Blogautoren: Marc Kuhn (ZHAW/ISC) und Sandro Rippstein (ZHAW, ISC)
Für die Industrie 4.0, aber auch allgemein für IoT-Anwendungen, werden Systeme zur drahtlosen Kommunikation immer wichtiger – nicht nur zur Kommunikation/Datenübertragung, sondern auch zur Lokalisierung (im Sinne von Positionsschätzung) und zum Tracking (Nachverfolgung der Position). Grob unterscheidet man zwischen Indoor- und Outdoor-Lokalisierung.
Robuste und präzise Indoor-Lokalisierung, z.B. basierend auf UWB-, Bluetooth- oder WiFi-Technologie, ist noch immer ein aktives Forschungsgebiet; sie ist für Anwendungen im Bereich Industrie 4.0 oft von besonderem Interesse und wir werden uns ihr in einem zukünftigen Blog-Beitrag widmen.
Outdoor-Lokalisierung mittels GNSS
Das bekannteste Outdoor-Lokalisierungssystem ist sicherlich GPS (Global Positioning System – offiziell NAVSTAR GPS). GPS wurde in den USA entwickelt und ist ein globales Navigationssatellitensystem (GNSS), wie auch Galileo der Europäischen Union, das chinesische Beidou und das russische GLONASS. Basierend auf Funksignalen, die von Satelliten in Erdumlaufbahnen ständig gesendet werden, schätzt ein GNSS-Empfänger seine Position auf der Erde, indem er die Entfernungen zu den einzelnen Satelliten berechnet. Dabei wird aus der Laufzeit der Funksignale auf die Entfernung zum Satelliten geschlossen. Ursprünglich für das Militär entwickelt sind globale Navigationssysteme seit geraumer Zeit für zivile Anwendungen verfügbar, beispielsweise in Navigationssystemen fürs Auto, aber auch für Smartphones und Smartwatches. Typischerweise muss eine direkte «Sichtverbindung» vom Empfänger zu vier oder mehr Satelliten bestehen, damit die Positionsschätzung mit annehmbarer Genauigkeit funktioniert; daher sind solche Systeme für Indoor-Lokalisierung nicht gut geeignet.
Outdoor-Lokalisierung: Genauigkeit von GNSS
Die Genauigkeit, mit der ein GNSS-Empfänger seine Position schätzen kann, ist natürlich ein wichtiger Faktor. Mit 95%iger Wahrscheinlichkeit weicht die mittels Standard-GPS geschätzte Position nicht mehr als 12m von der tatsächlichen Position ab, unter sehr guten Bedingungen weniger als 7m (wobei der mittlere Fehler entsprechend unter diesen Werten liegt). Doch für viele aktuelle und zukünftige Anwendungen genügt diese Genauigkeit nicht. Beispielsweise ist eine hochgenaue und robuste Outdoor-Lokalisierung wichtig für die Landesvermessung, aber auch für «Autonomous Driving» Systeme.
Die Hauptgründe für die Ungenauigkeiten in der Positionsschätzung sind die Auswirkungen der Atmosphäre und der Mehrwegeausbreitung auf die Satellitensignale. Beim Durchqueren der Ionosphäre (von ca. 80km über der Erdoberfläche bis 1000km Höhe) und der Troposhäre (vom Erdboden bis in ca. 12km Höhe) kann sich die Geschwindigkeit des GNSS-Satellitensignals ändern, die im Vakuum des Weltalls konstant gleich der Lichtgeschwindigkeit ist. Dadurch, dass diese Geschwindigkeitsänderungen vom aktuellen Zustand der Luftschichten abhängen und daher nicht genau bekannt sind, kommt es zu entsprechenden Ungenauigkeiten in der Berechnung der Entfernung zu den einzelnen Satelliten. Des Weiteren kann das Satellitensignal auf dem Weg zum Empfänger an Objekten reflektiert oder gestreut werden und erreicht diesen Empfänger dann über unterschiedliche Pfade. Diese Mehrwegeausbreitung führt dazu, dass es beim Empfang zu Interferenzeffekten kommt, die die Qualität der GNSS-Signale verringern können und dadurch ebenfalls die Positionsschätzung erschweren.
Unterschiedliche Techniken werden eingesetzt, um die Genauigkeit der Positionsschätzung zu verbessern, z.B. das Differential-GNSS Verfahren (oft auch als Differential-GPS bezeichnet) oder Dual-Band bzw. Multi-Band GNSS-Empfänger (sie werden auch als Dual-Band bzw. Multi-Band GPS-Empfänger bezeichnet).
Differential-GPS Verfahren verbessern die Positionsschätzung durch Korrekturdaten, die bereitgestellt werden von Referenzstationen mit exakt bekannten Positionen. Zum Beispiel werden beim Satellite Based Augmentation System (SBAS) solche Korrekturdaten von Referenzstationen am Boden ermittelt und Satelliten mitgeteilt. Diese Satelliten senden die Korrekturdaten dann wieder zu entsprechenden GPS-Empfänger am Boden, die die Differential-GPS Korrekturdaten zur Verbesserung der Positionsschätzung nutzen können; in Europa ist dafür das EGNOS System zuständig. Auch die Differential-GNSS Verfahren werden wir uns in einem zukünftigen Blog-Beitrag genauer ansehen.
Dual-Band und Multi-Band GNSS-Empfänger
Aktuell bewerben grosse Hersteller wie beispielsweise Apple, Garmin oder Samsung ihre neuen Smartphones und Smartwatches damit, dass sie Dual-Band oder Multi-Band GNSS nutzen, um die Genauigkeit der Positionsschätzung zu erhöhen. Für spezielle Anwendungen (z.B. bei der Landesvermessung und für High-End Anwendungen in Industrie und Luftfahrt) gibt es bereits seit längerem Dual-Band GNSS-Empfänger. Neu ist, dass diese nun so kostengünstig verfügbar sind, dass ihr Einsatz auch in Smartphones und Smartwatches möglich wird.
GNS-Systeme nutzen jeweils mehrere Frequenzbänder, beispielsweise werden GPS-Signale in drei verschiedenen Bändern gesendet: im L1-Band bei 1575.42 MHz, im L2-Band bei 1227.60 MHz und im L5-Band bei 1176.45 MHz. Während traditionelle GNSS-Empfänger nur ein Frequenzband verwenden, sind Dual- oder Multi-Band Empfänger in der Lage, GNSS-Signale in zwei oder mehr Frequenzbändern zu empfangen. Dabei ist auch der Empfang zweier Frequenzen von mehreren GNSS möglich, z.B. der L1- und L5-Bänder von GPS zusammen mit den E1- und E5-Bändern des Galileo-Systems. Es stehen also im Idealfall deutlich mehr Satelliten zur Positionsschätzung zur Verfügung, die dazu auch auf unterschiedlichen Frequenzen empfangen werden. Die Genauigkeit der Positionsschätzung profitiert dann zum einen davon, dass die Entfernungen zu einer grösseren Anzahl von Satelliten einbezogen werden kann, und zum anderen davon, dass für jeden einzelnen Satelliten die Entfernungsberechnung genauer wird.
Letzteres beruht auf folgenden Effekten: In der Ionospäre sind die Geschwindigkeitsänderungen abhängig von der Frequenz des Satellitensignals. Daher können Dual- oder Multi-Band Empfänger durch Vergleich der Signale auf unterschiedlichen Frequenzen den Einfluss der Ionospäre kompensieren. Dadurch wird ihre Berechnung der Entfernungen zu den einzelnen Satelliten entsprechend genauer. Auch die Auswirkungen der Mehrwegeausbreitung sind frequenzabhängig, so dass auch hierbei Empfänger, die mehr als ein Frequenzband nutzen, diese zumindest zum Teil kompensieren und so die Distanz zu den einzelnen Satelliten präziser berechnen können, um insgesamt eine bessere Positionsschätzung zu erzielen.
Eigene Tests mit Dual-Band und Multi-Band GNSS-Empfängern
Am ISC haben wir einige einfache Tests durchgeführt, um herauszufinden, ob sich Vorteile der Dual-Band / Multi-Band Empfänger gegenüber Single-Band Empfängern im Alltag zeigen. Dazu werden vier GNSS-Empfänger verglichen, von denen zwei Single-Band und die beiden anderen Multi-Band Empfänger sind. Alle vier nutzen die gleiche Antenne, das folgende Bild zeigt den Aufbau.
Ein erster Test erfolgte in Form einer E-Bike-Tour über ca. 20km, die am ISC in Winterthur startete. Die Karte in Bild 2 zeigt die Tour. Auf der Strecke von etwa 20km nahmen die vier GNSS-Empfänger je 1864 bzw. 1865 Positionsschätzungen vor.
Insgesamt sind die Unterschiede in der Genauigkeit der Positionsschätzungen der vier GNSS-Empfänger hier nicht sehr gross, wie beispielhaft ein Ausschnitt der Route in Bild 3 zeigt.
Bild 3 – Kreuzung
In Blau und in Rot sind die von den Multi-Band Empfängern getrackten Routen zu sehen, in Grün und Magenta die der Single-Band Empfänger. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Empfänger in unterschiedlichem Masse auf SBAS-Korrekturdaten zurückgegriffen haben, die zu einer höheren Genauigkeit führen:
- Der in Blau dargestellte Multi-Band Empfänger nutze im ersten Drittel der Strecke keine SBAS-Daten, dann aber wurde jede Positionsschätzung durch SBAS unterstützt: 1238 SBAS-Datensätze in 1864 Positionsschätzungen.
- Der Multi-Band Empfänger in Rot nutzte hingegen nur 2mal SBAS-Daten bei 1864 Positionsbestimmungen.
- Der Single-Band Empfänger in Magenta nutzte 772 SBAS-Korrekturdatensätze bei 1865 Positionsschätzungen.
- Beim Single-Band Empfänger in Grün wurde SBAS bei 1865 Positionsschätzungen nie verwendet.
Auch an Stellen, die für den Empfang der Satellitensignale nicht günstig sind, sind oft keine signifikanten Unterschiede zu erkennen, z.B. im folgenden Bild 4, in dem der Weg unter einer Eisenbahnbrücke hindurch geht.
Aber es finden sich auch Wegstücke, an denen sich Unterschiede zeigen, z.B. in Bild 5, in dem der Weg durch ein Waldstück unmittelbar unterhalb eines steilen Abhangs führt. Hier weicht der in Grün dargestellte Single-Band Empfänger deutlich und systematisch von dem gefahrenen Weg ab, während die anderen drei GNSS-Empfänger die gefahrene Strecke sehr gut tracken.
Ein zweiter Test erfolgte zu Fuss und der Weg war so gewählt, dass Mehrwegeausbreitung und Abschattung der Satelliten-Sichtverbindungen die Positionsschätzung erschwerten. Mehrwegeausbreitung und Abschattung sind z.B. in eng bebautem Stadtgebiet zu erwarten. Für Industrie 4.0 Anwendungen ist Outdoor-Lokalisierung möglicherweise gerade in einem solchen urbanen Umfeld interessant.
Ein entsprechendes Beispiel ist in Bild 6 und Bild 7 zu sehen, wo ein Teil der Route zwischen den Gebäuden und ein Teil unter den Gebäuden verlief. In Bild 6 erfolgt der Start des Weges etwa in der Bildmitte beim Stern in oranger Farbe. Dort wurde eine kurze Zeit lang am gleichen Platz gewartet, bis dann der Weg im Bild nach oben unter einer Überdachung zur Strasse hin, und von dort rechts um den Block herum fortgesetzt wurde (ebenfalls in Orange). Besonders am Anfang, wo Abschattung und Mehrwegeausbreitung zwischen den vier Stockwerke hohen Gebäuden höchstwahrscheinlich stark ausgeprägt waren, hatten die beiden Single-Band Empfänger (Grün und Magenta) keine eindeutige und präzise Positionsschätzung; erst im Laufe der Bewegung wurde es besser. Die Positionsbestimmung der beiden Multi-Band Empfänger (blau und rot) war deutlich präziser.
Auch in Bild 7 zeigen die beiden Multi-Band Empfänger (blau und rot) zwischen den Gebäuden deutliche Vorteile gegenüber den Single-Band Systemen (in Grün und Magenta dargestellt), die komplett «die Orientierung verlieren» und weit neben den tatsächlich abgelaufenen Wegen liegen. Die korrekte Route beginnt dabei im Bild rechts unten bei einem Baum (oranger Stern). Bis hierhin ist die Performance aller vier Empfänger in Bezug auf ihre Genauigkeit noch vergleichbar. Auf Höhe des Baumes geht die Route in Bild 7 weiter nach links, unter der Strasse hindurch (orange gestrichelt) und dann weiter wieder im Freien zwischen die Gebäude, wo die Route in etwa auf Höhe des orangenen Punktes endet.
Der nächste Ausschnitt, Bild 8, zeigt den Weg durch eine Unterführung unter einer Strasse. Hier wird die Sichtverbindungen zu den Satelliten blockiert.
Bild 8 – Weg durch Unterführung, korrekter Pfad in Orange
Der tatsächlich gegangene Weg ist in Orange eingezeichnet. Auch in dieser Situation zeigt sich ein Vorteil für die Multi-Band GNSS-Empfänger (in Rot und Blau), wobei der nicht so stark ausgeprägt ist.
Fazit der Tests
Insgesamt erscheinen die Multi-Band GNSS-Empfänger in unseren (nicht repräsentativen) Tests genauer und robuster als die Single-Band Empfänger, wobei die Unterschiede nur in einigen Spezialfällen wirklich deutlich ausfallen. Nachteilig ist allenfalls der gegenüber den Single-Band Empfängern leicht erhöhte Energieverbrauch und die Notwendigkeit einer Antenne, die für den Multi-Band Betrieb geeignet ist.
Die Verwendung von SBAS-Korrekturdaten scheint bei Single-Band Empfängern effektiver (also auch wichtiger) als bei den Multi-Band Empfängern zu sein. Darauf deutet hin, dass in unseren Tests die Unterschiede in der Genauigkeit zwischen dem blauen Multi-Band Empfänger, der häufig SBAS-Korrekturdaten zur Verfügung hatte, und dem roten, der nur sehr selten solche Daten nutzen konnte, viel geringer sind als die Unterschiede zwischen dem magentafarbenen und dem grünen Single-Band Empfänger. Der Empfänger in Magenta zeigte im Vergleich der beiden Single-Band Empfänger zumeist die höhere Genauigkeit, profitierte dabei aber auch in mehr als 40% der Positionsschätzungen von den SBAS-Korrekturdaten, während der in Grün dargestellte Single-Band Empfänger keine SBAS-Daten verwendete.