Jasmin Hirt aus dem Bachelorstudiengang Sprachliche Integration. Ein Portrait.

«Ich fühle Weltschmerz, was Migranten angeht»

Jasmin Hirt arbeitete bei der Gemeindeverwaltung Risch in der Sozialabteilung als Kaufmännische Angestellte. Diesen Sommer hat sie ihre Lehre abgeschlossen und startet im Herbst 2020 den Bachelorstudiengang Sprachliche Integration. Sprache ist für Jasmin nicht nur ein Kommunikationsmittel, sondern auch eine willkommene Herausforderung. Was sich die angehende Studentin vom Studium erhofft und warum sie für mehr Inklusion von MigrantInnen im Alltag ist, erzählt sie in diesem Beitrag.

von Lea Keller, Studentin Bachelor Kommunikation im 4. Semester am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft

Ich treffe mich im virtuellen Raum mit Jasmin, via Zoom. Dort lerne ich die angehende Studentin im Bachelor Sprachliche Integration kennen. «Hey, ich bin Jasmin Hirt, willst du auch meine Hobbys wissen?», fragt sie mich, nachdem ich hören wollte, wo sie herkomme. «Natürlich», antworte ich. Jasmin singt im Chor, ist gerne in der Natur und betreibt Shinson Hapkido. «Das ist eine Kampfkunstart», erklärt sie. «Ich mache das seit elf Jahren.» Die Trainingsräume der koreanischen Sportart seien in vielen Ländern verteilt. In Lagern und im Verein fänden Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen zusammen, zum Beispiel auch MigrantInnen. «Durch sie habe ich viel erfahren und fühle dadurch einen Weltschmerz, was Migranten angeht. Genau wie sie könnten wir uns auch plötzlich auf der anderen Seite des Erdballs befinden, die Sprache nicht verstehen und uns deshalb nicht integrieren können. Dann ist man einsam.» Jasmin wünscht sich mehr Inklusion und möchte gegen die Ausgrenzung vom Fremden ankämpfen. Deshalb wird sie Sprachliche Integration studieren.

«SchweizerInnen sprechen ungern Hochdeutsch»

Ich frage Jasmin, wieso Sprache für sie so wichtig ist. «Um mit Menschen zu kommunizieren zum einen. Zum anderen ist Sprache eine Herausforderung. Das ist wie in der Mathematik: Bei der Sprache lernt man immer neue Wörter und schafft neue Verknüpfungen.» Verknüpfungen machen möchte Jasmin auch, und zwar zwischen Menschen, der deutschen Sprache und der Schweizer Kultur. Während eines Besuchs einer Deutschunterrichtsstunde von einer Bekannten wurde Jasmin auf Missverständnisse aufmerksam, welche durch Sprache entstehen können. «Wegen Erzählungen von befreundeten DaF/DaZ LehrerInnen weiss ich, dass sprachliche Integration notwendig ist. SchweizerInnen hätten zum Beispiel wenig Geduld mit Anderssprachigen. Das ist Jasmin schon öfters aufgefallen. Sie erinnere sich an Gespräche von internationalen MitschülerInnen aus ihrer Schulzeit. «Es wird sehr schnell Schweizerdeutsch gesprochen. Kein langsames, verständliches Hochdeutsch. Wir SchweizerInnen sprechen oft nicht gerne Hochdeutsch», so die Erfahrungen ihrer migrierten Freunde. «Sprachliche Integration bedeutet für mich, dass wir uns verständigen können, eine gleiche Ebene finden und dass wir etwas gemeinsam machen können.»

Sprachliche Integration im Alltag

Das Miteinander erklärt Jasmin anhand eines Beispiels: «Wenn jemand Fremdsprachiges in die Schweiz kommt und genug Mut aufbringt, einem Verein beizutreten und sich die Leute in diesem Verein Mühe geben, lernt er oder sie schnell Deutsch. Das ist für mich sprachliche Integration». Ich stelle mir dieses Beispiel sehr visuell vor: Hand in Hand gehend. Das inklusive Verhalten vermittle dann automatisch die heimische Kultur, sagt Jasmin. Um diesen Prozess zu fördern, möchte sie an der Schnittstelle von Sprache und Mensch arbeiten. Einerseits solle es an dieser Schnittstelle Deutschunterricht geben, der die Sprache vermittle. «Andererseits möchte ich auch Menschen, die neu in die Schweiz kommen, in Vereine integrieren. Ich glaube, wenn man mit Einfühlungsvermögen, Verständnis und Geduld auf Menschen zugeht, fällt es ihnen viel leichter, ihre Bedürfnisse zu kommunizieren. Wir sind schon lange da und wissen, wo was ist. Wir können die Sprache. Deshalb sollen und müssen wir weiterhelfen.»

Mit Sprache Menschen helfen

Das Helfer-Gen scheint bei Jasmin sehr ausgeprägt zu sein. Trotzdem wolle sie nicht nur auf der «sozialen Schiene» fahren: «Ich wollte kein Studium machen, wo es ausnahmslos um den Menschen geht. Hier wüsste ich nicht, ob ich dann Arbeitsleben und Privatleben trennen könnte. Ich arbeite in der Sozialabteilung, wo ich diese Trennung bereits etwas üben konnte. Es fällt mir jedoch immer noch schwer.» Der Studiengang Sprachliche Integration gefällt Jasmin, weil er sich mit Sprache und deren gesellschaftlicher Relevanz befasst und so den Bogen zum Menschen spannt: «Ich kann Menschen mit diesem Wissen helfen.»

Bestärkt bei ihrem Entschluss, Sprachliche Integration zu studieren, wurde Jasmin auch von ihrer Mutter. Sie ist Deutschlehrerin, unterrichtet an einer Sprachschule und gibt auch Privatunterricht für anderssprachige Menschen. «Sie macht das seit Jahren und ist sehr glücklich damit.» Die Freude am Beruf ihrer Mutter sei eine grosse Motivation für Jasmin: «Ich sah, dass dieser Beruf sehr erfüllend sein kann. Zudem ist Sprache der Schlüssel zu den Menschen.»

Migration: Ein Thema, das beschäftigt

Seit Jasmin weiss, was sie studieren wird und das Leuten erzähle, prallen oft ungefragte Meinungen auf sie: «Meinungen zu Migration und zu Politik. Bei diesen Meinungen schwingen meistens Behauptungen mit. Ob diese stimmen, weiss ich nicht, da ich mich nicht detailliert mit politischen Themen auseinandergesetzt habe. Da kann ich nicht so gut argumentieren. Ich hoffe, wir lernen mehr über die Migrationspolitik in der Schweiz, sodass ich Leute besser aufklären und diese willkürlichen Behauptungen richtigstellen kann.» Sie merke, dass dieses Thema die Leute beschäftigt – auch in ihrem Wohnort Zug, wo wegen der internationalen Firmen viele AusländerInnen wohnen.

Mehr Verständnis in der Gesellschaft

Nicht nur auf die Lektionen zur Vermittlung von Schweizer Kultur, sondern auch auf die arabische Sprache freut sich Jasmin im Studium. «Wir können zwischen Arabisch und Chinesisch als Kontrastsprache auswählen. Das finde ich toll!» Obwohl sie fremde Sprachen faszinieren, möchte Jasmin vorerst in der Schweiz bleiben. Einem Auslandssemester ist sie aber nicht abgeneigt. Die Flexibilität, die dieser Studiengang mit sich bringt, gefällt ihr: «Wenn ich in einem anderen Land arbeiten möchte, kann ich das problemlos tun. Dann nehme ich meinen Job einfach mit.» Vom Studiengang erhofft sich Jasmin, dass nach drei Jahren «ganz viele fähige DeutschlehrerInnen und VermittlerInnen im Migrationsbereich auf die Welt losgelassen werden, damit wir mehr Verständnis in der Gesellschaft schaffen können und so den Weltschmerz ein bisschen erträglicher machen können.»


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