«Back to Campus» Semesterstart mit Zertifikat

Covid Zertifikat App

Ein Beitrag von Sophia Graupner. Sophia studiert Lebensmitteltechnologie in Teilzeit an der ZHAW Life Sciences und Facility Management und bloggt für das Digitale Studium.

«Back to Campus» – Alles zurück zum Alten? Das Konzept der Hochschule, welches im Sommer verkündet wurde, liess erwarten, dass alle Vorlesungen des Herbstsemesters 2021 im Präsenzmodus abgehalten werden können. Leider wurden die Pläne der Hochschule aber durchkreuzt.

Am 8. September 2021, kurz vor dem Semesterstart, ermächtigte der Bundesrat die Kantone an den Hochschulen eine Zertifikatspflicht für den Studienbetrieb einzuführen. Daraufhin wurde diese von der ZHAW zum Start des Semesters am 20. September eingeführt, um allen Hochschulangehörigen nach drei Online-Semestern wieder die Präsenz auf dem Campus zu ermöglichen. In die Hochschulgebäude kommt seither nur, wer geimpft, getestet oder genesen ist – die berühmten 3G’s. Im Gegenzug müssen in den Gebäuden keine Masken getragen und die Abstandsregeln nicht mehr eingehalten werden.

Impfen statt testen

Die Zertifikatspflicht stellt eine Herausforderung für all jene Studierenden dar, die noch nicht geimpft sind, auf die zweite Impfung warten oder sich nicht impfen lassen können oder möchten. Die erste Woche des neuen Semesters startete ohne Testmöglichkeiten vor Ort, da kurzfristig kein Testanbieter gefunden werden konnte. Jedoch stand in der ersten Woche das Zürcher Impfmobil auf dem Campus.

Um den Studierenden den Zugang zu den Praktika und Skills-Trainings zu ermöglichen, teilte das Departement Life Sciences und Facility Management das Gebäude RT, in dem die meisten Laborpraktika stattfinden, als «nicht zertifikatspflichtig» ein. Hierdurch kann ein Grossteil der anwendungsorientierten Module und Kurse, die nicht durch Online-Angebote ersetzt werden können, mit Maskentragpflicht und Abstandsauflagen durchgeführt werden.

Das Alternativangebot für Studierende ohne Zertifikat sieht je nach Studiengang anders aus und besteht aus Online-Unterricht oder digitalen Lernunterlagen, mit denen die Lerninhalte autodidaktisch erarbeitet werden können. Offiziell wurde das hybride Format, in welchem die Vorlesungen vor Ort live gestreamt werden und von Zuhause verfolgt werden können, nicht erwähnt. Viele Studierenden würden sich jedoch wünschen, dass der Unterricht der theoretischen Lektionen live übertragen oder mindestens aufgezeichnet und online zur Verfügung gestellt wird.

Gemäss Daniela Lozza, Verantwortliche Digital Education, ist das Streamen von Vorlesungen aus technischen Gründen aktuell nicht in allen Räumen möglich. Es ist aber vorgesehen, die grössten Hörsäle mit Mikrofonen und Kameras auszustatten und man arbeitet daran, die Lehrpersonen mit besseren Mikrofonen auszurüsten. Langfristig möchte man jedoch vor allem auf einen ausgewogenen Mix von Online- und Präsenzunterricht setzen, statt auf hybride Unterrichtsformate. Laut einigen Dozierenden zeigte sich im letzten Herbst, dass hybride Settings, bei denen ein Teil der Klasse online am Unterricht teilnimmt, die didaktische Vielfalt und die Interaktion mit der Klasse einschränken und zusätzliches Personal für die Moderation der virtuellen Teilnehmenden benötigt wird.

Eine Woche später – für viele ein Aufatmen

In der darauffolgenden Woche konnte die ZHAW Testmöglichkeiten vor Ort zur Verfügung stellen, an denen sich Studierende und Mitarbeitende bis zum 15. Oktober kostenlos testen lassen konnten. Seitdem der Bundesrat die kostenlosen Tests abgeschafft hat, bezahlt die ZHAW nur noch Tests, wenn ein Pflichtmodul besucht werden muss. Interessant ist, dass das BAG gepoolte PCR-Speicheltests an Hochschulen unterstützt und den Studierenden ein COVID-Zertifikat ausstellen würde. Anders als beispielsweise der Kanton Bern beschloss der Kanton Zürich jedoch, im Rahmen von repetitiven Tests keine Zertifikate auszustellen.

Wie hast du den Semesterstart erlebt?

In den vergangenen zwei Wochen hörte ich mich zu diesem Thema auf dem Campus um. Die erste Frage wurde gezielt an die Erstsemestrigen gerichtet. Die restlichen Fragen wurden von gemischten Studiengängen und Semestern beantwortet und sinngemäss wiedergegeben. Hierbei wollten alle Befragten anonym bleiben.

Wie war dein Studienstart als Erstemestrige/r?

«Ich hatte das Gefühl, dass die Dozierenden, mit der kurzfristig eingeführten Zertifikatspflicht auch etwas vor den Kopf gestossen waren.»

«Ich empfand es als stressig. Man kannte noch niemanden aus der Klasse, bei dem man hätte nachfragen können, ob man Informationen verpasste.»

«Ich habe am Freitagabend die Informationen für Montagmorgen erhalten, was mich etwas stresste. Wir waren alle nervös vor dem ersten Studientag und hatten keinerlei Informationen zum Ablauf. Eine Woche vor Semesterbeginn fragte ich die Dozierenden per E-Mail, ob es möglich wäre, Informationen über die Startwoche zu erhalten. Am Dienstagabend der darauffolgenden Woche, ein Tag nach meinem ersten Schultag, bekam ich eine Antwort auf meine E-Mail. Als ich jedoch am Campus war, freute ich mich sehr darüber neue Personen kennenzulernen.»

Hast du mit einer Zertifikatspflicht gerechnet?

«Ich bin erstaunt darüber, dass Personen wirklich dachten, es käme keine.»

«Ja! Man hat es immer im Hinterkopf, aber als es da war, war es doch noch ein Schock. Es bedeutete für mich, nicht mehr in die Vorlesungen kommen zu dürfen. Diese E-Mail hat mich in erster Linie dazu bewogen, mich für die Impfung anzumelden. Jedoch meldete ich mich wieder ab, da ich mich eigentlich nicht impfen lassen möchte und ich mich auch nicht drängen lassen will. »

«Ja, ich habe es erwartet, finde es jedoch nicht gut, da Personen in der Bildung eingeschränkt werden. Ausserdem wurde auf die Schnelle keine Alternative geboten.»

Welches Alternativangebot für Studierende ohne Zertifikat hast du erlebt und wie ist dein Feedback zur Umsetzung?

«Unsere Dozentin hält die Vorlesung in einem zertifikatspflichtigen Raum in Präsenz ab. Parallel stellt sie für alle Studierenden vertonte Power Point Sildes von letztem Jahr zur Verfügung. Ich finde das super! Ob geimpft oder nicht kann man nach der Vorlesung den Stoff anhand der vertonten Präsentationen wiederholen und zusammenfassen.»

«Ein Dozierender von uns zeichnet die Vorlesungen live auf und postet diese im Anschluss. Eigentlich finde ich das super, leider ist die Soundqualität jedoch sehr schlecht, da er die Aufnahme mit seinem Laptop macht.»

«Bei uns durfte die Klasse am Anfang des Semesters abstimmen, ob die Vorlesungen vor Ort oder online stattfinden sollen. Trotz einem hohen Anteil an geimpften Studierenden haben wir uns darauf geeinigt, die Vorlesungen weiterhin online abzuhalten, da die meisten aus unterschiedlichsten Gründen nicht an den Campus fahren wollten.»

«Bei uns findet der theoretische Teil des Kurses online und der praktische Teil des Kurses in Präsenz statt. Somit haben wir einen guten Mix von Präsenz- und Online-Veranstaltungen. Die theoretischen Inhalte werden 14-tätig mit vertonten Power Point Präsentationen vermittelt und durch Tests, im zweiwöchigen Rhythmus, überprüft. Ich finde dies sehr angenehm, da der Stoff ohne Probleme durch vertonte Präsentationen vermittelt werden kann. Jedoch müssen sich die Ungeimpften vor jedem Praktika testen lassen, da es in einem zertifikatspflichtigen Gebäude stattfindet.»

Persönliche Einordnung

Wie einer der Befragten, bin ich ebenfalls der Meinung, dass niemandem das Recht auf Bildung verwehrt werden sollte. Wie man aus den Antworten der Studierenden entnehmen kann, funktioniert das Alternativangebot für Studierende ohne Zertifikat relativ gut.

Obwohl das hybride Format nicht offiziell angedacht war, entschieden sich manche Dozierenden für diesen Weg. Ich finde dieses Format weder schlechter noch besser als die anderen, da es je nach Vorlesungsinhalt und Dozierenden gleichermassen geeignet sein kann.

Zugegeben gestaltet es sich schwierig, bei hybriden Formaten, beide «Enden der Leitung», ob live oder online, gleichermassen didaktisch einzubinden. Meinem Eindruck nach wird dies jedoch von den meisten Studierenden, welche von Zuhause aus teilnehmen, nicht erwartet.

Leider wird das hybride Modell von den meisten Studiengängen als „vorübergehendes Notfallszenario“ angesehen und daher nur wenig in die notwendige Ausstattung der Hörsäle investiert.

Aus eigener Erfahrung kann ich das Chaos am Anfang des Semesters bestätigen. Mir ist bewusst, dass der Bundesrat und die Kantone keine Rücksicht auf den Terminkalender der Hochschulen nehmen. Vielleicht hätte die Hochschule jedoch das Konzept „Back to Campus“ überdenken müssen.

Sowie die meisten Studierenden hätte es die Hochschule eventuell ahnen können, dass es zu einer Zertifikatspflicht in den Gebäuden auf dem Campus kommt. So hätte man sich anstelle von „Back to Campus“ auf Blended Learning mit einem Mix aus Präsenz und Online, auf das hybride Format oder Online-Formate konzentrieren können.

Meinem Eindruck nach ist die Bereitschaft der Studierenden, für theoretische Lektionen an den Campus zu fahren, durch die Pandemie und die neu lancierten Online-Formate gesunken – unabhängig von der Zertifikatspflicht.

So sollte die Hochschule anstelle von „Back to Campus“ keinen Schritt zurück, sondern durch neue Innovationen drei grosse Schritte nach vorne machen.

Wie seht ihr das? Ist der Online-Unterricht nur ein pandemie- bzw. zertifikatsbedingtes Notfallszenario oder besitzen die Unterrichtskonzepte Potenzial für die Zukunft?

Uns interessiert auch, wie die Dozierenden den Start in das Semester erlebt haben. Wir freuen uns über konstruktive Kommentare!


2 Kommentare

  • Es gibt auch Dozenten die ihren Unterricht in zertifikatspflichtigen Räumen abhalten und widerum keine alternative online Lösung bieten. Sie vertrösten die Studierenden mit Q&A Sessions, die wenig hilfreich sind, aber besser als nichts. Viele Dozenten beführchten, dass durch die online Alternative, weniger Studierende vor Ort sein könnten. Das geht aber meiner Meinung nach schon in eine Art Diskrimierung, da zur Zeit der Lockdowns, es auch möglich war über Zoom oder Teams den Unterrich nachzuverfolgen. Bei einigen Dozierenden ist es auch möglich und wird so gemacht, aber bei einigen eben auch nicht. Was das ganze paradox erscheinen lässt.

    Einfachste Lösung: für die studierenden ohne Zertifikat einen online Kanal (Zoom, Teams, Webex ect.) mit passwort einrichten, dass es fair bleibt und der Unterricht nachverfolgt werden kann. Die Testkosten (vorallem bei präsenzpflichtigem Theorie-Unterricht) könnte sich die Hochschule spare und damit besseres Equipment für die online Übertragung organisieren.

    • Ich bin aus diversen Gründen wie Klimaschutz, Volksgesundheit, nachhaltiger Ressourcennutzung oder der Freiheit durch individuelles Zeitmanagement dafür, dass alle höheren Schulen ihr Onlineangebot ausbauen sollen, auch um weiterhin attraktiv zu bleiben in einer Zeit, in der Wohn- und Ausbildungsort oft weit auseinanderliegen und das Internet allen zur Verfügung steht.
      Auf dieser Bildungsstufe und mit dem heutigen digitalen Potenzial kann man erwarten, dass die Studierenden fähig sind, sich den Lernstoff selbst zu erarbeiten und Fragen unter sich oder mit den Fachleuten zu klären.
      Es ist aber auch klar, dass für Dozenten vor allem der Präsenzunterricht fördernswert ist. Warum?
      Würde sich der Online-Unterricht durchsetzten – und das wird er früher oder später – wäre ihr Job möglicherweise in Gefahr.
      Selbst die beliebten Dozenten fürchten sich möglicherweise davor.
      Einmal angenommen, es gäbe eine (inter-)nationale Online-Bibliothek mit den jeweils besten aufgenommenen Vorlesungen für jeden Studiengang der Schweiz, wer bräuchte noch die Dozenten und Infrastruktur vor Ort?
      Dozenten würden noch als Betreuer bei Fragen oder Projektarbeiten gebraucht, die Infrastruktur würde sich wohl noch auf das Sekretariat und einige Prüfungsräume beschränken.
      Als Folge davon müsste ein kostenpflichtiges Abonnement für die Aufzeichnungen eingeführt werden und der Dozent, der am meisten geschaut wird, verdient dann eben auch am besten.
      Da wären viele schnell ausgestochen, die es nur dank den Präsenzpflichten dazu bringen, den Saal zu füllen.
      Es ist ja schon heute möglich und oft auch notwendig, sich ergänzende oder besser verständliche Vorlesungen anderer Hochschulen, Universitäten oder Privatkanäle zu dem entsprechenden Thema anzusehen.
      Ich selber wäre auch ohne den Zertifikats-Schwachsinn in Mathematik und Chemie aufgeschmissen, gäbe kein Youtube und Internet.
      Wäre die Organisation und Struktur der ZHAW jetzt schon optimal auf ein Onlineangebot eingestellt, so sähe ich keinen Grund mehr, jede Woche die halbe Schweiz zu durqueren für ein paar Lektionen. Einzig bei den Praktika ist dies natürlich sinnvoll und von selbst verständlich.
      Das Bildungswesen steht sicherlich voreiner Reformation grösseren Ausmasses.
      Die Pandemie zeigt uns auch neue und sinnvollere Wege auf, denn unser Problem ist nicht nur die Gesundheit, sondern auch der Umstand, dass wir unsere Möglichkeiten nicht nutzen wollen und damit das ganze System noch zusätzlich überlasten.


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