Künstliche Intelligenz oder Mensch: Wer prognostiziert genauer?

ZHAW-Student Ivo Elmer und sein Team haben mittels einer KI ausrechnen lassen, wie viel Pandemie-Schutzmaterial ein Krankenhaus benötigt. Dass die Software so treffgenau ist, hätten die vier jedoch nicht erwartet.

Ivo Elmers Fazit ist klar. «Die Künstliche Intelligenz (KI) ist definitiv besser und schneller als der Mensch. Teilweise betrug die Abweichung gerade mal 0,01 Prozent», schwärmt der 39-Jährige. Im Zuge seines CAS Business Analysis and Methods an der ZHAW hat Elmer zusammen mit Kevin Joss, Susanne Bassin und Gaël Roth eine KI-Prognose für ein grosses Schweizer Spital erstellen lassen. Der Algorithmus sollte jeweils für 6 Wochen voraussehen, wie viele Schutzmasken, Handschuhe oder Schutzmäntel benötigt werden.

«Ich arbeite selbst im Einkauf eines Spitals. Bei der ersten Corona-Welle konnte niemand richtig abschätzen, welche Ausmasse das annimmt und mit welchem Verbrauch von Schutzmaterialien wir rechnen müssen. Auch der regelmässige Austausch mit Virologen und Infektiologen verbesserte die Prognose nicht. Das ist kein Vorwurf, die Situation war einfach so neu, dass niemand genaue Voraussagen erstellen konnte», so Elmer.

Falsche Zahlen = Menschliches Versagen

Als im Sommer die Firma Prognosix , ein Anbieter für datenbasierte Entscheidungsunterstützung, auf Elmer zukommt, zögert er nicht lange. Zusammen mit drei Studienkollegen beschliesst er, den von der KI prognostizierten Bedarf mit dem tatsächlichen Verbrauch von Schutzmaterial zu vergleichen. «Wir wollten beweisen, dass die KI mit ihren Berechnungen um nicht mehr als 25 Prozent vom Bedarf abweicht.» 

Was sie schlussendlich auch nicht tat. Im besten Fall prognostizierte die KI mit einer Abweichung von gerade mal 0,01 Prozent, im schlechtesten lag sie um 23.08 Prozent daneben. «Es gab zwar Fälle, wo die KI komplett falsch lag, allerdings war menschliches Versagen der Grund dafür, da wir fehlerhafte Daten eingetragen hatten», erklärt Elmer.

Misstrauen gegenüber der «Black Box»

Die KI berücksichtigte bei ihrer Prognose die aktuellen Infektionszahlen, Wetterdaten, politische Massnahmen sowie die Anzahl Quarantänepatienten im Spital. Die Daten holte sie sich selbst von Webseiten, die ihr von den Studierenden zugewiesen wurden. «Mit der KI könnte man Personalaufwand reduzieren als auch Materialkosten sparen», sagt Elmer. Doch aktuell bleibt es beim «könnte». Das Problem ist die Software namens ERP
(Enterprise Resource Planning). Das ist eine Software, welche sämtliche Kernprozesse wie Finanzen, Personalwesen, Logistik und Beschaffung vereint. Zwischen dieser und der Künstlichen Intelligenz müssten IT-Schnittstellen für den Datenaustausch programmiert werden, was zu aufwendig ist.

«Für unsere Arbeit haben wir die Daten manuell in einem Excel-File eingetragen. Das ist ein riesiger Aufwand und macht die Sache nicht schneller», erklärt Elmer. Ausserdem müsse man Vorgesetzte von der Software überzeugen. «Da ist noch etwas Misstrauen vorhanden. Denn wir geben die Daten quasi in eine Black Box ein, und hinten kommt ein Bestellvorschlag heraus. Viele fragen sich, wie sehr sie diesem Algorithmus vertrauen können.» Bei einem Spital ist die Software allerdings schon im Einsatz und liefert genaue Prognosen. Elmer ist überzeugt: «Mit den richtigen Daten funktioniert die KI und spart Zeit und Geld.»


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