Wer eine Person betreut, die von einem Schlaganfall betroffen ist, findet sich nicht nur in einer völlig neuen Situation wieder, sondern hat auch oft wenig Zeit, diese neue Situation zu reflektieren. Aus diesem Grund haben Sonja Willmann und ein Team von Forscherinnen des ZHAW-Departements Gesundheit einen kostenlosen Kurs entwickelt, mit dem sich Angehörige zeitlich flexibel und bequem von zuhause aus Tipps und Wissen aneignen können. Wir haben mit Sonja Willmann über die Idee hinter dem Kurs gesprochen.
Im Rahmen deines Forschungspraktikums für das Masterstudium konntest du dich nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch in ein Projekt vertiefen. Das Resultat ist ein Online-Kurs für Angehörige von Schlaganfall-Betroffenen. Warum ein Online-Kurs?
Die Idee ist im Zusammenhang mit einer Doktorarbeit entstanden. Es hat sich dabei herausgestellt, dass sich unterstützende Angehörige von Menschen mit Schlaganfall häufig alleingelassen fühlen. Sie haben ganz klar den Wunsch nach Unterstützung geäußert – gerne auch in digitaler Form. Der Vorteil eines Online-Kurses im Vergleich zum Beispiel zu einem Selbsthilfekurs vor Ort ist, dass er ortsungebunden ist. Die Leute müssen nicht erst anreisen oder irgendwo hingehen, sondern können bei sich zu Hause teilnehmen. Auch ist er zeitlich flexibel. Sie können den Kurs dann machen, wenn sie Zeit haben. Auch nur einen Teil des Kurses zu machen oder mal vor-, mal zurückspringen, ist möglich. Mit dem Online-Kurs möchten wir die betreuenden Angehörigen von Menschen mit Schlaganfall so unterstützen, dass sie eine Erleichterung in ihrem Alltag erfahren.
Was musstet ihr beachten bei der Ausrichtung auf die Zielgruppe?
Der Kurs richtet sich an alle unterstützenden Angehörigen, die eine Person mit Schlaganfall unterstützen. Da Schlaganfälle häufiger im höheren Lebensalter auftreten, sind die unterstützenden Personen oft selbst bereits schon etwas älter. Es handelt sich meistens um Ehe- oder Lebenspartner, die die unterstützende Tätigkeit übernehmen. Wir haben versucht, den Kurs simpel zu halten. Es wird auch immer genau erklärt, was man machen muss und wo man klicken muss, damit das Ganze eine möglichst geringe Hürde darstellt.

Wie ist der Kurs aufgebaut?
Der Kurs beginnt mit Informationen zur Diagnose Schlaganfall, und es werden verschiedene Behandlungsmöglichkeiten und Therapieform vorgestellt. Danach werden die Symptome thematisiert, die aufgrund eines Schlaganfalls auftreten könnten.
Ganz praktisch sind dann die Übungen sowie die vorgestellten Programme und Applikationen, die den Alltag erleichtern sollen. Im Kursteil «Alltag» werden Hilfsmittel und Anpassungen für den Wohnraum vorgestellt. Auch da geht es darum, wie man den Alltag möglichst erleichtern kann. Wo diese Hilfsmittel bezogen werden können sowie die Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung, sind ebenfalls im Kurs enthalten.
Eine ganz große Einheit ist speziell für die Angehörigen selbst: Hier geht es um Energiemanagement und Selbstfürsorge. Sie bekommen einerseits theoretisches Wissen vermittelt, anderseits auch direkte Links und Übungen mit praktischen Tipps, die sie dann selber ausführen können. In diesem Teil werden auch Fachorganisationen vorgestellt, die unterstützende Angehörige bei sich anstellen. So können diese für ihre pflegerischen Tätigkeiten eine Vergütung erhalten – insbesondere, wenn sie beruflich kürzertreten müssen und dadurch in finanzielle Engpässe geraten.
Wie lange dauert der Kurs?
Der Kurs ist nicht nach zwei, drei, vier Wochen beendet, sondern er kann wie ein Nachschlagewerk genutzt werden. Das bedeutet die Leute können frei entscheiden: Sie können auch nur das lesen, was sie im Moment interessiert. Ein paar Wochen später interessiert sie vielleicht ein ganz anderes Thema, und dann können Sie, wie sie wollen, hin und her springen.
Neben Texten sind auch Videos integriert.
Genau. Wir haben Video-Interviews mit Expert:innen aus den einzelnen Bereichen drin: mit einem Ergotherapeuten, einer Physiotherapeutin, einer Logopädin oder mit jemand, der sich mit Selbstfürsorge auskennt. Man kann in dem Kurs also Videos schauen, Texte lesen und man kann über Bilder arbeiten.
Der Online-Kurs ist nun bereit für die Nutzung. Ist auch eine Evaluation ist geplant?
Ja, ab August oder September möchte ich anfangen, Interviews zu führen. Das bedeutet, die Teilnehmenden, die mit mir über ihre Erfahrung mit dem Onlinekurs sprechen möchten, können mit mir Kontakt aufnehmen. Im Kurs kann man entsprechend auf meinen Namen klicken und mir per E-Mail schreiben. Es wird in der Evaluation dann um die Fragen der Nutzbarkeit gehen: Was ging gut, was war schwieriger? Ich würde dies dann alles auswerten – auf die Masterarbeit hin, die ich im Mai nächsten Jahres abgeben werden. Danach soll dann eine Optimierung des Kurses stattfinden.
Dann wünschen wir dem Kurs möglichst viele Nutzende. Vielen Dank für das Gespräch!
Zum Online-Kurs „Unterstützung für Angehörige von Menschen mit Schlag-Anfall“
Zur Person
Sonja Willmann absolviert derzeit ihr Masterstudium (MSc) in Physiotherapie an der ZHAW. Im Rahmen eines Forschungspraktikums, das Teil ihres Masterstudiums war, unterstützte sie die Vorbereitungen für diesen Onlinekurs für Angehörige von Menschen mit Schlaganfall. Anschliessend übernahm sie die Weiterentwicklung dieses Kurses und organisierte sämtliche Aspekte bis hin zu seiner Veröffentlichung. Ab Sommer 2025 wird sie im Rahmen ihrer Masterarbeit freiwillige Teilnehmende dieses Kurses interviewen, um deren Erfahrungen zu erfassen. Ziel dieser Befragung ist es, den Kurs anhand der erhaltenen Rückmeldungen weiter anzupassen und zu optimieren, sodass er die Bedürfnisse von unterstützenden Angehörigen bestmöglich erfüllt. Sonja Willmann hat im Jahr 2020 ihr Bachelorstudium in Physiotherapie abgeschlossen und arbeitet als Physiotherapeutin in einer Praxis im Zürcher Unterland.
Kontakt: willmson@students.zhaw.ch

Interview: Dieter Sulzer, Kernteam AGe+, Fachreferent Angewandte Gerontologie an der ZHAW Hochschulbibliothek