Foto einer Frau am Arbeitsplatz, die ihren Kopf in den Händen hält und gestresst wirkt. Auf ihrem Arbeitsplatz liegt ein grosser Stapel Papier mit Post-its, ein Block und Schreibutensilien, sowie ein Laptop und Bildschirm.

Digitalisierung der Büroarbeit – Erleichterung und Belastung

Eine Online-Sitzung aus den Ferien, Dokumente unterwegs anschauen und eine E-Mail lesen, während das Kind in den Schlaf gestreichelt wird. Die Digitalisierung der Büroarbeit ermöglicht das Arbeiten nicht mehr nur am Arbeitsort, sondern immer und überall. Gerade seit der COVID-Pandemie haben viele neue Technologien Einzug gehalten und die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit sind fliessend. Dies erleichtert die Arbeit, kann aber auch belastend sein.

Gastbeitrag von Sarah Sclafani, Psychologin MSc, Wissenschaftliche Mitarbeiterin ZHAW, Dozentin und Coach

Stress ist eine enorm grosse Sorge der Schweizer Bevölkerung. In einer repräsentativen Umfrage gaben 39% an, Stress als eines der grössten gesundheitlichen Probleme zu sehen, mit denen Menschen in der Schweiz konfrontiert sind. Im globalen Vergleich liegt die Schweiz gemeinsam mit Argentinien an der Spitze der Besorgnis über Stress. Laut dem Job-Stress-Index befindet sich etwa ein Viertel im kritischen Bereich, in dem die Belastungen die verfügbaren Ressourcen übersteigen, fast die Hälfte ist im sensiblen Bereich und nur ein Viertel im vorteilhaften Bereich. Zum ersten Mal seit 2014 liegt der Wert der emotionalen Erschöpfung über 30%. Diese Personen erleben mehr Belastungen als Ressourcen über einen längeren Zeitraum, bis hin zur Erschöpfung. Ihnen fehlen Phasen der Erholung. Wird die Stresskurve betrachtet, ist Erschöpfung die Vorstufe von Burnout. Diese Zahlen gehen mit hohen Kosten einher. Bei einem ausgeglichenen Verhältnis zwischen Belastungen und Ressourcen würden in der Schweiz wirtschaftliche Kosten von CHF 6.5 Milliarden / Jahr gespart. Abgesehen davon sind die Mitarbeitenden ein wichtiges Gut, dass es zu schützen gilt. Dazu besteht sogar eine gesetzliche Pflicht für Arbeitgebende.

Erleichterung und Belastung

Die Digitalisierung bringt zahlreiche Vorteile mit sich. Diese wurden durch die COVID- Pandemie beschleunigt. Wer im Homeoffice arbeitet kann tagsüber einkaufen, den Mittag mit den Kindern verbringen oder die sonst benötigte Pendelzeit einsparen. Ausserdem wird häufig von einer gesteigerten Effizienz berichtet. All das ist nur möglich, dank Online-Sitzungen und geteilten Ablagesystemen, an denen mehrere Personen gleichzeitig remote arbeiten können, etc. Wären sie nicht äusserst hilfreich für uns Menschen, würden wir nicht so viel Geld und Zeit in ihre Weiterentwicklung investieren. Sie bedeuten aber auch, dass der Mensch sich umgewöhnen und laufend Neues lernen muss, sowie mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert ist. Dies kann zu Stress führen. Es wird klar, Technologien sind gleichzeitig Teil des Problems, als auch Teil der Lösung. Es besteht eine Ambivalenz. Einerseits bringt die digitale Arbeit Vorteile wie:

  • Flexibilisierung der Arbeitszeit und des Arbeitsortes
  • Bessere Vereinbarkeit von Freizeit und Beruf
  • Arbeitserleichterung 
  • Effektivitätssteigerung 

Andererseits kann es zu negativen Auswirkungen kommen, wie:

  • Verringerter Arbeitsleistung
  • Sinkender Arbeitszufriedenheit / weniger Verbundenheit mit dem Arbeitgeber
  • Stärkerer Konflikt zwischen Arbeits- und Privatleben
  • Stärkere emotionale Erschöpfung
  • Tieferes Wohlbefinden
  • Höhere Anzahl gesundheitlicher Beschwerden, wie Kopfschmerzen, nächtliche Schlafstörungen, allgemeine Müdigkeit, Rückenschmerzen.
Illustration eines Stress-Tachometers, der auf Stufe gelb steht. 3 Personen versuchen den Zeiger ins Grüne zu bewegen.

Welche Bewältigungsstrategien gibt es?

Zum Ausgleich digitalen Stresses im Arbeitsumfeld gibt es die Möglichkeit auf drei Ebenen anzusetzen; beim Unternehmen, Team und Individuum. Eine Sensibilisierung für digitalen Stress kann in Unternehmen durch Schulung des Managements und Führungspersonen geschehen. So kann es bspw. bereits hilfreich sein, wenn die Führungsperson die Erreichbarkeit im Team bespricht und klar festlegt. Es ist keine Seltenheit, dass auch ausserhalb der regulären Arbeitszeit E-Mails verschickt werden. Wenn die Erreichbarkeiten nicht festgelegt wurden, fühlt sich die empfangende Person oftmals unter Druck möglichst rasch zu antworten. Spannenderweise hat die sendende Person eine tiefere Erwartung der Reaktionszeit (e-mail urgency bias). Entlastend wirkt ein Hinweis in der E-Mail, welche die erwartete Reaktionszeit klarstellt. Auch möglich sind Default Einstellungen der diversen Programme, die von der IT für alle Mitarbeitenden eingestellt werden.

Auf der Stufe der Arbeitnehmenden gibt es ebenfalls Ansatzpunkte. Es bestehen überzeugende Befunde zu Achtsamkeit im Umgang mit digitalem Stress. Die bewusste Wahrnehmung von Stressoren ermöglicht angepasstes Handeln und eine bessere Bewältigung davon. In einer Studie konnten Messungen von Hirnströmen nachweisen, dass achtsame Pausen bei Online-Sitzungen hilfreich sind. So kumuliert sich bei pausenlosen Online-Sitzungen der Stress, die Ablenkungen steigen und das Engagement sinkt. Pausen mit einer Achtsamkeitsübung hingegen lassen das Hirn resetten. Die vorangehende Sitzung lässt sich abschliessen, das Stresslevel sinkt und die Bereitschaft für die nächste Sitzung steigt. In Form eines fixen Termins lässt sich eine achtsame Pause direkt im Anschluss an eine Online-Sitzung in die Agenda planen.

Häufige Unterbrechungen sind ein grosses Thema. Sie treten durchschnittlich alle vier Minuten auf, wobei E-Mails die Hauptursache sind, gefolgt vom Smartphone. Um diese Ablenkungen zu minimieren, sollte man unbedingt in den Einstellungen der diversen Applikationen, die Benachrichtigungen in Form von Pop-up oder Ton deaktivieren. Es hilft auch, das Mailprogramm nur zu festgelegten Zeiten zu öffnen und das Smartphone ausser Sichtweite aufzubewahren.

Ebenfalls auf der Stufe des Individuums lässt sich das Thema mangelnde soziale Kontakte angehen. Aus diversen Studien geht hervor, dass fehlende soziale Kontakte bis hin zu Einsamkeit ein Stressor digitaler Arbeit sein können. Im Homeoffice öfter mal Fragen telefonisch klären, bringt erstens mehr Nähe und zweitens spart es oftmals ein unnötiges E-Mail-Ping-Pong. Neben der Quantität hat aber auch die Qualität einen grossen Einfluss auf unsere Zufriedenheit. Ab 50% virtueller Kommunikation leidet die Beziehungsqualität zur Führungsperson resp. zu Kolleg:innen. Analoge Kommunikation sollte also die virtuelle überwiegen.

Wie weiter?

Abschliessend lässt sich festhalten, dass die Auswirkungen von digitalen Technologien im Arbeitsumfeld zunehmend an Bedeutung gewinnen und eine Herausforderung für Arbeitgebende und Arbeitnehmende darstellen. Es ist unerlässlich, dass Unternehmen diesen Aspekt bei der Förderung einer gesunden Arbeitsweise bedenken. Darüber hinaus sollten individuelle Strategien zur Stressbewältigung entwickelt und angewendet werden, um die negativen Auswirkungen von digitalem Stress zu minimieren und von den technischen Errungenschaften bei der Büroarbeit zu profitieren.

Quellen:


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