Geniesst du noch oder liest du schon?

Filme zu untertiteln ist Arbeit und Kunst zugleich. Denn gute Untertitel nehmen wir nicht wahr, schlechte hingegen ruinieren das Kinoerlebnis. Peter Jud vermittelt an der ZHAW seinen Studierenden, worauf es ankommt.

30 bis 40 Stunden. So lange braucht Peter Jud, um einen kompletten Dokumentarfilm zu untertiteln. Dank seiner Arbeit können die Zuschauer:innen die Sprachbarriere überwinden. Der Winterthurer untertitelt englische, holländische, französische und spanische Spiel- und Dokumentarfilme für Festivals, Kino und TV. An der ZHAW arbeitet Peter ausserdem als Dozent für die Fächer Übersetzen und Untertitelung. Audiovisuelles Übersetzen lautet der Fachbegriff dafür.

My Old Man (2022) Official Trailer (EN)

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Dieser Dokumentarfilm wurde von Peter Jud untertitelt. “My Old Man” läuft ab dem 19. Mai in ausgewählten Schweizer Kinos.

«Unsere Lesegeschwindigkeit beträgt etwa 15 Zeichen pro Sekunde. Beim Filme untertiteln muss ich also einerseits gesprochene Sprache reduzieren, andererseits dafür sorgen, dass Ton, Bild und Text gemeinsam funktionieren», erklärt er. Das klingt einfacher als es ist. Untertitel sollen beispielsweise nicht über einen Schnitt gelegt werden, sonst wirkt das Bild unruhig. Der Untertitel darf auf keinen Fall zu früh oder zu spät erscheinen. Sprichwörter wollen richtig übersetzt sein, Fluchwörter möglichst adäquat übertragen. «Wenn ein Film schlecht untertitelt ist, nehmen wir überhaupt erst wahr, dass wir am Lesen sind. Haben die Studierenden und ich uns Mühe gegeben, entsteht eine Symbiose zwischen Text, Ton und Bild.»

Von der Keule zum Kino

In seinen Job ist Peter eher zufällig reingerutscht. Nach der Schule zieht er als Jongleur durch Europa. Dabei entsteht die Liebe für Fremdsprachen. Diese allein reicht allerdings nicht aus fürs gute Untertiteln. Es braucht auch Ausdauer in Sachen Recherche, Freude an Tools und Technik, Sprachkompetenz sowie eine gehörige Portion Empathie. Peter muss sich sowohl in die Rolle des Regisseurs als auch in die des Publikums versetzen können, da er das Filmerlebnis mit seiner Tätigkeit stark beeinflusst. 

“Auf Deutsch stilvoll zu fluchen ist schwierig.”

Peter Jud

«Studierende sind manchmal erschlagen vom Aufwand, den so eine Untertitelung mit sich bringt. Sie brauchen drei Stunden für die ersten zwei Minuten Film und haben dann Angst, sie würden nie fertig», sagt er schmunzelnd. Allerdings sei die Tätigkeit für die Studierenden sehr erfüllend, wenn sie den Dreh mal raushätten. Angst, von einer Maschine ersetzt zu werden, hat Peter keine. «Google Translate kann je nach Verwendungszweck ein Instruktionsvideo angemessen übersetzen. Für Spielfilme ist es weniger geeignet, weil die Dialoge viele rhetorische Stilmittel beinhalten und auch unterhalten sollen.» Einzig etwas bereitet ihm ab und an Kopfzerbrechen: fluchende Charaktere. «Wenn ein Protagonist oder eine Protagonistin auf Englisch das F-Wort benutzt, ist es anspruchsvoll, eine passende Übersetzung zu finden. Das Publikum vergleicht jeweils sehr genau, was wir daraus machen. Auf Deutsch einigermassen stilvoll zu fluchen ist jedoch schwieriger als auf Englisch.» Manchmal lasse er die Schimpftirade einfach weg. «Das Publikum sieht ja, dass sich jemand auf der Leinwand aufregt. Das muss ich nicht wortwörtlich übersetzen», so Peter. Ein bisschen Dolmetscher-Tätigkeit darf der Stimme im Kopf der Zuschauerinnen und Zuschauer wohl doch noch zugemutet werden.


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