Auslandssemester – just for fun oder echter Karrierebooster?

Aufs Outgoing-Semester freuen sich alle Studierenden – endlich für ein Semester raus aus dem Hörsaal und rein ins Praktikum. Berufsfeld-Luft schnuppern. Das ist eine Option. Ein Auslandssemester zu machen, Studium oder Praktikum, gar eine Kombination aus beidem, eine weitere. Doch profitiert man als Student wirklich von einem Auslandssemester? Oder vergibt man sich damit die Chance, im Schweizer Markt erste Türen zu öffnen für den Berufseinstieg nach dem Studium? An der globAL night begaben sich Studierende und Absolventinnen unserer Bachelorstudiengänge Kommunikation und Angewandte Sprachen zusammen mit Prof. Dr. Swaran Sandhu auf eine gedankliche Reise. Um Antworten zu finden auf die Frage: Auslandsstudium – just for fun oder echter Karrierebooster?

von Annette Pfizenmayer, Dozentin und Beraterin für Organisationskommunikation,
International-Relations-Delegierte und akademische Auslandskoordinatorin IAM

Swaran Sandhu, Professor für Unternehmenskommunikation, hat sich gern auf den Weg gemacht von der HdM Stuttgart an die ZHAW nach Winterthur. Um zu beantworten, ob ein Auslandssemester ein Karrierebooster sein kann, muss man erst klären, was eine Karriere künftig eigentlich ausmacht. In seinem Impulsreferat zeigte er auf, dass Karrieren künftig hybrid sein werden. Ins Zentrum stellte er dabei das T-Shaped-Modell. Das heisst, dass in einer digitalisierten Welt, in der Distanzen verschwinden und künstliche Intelligenz Aufgaben wie Content-Produktion und Übersetzungen übernehmen wird, Fachwissen nicht mehr reicht. Der Faktor Mensch und seine Fähigkeit zur Translation von Gefühlen und Emotionen wird an Bedeutung zunehmen. Eben weil dies Algorithmen (noch) nicht leisten können. Neue Kompetenz-Profile sind gefragt. Bezogen auf das eigene Kompetenz-Profil in unseren Berufsfeldern bedeutet dies, sich folgende Klarheit zu verschaffen: Was ist mein persönliches «T», also in welcher Disziplin bin ich Expertin? Und welches interdisziplinäre Wissen und Können braucht es, um diese Fachkompetenz noch wirkungsvoller und erfolgreicher einsetzten zu können? Das Expertenwissen und auch interdisziplinäres Wissen wird im BA-Studium vermittelt. Beim T-Shaping, also beim Sich-Aneignen der Kompetenzen, die zum Expertenwissen rechtwinklig stehen, bietet ein Auslandssemester tolle facettenreiche Möglichkeiten, dies zu erweitern und damit das eigene Profil zu schärfen.

Ist Deutschland eigentlich auch Ausland?

Bei der anschliessenden Gesprächsrunde tauschten sich Studierende und AbsolventInnen mit Swaran Sandhu in einem Talk über ihre Erfahrungen im Auslandssemester aus. Dabei stand auch die Frage im Zentrum was eigentlich «Ausland» ist und wo die (gefühlte) Grenze liegt? Je weiter weg, desto besser? Die Moderatorin der Gesprächsrunde, Lorella Liuzzo – JO-Studentin im 6. Semester –verbrachte ein halbes Jahr bei der Agentur Jung von Matt in Hamburg. Mit dem häufig genannten Vorurteil, Deutschland sei ja gar kein richtiges Ausland, konnte sie schnell aufräumen. Die kulturellen Unterschiede bereits beim gemeinsamen «Feierabendbier», oder beim «Feedback auf die eigene Arbeit erhalten» bemerkbar, fühlte sie sich teilweise sehr fremd. Doch habe ihr die Erfahrung geholfen, «viel selbstbewusster und auch mutiger zu werden» und diese Kompetenzen nun künftig im Arbeitsleben nutzen zu können.

Spass und akademisches Erleben lassen sich nicht trennen

Natalia Donoso, derzeit  Incoming-Studentin im BA AS von der Universitat Autónoma de Barcelona, liebt es die Welt zu entdecken. Sie hat schon einige Auslandsaufenthalte während ihrer Studienzeit erlebt. Für sie ist es jedes Mal ein «Eintauchen in ein neues System», das man erst verstehen und kennenlernen müsse. Ein Trennen von Spass auf der einen Seite und akademischer Bildung auf der anderen Seite, sieht sie nicht. Für sie gehört beides unmittelbar zusammen. Das mache den «Booster» aus. Sie möchte ihre Erfahrungen mitnehmen in einen Job als Übersetzerin im deutschsprachigen Raum.

Auslandsaufenthalte machen selbstständig und lassen die Persönlichkeit reifen

Als Mara Bauer, JO-Absolventin 2016, in Buenos Aires ankam, hätte sie niemals gedacht, dass sie am Abend allein auf die Strasse gehen kann. Doch schnell habe sie sich an das geordnete Chaos an der Uni gewöhnt und die Strassen von Buenos Aires waren nach ein paar Tagen Gewöhnung keine Gefahr mehr. Heute arbeitet sie als Communication Specialist bei Adecco. Das Auslandssemester habe sie sehr selbstständig gemacht und davon könne sie noch heute im Job profitieren. Sie sieht keinen Nachteil darin, das Semester nicht in der Schweiz verbracht zu haben und konnte beruflich gut Fuss fassen. Auch Karin Elliker, BA-AS-Absolventin 2018 (Auslandssemester an der University of Salamanca) hat der Aufenthalt geholfen, noch selbstständiger zu werden. Sie haben die interkulturellen Erfahrungen reifen lassen. Heute könne sie diese interkulturellen Kompetenzen und das Verständnis für andere Kulturen sehr gut in ihrem Job als Porgrammberaterin bei der EF Education AG nutzen.

Ein zweiter Kühlschrank ist auch eine Lösung

Swaran Sandhu erlebte sein persönliches interkulturelles Highlight während seines Masterstudiums in New York in einer internationalen und multikulturellen WG. Es bestand darin, dass kurzerhand ein zweiter Kühlschrank angeschafft wurde, weil die individuellen Bedürfnisse der WG-Bewohner – Schweine-Fuss kochen vs. koscherer Kühlschrank – doch zu diametral verliefen.

Fazit: Und lohnt sich nun ein Auslandsaufenthalt?

Die vielfältigen Erlebnisse der Returnees und Absolventinnen haben aufgezeigt, dass ein Auslandaufenthalt vor allem auch ein Erlebnis ist, bei dem man sich selber besser kennenlernt. Weil man sich im Fremden aus einer anderen Perspektive erlebt und dieses Erlebnis ein unbezahlbarer «Booster» ist. «Sammeln Sie Erfahrungen, keine Häkchen im Lebenslauf» damit schliesst Swaran Sandhu die Talk- Runde und spricht damit allen Anwesenden aus dem Herzen.

Blogprämierungen und Marktplatz

Die Returnees erstellen nach ihrem Auslandssemester Blogbeiträge oder Poster.

Im BA AS wurden vier Blogbeiträge auszeichnet. Die Gewinner sind: Steven Wyss, Luisa Hüsser, Sabrina Caruso und Jonas Bühler.

  • Steven Wyss, Université de Genève, Blog semestre d’échange, gab einen kleinen Überblick über sein Semester.
  • Luisa Hüsser, University of Las Palmas de Gran Canaria, El ritmo canario : Hat sich dem canarischen Lebensstil (oder dem Rhythmus) angepasst und den langsameren ruhigeren Lebensstil zu schätzen gelernt.
  • Sabrina Caruso, Scuola Superiore per Mediatori Linguistici – Scuole Civiche di Milano: Trotz Anfangsschwierigkeiten zu einem wunderschönen Erlebnis im Auslandsemester. Sie hatte am Anfang keine Unterkunft, da sie über den Tisch gezogen wurde mit einer Onlineannonce, fand danach aber eine super WG.
  • Jonas Bühler, Auslandspraktikum bei Bei PROSE in Pisa, «Nirgendwo sonst lernte ich so viel über die Sprache und Kultur von Pisa, der Toscana, Italien wie in den Kaffee- und Mittagspausen bei der Arbeit.»

Im BA JO wurde der Blogbeitrag «No hurry in Africa» von Leo Herrman ausgezeichnet.

Diese Beiträge werden demnächst auf dem Blog veröffentlicht.


Das Departement Angewandte Linguistik der ZHAW ist international gut vernetzt und pflegt einen regen Austausch mit anderen Universitäten. Studierende des Departements können im Rahmen von internationalen Programmen oder bilateralen Abkommen einzelne Studiensemester im Ausland absolvieren (Outgoings). Gaststudierende (Incomings) schätzen das Studienangebot des Departements und die Annehmlichkeiten der zürichnahen Stadt Winterthur.


1 Kommentar

  • Man sollte sowas nicht mit Hinblick auf Karriere-Kick angehen… Wenn man nicht der Typ dafür ist und da auch Bock drauf hat, kann man seine Zeit auch sinnvoller nutzen


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