Von der Reise über die nahe Grenze ins gar nicht so fremde Nachbarland – und was es da kulturell zu entdecken gab.

von Birgit Werkmann-Karcher, Dozentin und Beraterin, IAP Institut für Angewandte Psychologie

Wir am IAP haben seit einem Jahr das kleine, neue Modul mit dem Titel «Interkulturelle Kompetenz» in unsere Weiterbildungs-Curricula eingebaut. Wer sich in Personalpsychologie, in Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung oder in Leadership weiterbildet, der bereist entweder eine Woche lang Destinationen in Übersee (Boston oder Singapur) oder bleibt auf dem Kontinent. In dem Fall geht es über die Grenze ins südliche Frankreich (Aix-en-Provence) oder ins nördliche Deutschland (Mannheim und Berlin). Wir haben an all diesen Orten das gleiche Programmprinzip: Wir schauen uns nationale oder lokale Kulturartefakte an und versuchen – auf der Strasse und während den organisierten Besuchen in Unternehmen und Institutionen – einen Eindruck von typischen Umgangsweisen zu erkennen, die die Arbeits- und Bildungswelt unseres jeweiligen Gastlandes charakterisieren.

Aktuell waren wir gerade mit einer Gruppe von 26 Teilnehmenden in Mannheim und Berlin. Zugegeben, das Fremdheitserleben lässt auf sich warten, wenn man einen Steinwurf hinter Basel schon im Zielland angekommen ist und obendrein die Sprache problemlos beherrscht. Ohne wahrgenommene Differenzen keine Irritationen und keine Fremdheitserlebnisse, in denen man seine interkulturelle Kompetenzen erleben und vertiefen kann. Deshalb hat uns in dieser Woche immer auch die Frage begleitet: Was ist hier anders, was ist neu, welchen Kulturdifferenzen begegnen wir?
In Mannheim besuchten wir grosse Produktionsstätten bei Daimler und BASF. Leider gab es dort ein Fotoverbot. Hätten wir fotografieren dürfen, so wären sicherlich die Arbeiter in der Pause ein eindrückliches Motiv gewesen. Alle hatten sie die Fabrikhalle gegen einen Platz an der Sonne getauscht – aber jeder für sich alleine.
Da wir nun aus Mannheim keine Fotos mitbringen, beginnt unsere Fotostrecke also in Berlin:

Business School Berlin_Begrüssungsschild

Willkommen an der Business School Berlin
Hier ist unser Kooperationspartner zuhause. Spannender Workshop mit Prof. Dr. Thiessen über Führungskultur und arbeitsweltliche Transformation. Die Suche nach markant national geprägten Führungserwartungen tritt hinter Branchen- und Arbeitsweltanforderungen zurück. Digitalisierung als Trendthema taucht auch hier auf und wird uns in Berlin immer wieder begegnen.

Gruppenfoto vor dem Brandenburger Tor in BerlinUnsere Gruppe vor dem Brandenburger Tor
Auf dem Weg in den Bundestag kamen wir an diesem typisch deutschen Artefakt vorbei. Wir verpassen es, uns über dessen Wirkung zu unterhalten und freuen uns stattdessen über das tolle Fotomotiv – ein typischer Impuls aus der Reisekultur.

 

Fraktionsvorsitzende Kerstin AndreaePolitische Kultur und Länderkultur
Kerstin Andreae ist eine der fünf stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden des «Bündnis 90 / Die Grünen» – und eigentlich grenznah in Freiburg zuhause. Uns erzählt sie im Bundestag vom Arbeitsalltag als Berufspolitikerin, von den Parlamentswochen und natürlich von der Digitalisierung.


Unsere Gruppe im Bundestag
Einzug im Bundestag!
Gruppenfoto – zum Zweiten! Vor dem gerade leeren Fraktionssaal halten wir unseren temporären Einzug in den deutschen Bundestag fest.

 

Unsere Gruppe im Görlitzer Park vor dem RestaurantKiezkultur in Reinkultur
Bei einem Stadtspaziergang in Kreuzberg machen wir einen Stopp im Görlitzer Park. Im Restaurant gibt der Kellner uns einen wichtigen Hinweis: «Lassen Sie die Taschen nicht aus den Augen, die sind sonst schnell weg». Warum? Das hier ist der Drogenumschlagsplatz für sanfte Drogen, erklärt uns die Stadtführerin, eigentlich eine sichere Ecke, aber nur für Leib und Leben, nicht für Besitz.

 

Schild mit der Aufschrift "Heute frisch: Blut- und Leberwurst"Essenskultur, typisch deutsch
Eine zweite Gruppe ging zum Stadtspaziergang nach Neukölln, wo die wahrscheinlich hungrigen Blicke des Fotografen am Schild dieser angeblich höchst berühmten Manufaktur hängen blieben. Blutwurst – guten Appetit!

 

Markthalle NeunVom Kiez in die Szene
Die «Markthalle Neun» in Kreuzberg. Hier gibt‘s keine Blutwurst, aber ansonsten so ziemlich alles, was aus den Garküchen dieser Welt stammt. Was es nicht gab, waren Sitzplätze, dafür aber Unmengen Hipster, Wein und Bier. Sehr coole Atmosphäre und ein «sinnlicher» Ausschnitt Stadtkultur

 

IG Metall in der Alten Jakobstrasse in Kreuzberg
Freitagmorgen. Wir besuchen die IG Metall und sind beeindruckt von der wunderschönen Bauhaus-Architektur. Das ist eine klare Kulturäusserung. Hier wird gesagt: Uns gibt es schon eine ganze Weile, wir gehören in den Arbeiterbezirk (in den gediegenen Teil), uns geht es gut, und wir können uns ein bisschen was leisten.

Die eindrückliche alte Eingangstür der IG MetallWir erleben eine lebendige Tour d’Horizon, durch die uns der Geschäftsstellenleiter der Niederlassung in Berlin mit Witz und Erzählkunst führt. Wir hören von den Anfängen der Gewerkschaft, von der schwierigen Zeit um die Jahrtausendwende und von den Positionen in den Gestaltungsfeldern, die von der TTIP (Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft) bis ins «Digitale Arbeiten» reichen. Dass die alte traditionelle Gewerkschaft sehr modern geworden ist, wird uns spätestens klar, als der Geschäftsstellenleiter von der neuen Plattform «crowdwork.org» erzählt. Sie stellt einen Akquisitionsversuch dar, um die neue Klientel – die nicht mehr in den Produktionsstätten vor dem Tor zu finden ist, sondern zuhause am Küchentisch arbeitet – für die Gewerkschaft zu erschliessen. Die Plattform entstammt einem Projekt, das von einem Experten aus dem Silicon Valley geleitet wird. Der ist inzwischen hier in Berlin und arbeitet für die gute Sache. Das meine ich im Übrigen nicht ironisch, denn was die Gewerkschaft heute bewegt, ist die nicht ganz triviale Frage: Wer bezahlt das Krankengeld oder die Rente, wenn die «Clickworker» nicht mehr jung, gesund und 24/7 im Einsatz sein können?

Flugzeug im Abendlicht am FlughafenJe mehr man lernt…
…desto mehr Fragen hat man. In unserer Abschlusssitzung, merken wir: Es ist schwer festzustellen, welchen Kulturen wir im Laufe dieser Woche eigentlich jeweils begegnet sind. Was war Länder-, Stadt-, Kiez-, Szenen-, Professions-, Ess- oder Branchenkultur?
Wir lassen das stehen und sagen Berlin und Deutschland auf Wiedersehen.

 

 


 

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Über die Autorin
Birgit Werkmann-Karcher ist Dozentin und Beraterin am IAP Institut für Angewandte Psychologie der ZHAW. Sie leitet den Bereich Human Resources, Development und Sportpsychologie und begleitete als Studiengangsleitererin im Rahmen des Interkulturellen Moduls die Bildungsreise nach Deutschland.

 

 

 


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