wenn man viel Mühe in die Recherche und Strategiefindung gesteckt hat, ist schlussendlich nur eines garantiert: Es kommt ganz bestimmt anders. Möglicherweise nur geringfügig anders, aber wahrscheinlich ganz anders. Die Zukunft lässt sich nur schwerlich genau vorhersagen – andernfalls landen wir schnell beim Kaffeesatzlesen. Wozu nun also die ganze Mühe, gerade wenn man nicht an Drittmittelfinanzierung interessiert ist?

Es wäre ein falscher Schluss, dem Business Plan nun gänzlich abzuschwören. Zunächst sollte man sich seiner Schwächen (insb. die unvermeidbare Ungenauigkeit) bewusst sein. Und der Weg ist in diesem Falle womöglich fast wertvoller als das Ziel: Der Prozess, der im Erfolgsfall zum Business Plan führt, zwingt angehende Gründende zur Reflektion und Plausibilisierung des eigenen Vorhabens, zur Auseinandersetzung mit dem zukünftigen Unternehmensumfeld und den eigenen Stärken und Schwächen. Doch auch der fertige Business Plan (wenn es denn einen solchen gibt), dient weiteren Zwecken: Die resultierende Ansammlung aus Vermutungen und Hypothesen sollte systematisch getestet und Experimenten unterzogen werden. Welche Hypothesen des Business Plans erweisen sich als richtig, welche als falsch? Betrachtet man den Business Plan nicht als statisches Schriftstück, welches wie die zehn Gebote in Stein gemeisselt ist, sondern als lebendes Dokument, kann er fortlaufend mit den Ergebnissen der “Experimente” ergänzt und um weitere Hypothesen erweitert werden. Schritt für Schritt werden so aus Vermutungen Erkenntnisse und das Unternehmen nähert sich dem Erfolg. Eine kontinuierliche Anpassung des Business Plans wird somit zur Unabdingbarkeit. Dieses Vorgehen, auch “validiertes Lernen” genannt, ist auch aus “Lean Start Up” bekannt – einer neuen Herangehensweise für die Gründung eines Unternehmens mit einem knappen Kapitaleinsatz und grossen Unsicherheiten über das Vorhaben, das Produkt, die Kunden, den Markt oder die Strategie (was nicht selten der Fall sein dürfte). Doch dazu in späteren Blog Posts mehr.


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